Wider das digitale Vergessen

Dass ich gegen jedwede Form von DRM bin, ist ja kein Geheimnis mehr. Dass meine Motivation nicht daher rührt, dass ich ein ganz arg chlimmer Raubmordkopierer bin, der um künftige Downloads fürchtet (DRM war hier ja NIE ein Problem), sondern meine Sorge dem Umstand entspringt, dass ich als Kunde und Käufer meine erstandenen Inhalte unabhängig vom Willen Dritter einsetzen möchte, sollte sich mittlerweile ebenso herumgesprochen haben.

In diesem Zusammenhang möchte ich auf den folgenden Artikel hinweisen, der über ein EU-Projekt zur Archivierung von Computerspielen berichtet. „Keep“ soll aber nicht die reinen Daten archivieren, sondern es sollen Emulatoren entwickelt werden, mit denen diese Inhalte unabhängig vom Vorhandensein zeitgenössischer Hardware- und OS-Umgebungen genutzt werden können.

Nun, es wäre schade, wenn dieses Projekt unnötigerweise das Rad neu erfindet. Es gibt bereits tonnenweise Emulatoren für (fast) jede alte Hardware, für (fast) jedes alte Betriebssystem. Idealerweise sollte man also auch vorhandene Emulatoren sammeln, archivieren und klassifizieren. Oder gar Emulatoren-Standards schaffen, an denen sich künftige Emu-Entwickler orientieren können. So weit, so gut …

Was mir in diesem Zusammenhang aber vorschwebt, ist nicht nur die Bereitstellung einer technischen Infrastruktur, sondern tatsächlich die Schaffung einer großen Software-Bibliothek, wie es sie derzeit nur in Form diverser Abandonware-Seiten gibt, die ausnahmslos alle in der rechtlichen Grauzone des „Nicht ausdrücklich erlaubt, aber auch nicht explizit verboten“ operieren. Wovon ich in diesem Zusammenhang naiverweise träume, ist eine Liberalisierung des Urheberrechts, die es ermöglicht alte Software (sagen wir, älter als 15-20 Jahre) automatisch in eine solche digitale Bibliothek zu überführen, ohne dass dafür extra die Erlaubnis des ursprünglichen Rechteinhabers eingeholt werden muss. Und jeder Mensch mit einem Internet-Anschluss und (meinetwegen) einer Bezahlmöglichkeit kann sich dann gegen eine geringe Gebühr (wenn’s denn sein muss) aus dieser Bibliothek bedienen. Aus reinen Freizeitgründen, aus Forschungsgründen oder als Inspiration für die Entwicklung eigener, neuer Software.

Doch leider existiert diese Traumwelt nur in meiner Vorstellung, nur in meinem Kopf. Da draussen, in der Wirklichkeit, wehren sich die kommerziellen Rechteverwerter mit allen Kräften gegen jedwede Liberalisierung des Urheberrechts, wollen dies sogar derart drastisch verschärfen, dass, sollten sie ihren Willen bekommen, künftige Generationen bitter beklagen werden, welche unersetzlichen Kulturgüter auf Grund dieser kurzsichtigen, rein von Profit und Gier getriebenen Handlungsweise verloren gingen.

Gut, man mag einwenden, dass irgendeine banale Teenie-Klamotte, ein belangloses Hupfdohlen-Liedchen oder ein 08/15-Spiel aus der industriellen Bandfertigung der Major Publisher nicht gerade künstlerisch oder gesellschaftlich wertvoll sind. Nein, sind sie nicht. Die Menschheit wird es verschmerzen können, wenn diese Werke nach Ablauf ihrer kommerziellen Lebensdauer für immer vom Antlitz der Erde verschwinden.

Aber sie sind dennoch Teil unserer Kultur, Teil dessen, was unsere Gesellschaft ausmacht. Und es wäre höchst bedauerlich, wenn wir unsere Gegenwart, unser Sein, nicht in die Zukunft retten können, weil es für einige wenige unter uns nicht profitabel genug ist …

5 Kommentare zu „Wider das digitale Vergessen

  1. DRM ist hier nur das eine Problem, wie sieht es aber mit WoW Servern aus? Oder insgesamt Serversoftware die bei Spielkauf nicht inbegriffen war?Aktuell darf sowas keiner legal haben soweit ich mich noch von unserem Ministerium für Kulturerhalt erinnern kann.DRM ist zur Not schnell genug ausgehebelt und wenn in 10 Jahren auf den Abandon Seiten dann einfach Mass Effect und Bioshock ohne Kopierschutz erscheinen wird auch kein Hahn mehr krähen. Illegale WoW Server kenne ich dagegen nur sehr wenige.Problem ist es doch nur wieder das ganze legal zu bewerkstelligen und so leid es mir auch tut, aber irgendein Singleplayer Spiel hat nicht den Einfluss auf unsere jetzige Zeit wie WoW und die anderen MMORPG’s.

  2. Das lässt sich per gesetzlichen Dekret lösen – schon heute müssen alle gedruckten Publikationen in D auch in die Staatsbibliothek, es wurde ja schon ausgeweitet auf Netzpublikationen. Eben jene Bibo darf auch KS und DRM cracken, um etwas lauffähig zu halten.Wäre also kein Ding zu sagen, was in D released wird, muss DRM und KS freie Binaries an die Staatsbibo liefern, ebenso wie die Serversoftware – ansonsten, mhhh, eben Verkaufsverbot (funktioniert leider nur durch drakonische Strafen = Zwang).Aber die Sourcen wird niemand rausgeben.

  3. @DeathstalkerMMORPGs sind so wie so ein spezieller Fall. Im Gegensatz zu Single-Player-Games oder normalen Online-Spielen deckt das eigentliche Spiel, also Client plus Serverumgebung, bei weitem nicht alle schützenwerte Inhalte ab. Sobald die Community stirbt, ist ein wesentlicher Teil dessen, was ein MMORPG ausmacht, unwiderbringlich verloren.Somit ist die Sicherung solcher Online-Welten nicht nur schwer umsetzbar, sondern auch nur eingeschränkt sinnvoll. Es ist einfach unmöglich nachfolgenden Generation zu zeigen, was uns den Reiz an WoW ausmacht hat. Alleine macht es schließlich keinen Spass.

  4. Was MMOs ausmacht, so stimmt es schon, dass das eigentliche Spiel erst durch die Mitspieler entsteht. Dennoch sollte man auch solche Software sichern und archivieren, damit man später immer noch durch Neocrons düstere Strassen oder die Wälder von Asherons Call streifen kann.Sichert man sie nicht, sind sie endgültig und unwideruflich verloren.Zudem, auch ganz alleine kann man in WoW ne Menge Spass haben. Mitspieler werden dann einfach durch Bots ersetzt. Auch denke ich, dass Fortschritte in der AI-Entwicklung künftig so manchen Vollspacken in einem Raid locker ersetzen könnten 😉

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