Hölle

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Der sogenannte Hochsicherheitstrakt ist ein dreistöckiges, verfallenes Gebäude, das von einem von Müll überhäuften Gelände umgeben ist, in dem sich die 1500 Häftlinge tagsüber aufhalten. Der Gestank auf dem Gelände ist kaum auszuhalten. In der feuchten Tropenhitze riecht es nach Scheiße, Urin, Schweiß und der Verwesung zahlreicher Tierkadaver. Katzen streunen im Unrat herum. Im Hochsicherheitstrakt ist man offiziell ein, zwei oder drei Monate, doch oft werden Häftlinge hier auch Monate länger vergessen, weil die Akten verschwunden sind oder Schlamperei und Korruption eine Rückführung in den normalen Knast verhindert haben. Der Superknast ist von einem Stacheldraht umgeben, der unter Starkstrom steht. Draußen auf den Wachtürmen patrouillieren Wächter mit Gewehren. Drinnen ist das Reich der Bosse mit ihren Banden. Weil sie die Schlüssel für die Zellenblöcke haben, heißen sie „Chaveiros“. Sie sind bestens gekleidet und telefonieren mit den neuesten Smartphones. Sie haben Häftlinge als Leibwächter gedingt, die wie alle anderen gewöhnlichen Häftlinge wegen der Hitze oft nur Bermudashorts und Flip-Flops tragen. In den Zellen der Bosse stehen enorme Kühlschränke mit gekühlten Getränken, Duschzellen, Fernsehgeräte und Ventilatoren gegen die brütende Tropenhitze. Nur die Bosse haben das Geld für solche teuren Elektrogeräte und die Bestechung der Gefängnisverwaltung, damit die Apparate überhaupt in den Knast hineinkommen. Jeder der Häftlinge hier ist Teil einer dieser Gangs, die sich untereinander bekriegen. Wer kein Geld hat, ist schlecht dran. Wöchentlich ist eine „Steuer“ fällig. Eine vergammelte Matratze kostet 50 Euro im Monat. Ansonsten schläft man auf dem nackten Betonboden. Die Rosen und Näglein kann man sich dazu denken. Die Zellen sind sechs Quadratmeter groß. So groß sind bei uns in Europa kleine Küchen. Dort schlafen 10 bis 20 Häftlinge. Sie werden um 6 Uhr nachmittags von den „Chaveiros“ eingesperrt und bleiben bis 6 Uhr morgens in den Zellen. Der Raum ist so beengt, dass man wie die sprichwörtlichen Sardinen in der Blechbüchse aneinander gepresst schläft. „Löffelchen-Stellung“ nennt das die Porno-Industrie. Sexualdelikte sind an der Tagesordnung. Während die privilegierten Häftlinge, die Handys besitzen, ihre Frauen kontrollieren, damit diese nicht fremdgehen, kommt es innerhalb des Hochsicherheitstrakts ständig zu Vergewaltigungen. Ältere Häftlinge vergehen sich an den jungen Insassen, die oft Schulden haben und sie mit sexuellen Leistungen zurückzahlen. Schlafen, schlief, scharf geschliffen sind die ins Gefängnis geschmuggelten Messer im Bermudohosenbund. In einem so aufgeheizten Klima werden ständig Häftlinge erstochen und erschlagen. Auch geplante Morde sind nicht selten. Sie werden von vogelfreien zu lebenslanger Haft verurteilten Gefangenen begangen, die eh keine Chance haben, aus dem Gefängnis rauszukommen. Selbst unter dem dreistöckigen Etagenbett schnarchen zwei Personen. Leute mit Blasenschwäche haben’s schwer. Das „Klo“ ist nur ein Loch im Boden, auf dem die anderen Mithäftlinge schlafen. Wer nachts raus muss, wird deshalb verprügelt. Bei den regelmäßigen Razzien, bei denen Hunderte von Wärtern aufmarschieren, werden Drogen, Waffen und Handys konfisziert. Die Clan-Bosse haben schon vorher Sündenböcke bestimmt, die dann als „Strafe“ für den „Besitz“ von Handys in den Bunker abkommandiert werden. Nach ein paar Wochen werden die konfiszierten Handys von den korrupten Wächtern gegen Geld zum Rückverkauf angeboten. Die medizinische Versorgung im Hochsicherheitstrakt ist inexistent. Tuberkulose und Hautkrankheiten sind gang und gäbe. Es gibt keinen Arzt, keinen Zahnarzt, nur eine kleine Apotheke, die noch nicht einmal genug Fäkalienbeutel für die Leute hat, denen nach Bauchschüssen künstliche Ausgänge gelegt wurden. Die Idee der Resozialisierung, die in den Gefängnissen stattfinden sollte, ist in Brasilien fremd. Mitleid gibt es keines. Jeder schreit nach Rache. In den brasilianischen Haftanstalten werden selbst Kleinkriminelle schnell zu vergewaltigten Junkies, die schnell nach der Entlassung wieder straffällig werden und erneut einfahren. Der Teufel läuft im Kreis und kennt seine Pappenheimer.

© Wolfgang Haberl 2017

 

 

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