Endlich ist es soweit! Meine Hausarbeit ist fertig. Thema: „Venez comme vous êtes“ Eine Analyse des McDonalds – Werbespot im Bezug auf handlungsleitende Themen. Trotz Praktikum ganz gut geworden, denk ich mal, so hier ist das Ding:
1. Einleitung
Medienanalyse erweitert nicht nur die Medienkompetenz des Analytikers, sondern kann auch Rezipienten helfen, Medien anders zu betrachten und die dahintersteckenden Systeme zu verstehen. In meiner Arbeit will ich mich auf die Werbung, hier vor allem auf die Fernsehwerbung beziehen und ihre Verbindung zu Entwicklungsaufgaben im Kinder- beziehungsweise Jugendalter. Die handlungsleitenden Themen, die in den Spots enthalten sind, können leicht erkennbar oder versteckt sein. Die versteckten Botschaften und Themen können durch Analyse aufgezeigt und bewusst gemacht werden. Ich will im Folgenden auf einen Spot des McDonalds-Konzern eingehen, der Teil der französischen Werbekampagne war und hier die darin enthaltenen Themen für Kinder und Jugendliche herausarbeiten sowie untersuchen, wie diese dargestellt und aufgearbeitet worden sind. Dafür stelle ich im ersten Teil den Ablauf der Werbung dar, gehe hier schon auf Auffälligkeiten ein und werde mich dann im weiteren Verlauf mit drei handlungsleitenden Themen beziehungsweise Entwicklungsaufgaben nach Thomas Münch beschäftigen (vgl. Münch 2002, S.73). Im Anschluss gehe ich noch kurz auf die Frage der lokalen Ausstrahlung der Werbung ein und gebe im Fazit eine Zusammenfassung und kurze Einschätzung des Werbespots im Hinblick auf die oben genannten Aufgaben. Zunächst möchte ich jedoch die Methode erläutern, mit der ich die Werbespotanalyse angegangen habe.
2. Zur Methodik
Um den Werbespot angemessen analysieren zu können, muss er mit Hilfe eines Protokolls verschriftlicht werden. Die genaue Protokollierung erfolgte in Anlehnung an die im Seminar vorgestellte Partiturschreibweise. Diese zerlegt den Film/Spot in Einzelteile beziehungsweise in die vorhandenen Einstellungen, das heißt in eine ununterbrochene Kamerasequenz. Innerhalb einer Tabelle kann nun jeder Einstellung eine bestimmte Handlung, ein bestimmter Text, eine bestimmte Intonation sowie Gesten oder Mimik, aber auch paralinguistische Merkmale und personelle Interaktion zugeordnet werden. Aber auch Elemente wie Bildaufbau, Kameraperspektive, Kameraeinstellung, Kamerabewegung und Musik, die in den bildgestalterischen Raum fallen, können ohne Probleme in dieser Tabelle festgehalten werden. Durch diese Methode können Verbindungen, Ähnlichkeiten oder Gegensätze ausfindig gemacht sowie das Zusammenspiel all dieser Elemente untersucht werden.
3. Handlungsrekonstruktion des Werbespots
Zu Beginn des Spots folgt die Kamera zunächst einem (Brief-)Umschlag, auf dem das Hauptaugenmerk zu liegen scheint. Der Umschlag gehört einem Jungen, dessen räumliche Einordnung in ein Umfeld nicht möglich ist. Die weiße Sitzecke, in der er sich befindet, könnte überall sein. Der Junge ist ähnelt äußerlich leicht dem Teenieschwarm Robert Pattinson, Star der Twilight-Filmreihe.[1] Er lächelt leicht, in seinem Gesicht ist eine gewisse Vorfreude auszumachen. Im Hintergrund ist, ebenfalls in einer weißen Sitzecke sitzend, eine weitere Person zu sehen. Es herrscht eine Gesprächs- und Geräuschskulisse, die die Anwesenheit weiterer, jedoch nicht sichtbarer Personen verdeutlicht. Das Geheimnis des Umschlages wird erst in der zweiten Einstellung gelüftet. Die Kamera schaut dem Jungen über die Schulter, während er den Briefumschlag öffnet und ein Klassenfoto sichtbar wird. Die einzelnen Personen darauf sind nicht genau auszumachen, dennoch ist es durch die eindeutige Aufmachung und Anordnung der Personen leicht als ein solches zu erkennen. Ein Handy klingelt. Es klingt laut und nah, weshalb es das des Jungen sein muss. Während des Klingelns ändert sich die Perspektive. Wartende Personen werden in einer halbnahen Einstellung gezeigt, das heißt, man weiß noch nicht, wer wichtig und unwichtig ist. Das Klingeln des Handys wird leiser, ist aber noch auszumachen. Ein Mann aus der Schlange dreht sich um, er hat einen leicht genervten Gesichtsausdruck. Wird er durch das Klingeln gestört? Gibt es eine Verbindung zwischen den beiden Personen oder wird erst durch den Klingelton eine geschaffen? Wichtig ist hier in dieser dritten Einstellung außerdem, dass im Hintergrund der Schlange Essen auszumachen ist. Essen, das in ein Schnellrestaurant gehört – die Indizien wartende Menschen und Selbstabholung sprechen für diese These. Die vierte Einstellung ist wieder dem Jungen zugewendet. Er wird von über der Schulter gezeigt, wie er sein Handy aufklappt. Ein Hallo, leicht fragend zur Begrüßung, zeigt, dass er noch nicht weiß, wer am anderen Ende der Leitung ist. Seine Hand liegt dabei immer noch auf dem aufgeklappten Klassenfoto. Erst in der nächsten Einstellung wird seine Reaktion auf den Anruf gezeigt. Er hat das Handy am Ohr, sieht erfreut aus, schaut dabei auf den Tisch und scheint in Gedanken versunken. Er fängt an, in einem sehr sanften Ton sprechen, ein Gegensatz zu dem stärker intonierten Hallo der Begrüßung: „Ich hab auch an dich gedacht.“ Die Person, mit der er spricht, muss also eine große Rolle in seinem Leben spielen, da er selbst in einem Schnellrestaurant an sie denken muss. Der zweite Satz: „Ich schau mir unser Klassenfoto an“ zeigt auf, das es sich um jemanden aus seiner Klasse handelt. Während dieses Satzes folgt der Schnitt zur nächsten Einstellung. Die besondere Verbindung, die eine Liebesbeziehung zu sein scheint, wird dadurch verstärkt, dass beinahe eine Detaileinstellung der Hand gezeigt wird, die gerade das Klassenfoto oder pars pro toto die besondere Person darauf streichelt. Genau ist dies aber nicht zu erkennen. Die siebte Einstellung zeigt wieder das Gesicht des Jungen und seine Reaktionen. Er verdreht den Kopf, lacht dabei leicht und wirkt erfreut. Die Erklärung der Reaktion wird wieder verbal gelöst: „Ich vermisse dich auch.“ Bei der anderen Person muss es sich also wirklich um einen Partner handeln, das Paar ist aber gerade getrennt, die näheren Umstände werden nicht erklärt. Interessant hierbei ist die Musik, die sich jetzt immer mehr in den Vordergrund spielt und hier gut zu hören ist, ein Klavier setzt ein. Auch hier wird jetzt wieder die Verbindung durch einen Schnitt dargestellt. Der Overshoulderblick zeigt uns seine Hand, die jetzt deutlicher sichtbar eine spezifische Person auf dem Bild berührt. Das Objekt seiner Begierde befindet sich anscheinend oben rechts auf dem Foto. Filmisch und erzählerisch ist hier jetzt eine Beziehung zwischen einer sichtbaren und einer dem Rezipientenkreis verborgenen, nicht akustisch anwesenden Person sichtbar gemacht worden. Diese Beziehung muss noch eine größere Rolle spielen, da ihre Erzählung bis jetzt einen Großteil des Spots eingenommen hat – im Gegensatz zu der Verbindung des Jungen und des Mannes in der Warteschlange. Die folgende nahe Einstellung zeigt wieder den lächelnden, deutlich glücklichen Jungen. Das Handy hält er immer noch am Ohr, er dreht aber den Kopf und lächelt einer Person außerhalb des Bildes zu und sagt: „Mein Vater kommt.“. Sein Vater, möglicherweise eine Person in der wartenden Menge, vielleicht auch der Mann, mit dem bereits eine Verbindung besteht, scheint auf ihn zuzukommen – die Musik wird dabei lauter. Der Vater wird gezeigt: Es ist tatsächlich der Mann aus der Schlange. Er dreht sich um, hat ein Tablett auf der Hand, auf dem nun eindeutig ein McDonalds-Menü zu erkennen ist mit den roten Pommestüten, den Colabechern und den spezifischen Burgerverpackungen. „Ich muss auflegen,“ sagt die Stimme des Jungen aus dem Off. Der Junge möchte offensichtlich nicht, dass sein Vater etwas von dem Gespräch mitbekommt. Dezent im Hintergrund sind nun die Angestellten des Restaurants zu sehen, bekleidet mit hellgrünen Polohemden und roten Kappen. Hier setzt in der akustischen Begleitung eine Frauenstimme ein, ist aber nicht gut zu verstehen. Erst in der 12. Einstellung, bei Sekunde 19, bekommt der Rezipient eine erste „reale“ Interaktion zwischen zwei visuell und akustisch wahrnehmbaren Personen zu sehen. Der Vater und sein Sohn treffen aufeinander. Der Vater setzt sich zu seinem Sohn und sagt kurz: „Hier haben wir’s.“ Es wird die Totale gewählt, die beiden Hauptpersonen sitzen hinten am Fenster, andere Personen kreuzen das Bild. Das Restaurant ist nicht voll, aber gut besucht, dennoch haben Vater und Sohn genug Abstand zu den anderen Kunden, um ungestört miteinander reden zu können. Einstellung 13 zeigt Vater und Sohn in ihrer Zweisamkeit. Der Vater schaut sich auf dem Tisch um, entdeckt den Umschlag und das Klassenfoto und fragt seinen Sohn: „Ist das dein Klassenfoto?“ Er schaut ihn dabei leicht verstört und fragend an. Im Gegenschuss nickt der Sohn nur kurz als Antwort und sieht dabei etwas betreten aus. Offensichtlich weiß er nicht, worauf der Vater mit seiner Feststellung oder Frage hinaus will beziehungsweise kann er den Gesichtsausdruck seines Vaters nicht einordnen. Doch in der nächsten Einstellung ist im Gesicht des Vaters nichts mehr von der Anspannung zu sehen, er ist erfreut, schaut auf das Foto, blickt auf und seinem Sohn ins Gesicht und sagt ihm: „Du siehst aus wie ich in deinem Alter.“ Damit stellt er einerseits seinen Sohn Stufen unter sich, würdigt ihn aber auch mit seinem subjektiven Lob: Du bist wie ich damals war und aus mir ist schließlich was geworden, dann kannst du das auch. Er lobt also sich und den Jungen gleichzeitig. Die Reaktion des Sohnes wird im Spot völlig ausgelassen. Dafür beugt sich der Vater vor und sagt seinem Sohn mit verklärtem Blick: „Lass mich dir sagen, ich war ein ganz schöner Frauenheld“ und lächelt. Er erinnert sich dabei wahrscheinlich an seine Jugend und trauert ihr ein wenig hinterher. Sein Sohn ist überrascht, seinen Vater so offen sprechen zu hören, er lacht ungläubig, aber auch amüsiert. Er stellt sich wahrscheinlich innerlich die Frage, warum sein Vater gerade beim Essen die Vergangenheit auspacken muss. Der Vater deutet jetzt auf das Klassenfoto, greift ansatzweise zur Mahlzeit und spricht dabei mehr zu sich selbst als zu seinem Sohn: „Zu schade, das nur Jungs in deiner Klasse sind…“. Der Sohn schaut jetzt auf, mit einem Blick, der „Wenn du nur wüsstest“ zu sagen scheint, während der Vater weiterhin verträumt sagt: „Du könntest all die Mädchen kriegen.“ Die Reaktion des Sohnes darauf beläuft sich auf ein halbherziges Lachen. Der Rezipient des Spots ist spätestens jetzt im Bilde. Der Junge ist homosexuell und steht in einer Beziehung zu einem seiner Klassenkameraden. Konträr dazu weiß der Vater eben das nicht – und wird es dem Lachen zufolge des Sohnes auch so schnell nicht erfahren. Das Schlussbild fördert eine versöhnliche Stimmung, der Innenraum des Restaurants ist zu sehen, Vater und Sohn im Hintergrund am Fenster reden angeregt weiter. Wird er es jetzt dem Vater sagen? Oder erst einmal das Essen genießen? Die einzige Bewegung im Bild macht die Bedienung und die Kamera aus. Erst jetzt kann man den Text der immer lauter werdenden Musik besser verstehen. Die Frauenstimme singt: „I’m going on my road“ und mit dem „road“ blendet es aus zu schwarz mit dem Schriftzug „Venez comme vous êtes“, also frei übersetzt „Komme, wie du bist“. In der letzten Einstellung wechselt die Melodie des Liedes zum bekannten Werbejingle von McDonalds und das Symbol der McDonalds-Corporation, das gelbe M auf grünem Grund, erscheint.
4. Handlungsleitende Themen im Werbespot
Thomas Münch definiert zehn Entwicklungsaufgaben, die von Jugendlichen geleistet werden können oder müssen. Es handelt sich dabei um Aufgaben, welche auch durch Medien wie diesem Werbespot behandelt werden können. Kinder und Jugendliche brauchen diese mediale Form der Bewältigung der Aufgaben vielleicht nicht, aber „da die Medien jedoch in allen Altersphasen des Aufwachsens präsent sind, werden sie von den Rezipienten […] in Dienst genommen.“ (Süss/Lampert/Wijnen 2010, S.46). Ich möchte nun kurz vorstellen, welche Entwicklungsaufgaben und welche handlungsleitenden Themen in diesem Spot gezeigt werden. Im Folgenden gehe ich auf drei Entwicklungsaufgaben nach Münch ein und werde noch andere handlungsleitende Themen herausfiltern und diese genauer besprechen. Ich beschränke mich auf die Peerintegration, die Autonomie gegenüber den Eltern und die sexuellen Beziehungen. Die Aufgaben enge Freundschaftsbeziehungen/ soziale Bindungsfähigkeit, Berufsvorbereitung, politische Orientierung, Zukunftsorientierung/Leben als Erwachsene, Reife/Autonomieentwicklung und physische Reifung erscheinen mir in diesem Kontext nicht so stark vertreten (vgl. Münch 2002, S. 73), als das ich sie behandeln könnte.
4.1 Peerintegration
Dieser Spot zeigt eine Peergroupintegration auf zwei Ebenen. Einerseits scheint der Junge in seiner Schulklasse integriert. Die genaue Beantwortung der Frage leistet der Spot jedoch nicht, man weiß nicht, ob der Junge das Foto nur hervorholt, um seinen Freund anzusehen oder die Klasse als Ganzes. Seine Homosexualität und die seines Freundes, der ja dieselbe Klasse besucht, kann vor den Klassenkameraden nur schwer geheim gehalten werden. So stellt sich die Frage, in wie weit sie in die Klassengemeinschaft integriert sind oder ob die Homosexualität als Grund zur Ausgrenzung gewertet wird. Aber beim Blick des Jungen auf das Klassenfoto erscheint dieser nicht abgeschreckt oder wütend, sondern scheint nur seinen Freund im Kopf zu haben. Eine andere Peergroup in der sich der Junge befindet, ist vielleicht die Schwulenszene. In welcher Hinsicht er darin integriert, wird nicht dargestellt und ist nicht ersichtlich.
4.2 Autonomie gegenüber den Eltern
Die Autonomie des Jungens gegenüber seinen Eltern, im dargestellten Fall gegenüber seinem Vater, wird an einigen Stellen der Werbung sichtbar. In der Einstellung neun beziehungsweise zehn kommt der Vater mit dem Essen an den Tisch. Der Sohn bricht schnell das Gespräch ab: „Mein Vater kommt, ich muss auflegen.“ Er will nicht, dass sein Vater seine Konversation mitbekommt oder erfährt, mit wem er telefoniert hat. Er hat Geheimnisse vor dem Vater, entwickelt damit eine Autonomie. Gleichzeitig zeigt dieses Verhalten aber auch eine gewisse Angst vor dem Vater, die sich vielleicht auch im Hinblick auf seine Homosexualität entwickelt hat. Der Vater weiß es noch nicht, der Sohn kann aber selber entscheiden, wann und ob er ihm das sagt. Andere Sequenzen zeigen ebenfalls eine gewisse Autonomie. Als sein Vater ins Schwärmen kommt, lächelt der Junge nur, schaut amüsiert, macht sich ein bisschen über seinen Vater lustig. Er betrachtet ihn nicht als unfehlbare Autorität, wahrt aber den Anschein des wohlerzogenen Sohns. Dieses Nichtssagen in den Einstellungen 14, 17 und 19 kann aber auch noch etwas anderes aussagen. So spricht der Junge in dem Spot nur mit seinem Freund, mit dem Vater aber kein Wort. Das Gespräch mit dem Vater geht nur von diesem aus, der Sohn kommuniziert nur über Mimik. Aus dieser Haltung spricht die Überzeugung, lieber nichts zu sagen und abzuwarten, bis dieses bestimmte Thema, das ihn und seine Sexualität seinem Vater gegenüber thematisiert, wieder von Tisch ist. Eine Identität, die klar zu ihrer Position steht, hat sich noch nicht entwickelt. Auch den Rezipienten des Werbespots wird so vermittelt, dass es eventuell besser sei, in solchen Situationen abzuwarten und nichts zu sagen.
4.3 Sexuelle Beziehung
Das Thema Sexualität wird offen im Spot aufgegriffen. Rezipienten können sich mit dem Jungen identifizieren und sich so vielleicht besser mit ihrer eigenen Homosexualität auseinandersetzen. Dennoch hinterlässt der Spot einen gewissen Unglauben. Allein der Aufbau untermalt die Andersartigkeit der Homosexualität. Zu Beginn ist noch nicht klar, dass der Junge schwul ist. Allein die Tatsache, dies als Aufhänger der Werbung zu nehmen, zeugt von einer Diskriminierung dieser sexuellen Orientierung beziehungsweise bekräftigt das Tabu, das immer noch bei der Darstellung von Homosexualität greift. Obwohl Nathalie Legarlantezec, Leiterin der Marketingabteilung des französischen McDonald-Konzerns, darauf hinweist, dass die Werbung keine negativen Reaktionen hervorruft und sowohl die französische als auch die deutsche Schwulenszene positiv auf den Spot reagiert (vgl. Donzel 2010 und Lehmann 2010), bleibt ein bitterer Nachgeschmack. Außerdem berichtet sie in einem Interview, durchgeführt von Yagg.com, das es „aucun problème avec l’homosexualité en France“ (Donzel2010), also kein Problem mit Homosexualität in Frankreich in der heutigen Zeit gäbe. Genau das widerspricht aber dem Spot. Es wird impliziert, dass bei McDonalds jeder wie er ist willkommen ist, eben auch Schwule. Leider hilft das der schwulen Bevölkerung in Frankreich nicht viel, wenn sie in der Gesellschaft, aber nicht vom Staat anerkannt werden. Es ist immer noch nicht erlaubt, als homosexuelles Paar zu heiraten. Der Vater steht in dieser Werbung für die Gesellschaft, er weiß nichts von der Homosexualität seines Sohnes und reflektiert hier die Einstellung der Gesellschaft zu diesem Thema.
Wie reagiert nun ein Rezipient auf diese Werbung, ob nun schwul oder nicht? Legarlantezec will laut Yagg.com eben nicht eine spezifische Bevölkerungsgruppe ansprechen, sondern zielt auf die gesamte Bevölkerung. Diese Werbung soll auf der Empathieebene wirken, das Gefühl hervorrufen, den Jungen unter dem Aspekt des Kindchenschemas zu betrachten und Gänsehaut zu bekommen, wenn er seinen Vater anschaut (vgl. Donzel 2010). Doch ob und wie diese Werbung auf Rezipienten wirkt, kann ich in diesem Rahmen nicht aufzeigen.
5. Warum gibt es diese Werbung nur in Frankreich?
Diese Frage stellt sich schnell, wenn man sich diese Werbung betrachtet. McDonalds will die Vielfalt seiner Kunden darstellen (vgl. Donzel 2010), mit diesem und zwei weiteren, doch weniger aussagekräftigen und vielschichtigen Werbespots. Es handelt sich dabei um eine neue Kampagne im Rahmen der Neugestaltung des McDonalds-Images. Das gelbe M erstrahlt nun vor grünem Hintergrund und soll so eine gewisse Naturnähe oder auch Umweltbewusstsein vermitteln. Auch in Deutschland gibt es immer mehr Filialen mit diesem Logo. Dennoch wurde bis jetzt eine solche Werbung nicht ausgestrahlt.
Interessant ist, dass dieser Werbespot eine Welle der Empörung in den USA hervorgerufen hat. Die OC-Catholics behaupten, dass McDonalds diese Werbung an den Franzosen getestet habe und sie nun auch in den USA zeigen wolle. Die Adresse des Konzerns, um an einer Unterschriftenaktion gegen eine Ausstrahlung des Spots im us-amerikanischen Fernsehen teilzunehmen, ist in dieser Protestschrift gleichfalls vorhanden (vgl. Sikorski 2010).
Aber die Frage, warum diese Werbung gerade in Frankreich läuft und das auch erfolgreich, kann nicht befriedigend beantwortet werden.
6. Fazit
Im Mittelpunkt des Werbespots steht nicht nur der Konzern McDonalds, sondern auch die Beziehung des Sohnes zu seinem Vater. Diese Beziehung scheint aber keine normale zu sein, doch wird diese Position gleichzeitig hinterfragt. Das Gespräch verläuft einseitig, aber ist das nicht normal? In wie weit will man mit seinen Eltern ein solches Gespräch führen, über deren Jugend und vor allem deren Frauengeschichten? Ist dies nicht ein ganz normales jugendliches Verhalten?
Dennoch ist der Werbespot, wie ich finde, eine klare Darstellung von Homosexualität als etwas Befremdliches. Sie könnte aber auch als ein Vorstoß zur Offenheit gegenüber Homosexualität gelesen werden.
Das Problem an dieser Werbung ist, dass sie eigentlich zum Besuch einer Filiale anregen soll. Aber das schafft sie nur durch vorgetäuschte Provokation sowie Normverletzung. Man nimmt ein Thema, das gerade und immer wieder zur Debatte steht und konstruiert darum eine Geschichte, die zufälligerweise in einer McDonalds-Filiale stattfindet. Das virale Marketing erledigt den Rest. Diese Strategie passt auch zum neuen Slogan der Firma: „Komme wie du bist“ propagiert der Konzern, und zeigt dabei, dass jeder zu McDonalds kommen kann, selbst wenn er homosexuell sein sollte oder sonstige Probleme hätte. Leider wird so Homosexualität wieder zu einer Abnormität deklassiert, zu einer versteckten Sexualität, die man vor dem eigenen Vater nicht offenbaren kann, ohne Konsequenzen befürchten zu müssen. Um wirklich progressiv und nicht nur positiv diskriminierend zu sein, gäbe es für den Spot nur eine Möglichkeit: Ein Outing zwischen Pommes und Burgern.
7. Literaturverzeichnis
Süss, Daniel/ Lampert, Claudia/ Wijnen, Christine W. (2010): Medienpädagogik. Ein Studienbuch zur Einführung. 1. Auflage. Wiesbaden
Münch, Thomas (2002): Musik, Medien und Entwicklung im Jugendalter. In: Müller, Renate/ Glogner, Patrick/ Rhein, Stefanie/ Heim, Jens (Hrsg.): Wozu Jugendliche Musik und Medien gebrauchen. Jugendliche Identität und musikalische und mediale Geschmacksbildung. Weinheim/München, S.70-83
Donzel, Maxime (2010): McDonald’s dit ne pas cibler les gays avec sa nouvelle publicité. Verfügbar unter: HYPERLINK „http://yagg.com/2010/05/28/29999/“ http://yagg.com/2010/05/28/29999/. Abgerufen am 29.08.2010
Lehmann, Nico (2010): Frankreich: McDonalds mit erstem schwulenfreundlichen TV-Spot. Verfügbar unter: HYPERLINK „http://www.du-und-ich.net/news/frankreich-mcdonalds-mit-erstem-schwulenfreundlichen-tv-spot.html“ http://www.du-und-ich.net/news/frankreich-mcdonalds-mit-erstem-schwulenfreundlichen-tv-spot.html. Abgerufen am 29.08.2010
Sikorski, Richard (2010): McDonald’s testing gay commercial in France. Verfügbar unter: HYPERLINK „http://www.examiner.com/roman-catholic-in-anaheim/mcdonald-s-testing-gay-commercial-france“ http://www.examiner.com/roman-catholic-in-anaheim/mcdonald-s-testing-gay-commercial-france. Abgerufen am: 29.08.2010
McDonalds-Werbespot, verfügbar unter: HYPERLINK „http://www.mcdonalds.fr/#/cp-vcve/“ http://www.mcdonalds.fr/#/cp-vcve/. Abgerufen am 29.08.2010
[1] In dieser verkörpert er den Vampir Edward Cullen, der zur Zeit wohl das Teenie-Idol schlechthin ist und damit großes Identifikationspotential für diese Zielgruppen besitzt.
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