Back from Greifswald

Alter Walter, gefalteter Verwalter! – die Regionalbahn wurde umso voller, desto näher sie Berlin kam. Ich saß im Fahrradabteil mit meinem gefalteten Faltrad. Als ich in Greifswald zustieg, ergatterte ich noch relativ leicht einen Sitzplatz. Nur ein paar Jungs hatten sich ausgebreitet. Prima, dachte ich, vielleicht werden ja die drei Stunden Fahrt etwas angenehmer als die Hinfahrt. Ich hatte ein paar Bier und eine Flasche Rotwein im Gepäck. Das sollte reichen.
Die Jungs waren gut drauf, ziemlich lässig. Sie lagen da so rum und quatschten dummes Zeug. Ich grinste mir einen und machte das erste Bier auf. Lange blieb es allerdings nicht so friedlich. Schon zwei oder drei Haltestellen nach Greifswald stiegen die ersten Fahrräder zu. Dann noch ein paar Kinderwägen. Und danach wieder Fahrräder. Die Jungs hatten sich inzwischen mit ihrem Gepäck in die äußerste Ecke verdrückt. Das Platzangebot war ausgereizt, dachte ich, und auch die anderen dachten das. Ich kann zugeben, wenn ich mit einer Annahme falsch liege. Das ist eine meiner Stärken. Es kamen noch ein halbes Dutzend Fahrräder mehr, die sich o Wunder irgendwie zwischenrein quetschten. Gut, dass mein Platz davon relativ unberührt blieb. Ich hörte über Ohrhörer meine Lieblingsmusik und schaute auf das zunehmende Gewirr um mich herum. Eine dreiviertel Stunde vor Berlin stieg schließlich noch ein junger Vater mit einem riesigen Fahrradanhänger ein, in dem seine zwei Knirpse saßen. Um überhaupt in den Zug zu kommen, musste der Anhänger über ein paar am Einstieg stehende Fahrräder hinweggehoben werden. Stehen blieb er quasi vor meinen Füßen. Ich blickte in zwei süße, verschmierte Kindergesichter. Die zwei Knirpse kümmerte das Chaos um sie herum herzlich wenig. Sie waren ausschließlich mit sich beschäftigt. Sah so aus, als dürften sie ihre Kindheit richtig ausleben. Prima Vater, dachte ich bei mir, und nahm einen großen Schluck aus meiner Pulle Rotwein. So weit ich das mitkriegte, hatte er seine Knirpse ganz gut im Griff. Er lenkte sie mit Spielen und Reiswaffeln ab.
Ich fand`s gut, dass in dieser Beengtheit alle Reisenden ruhig blieben, obwohl manche relativ besorgt aus der Wäsche guckten. Wie würde sich dieses Gewirr an Kinderwägen, Fahrrädern, Gepäck und Menschen wieder auflösen, fragte auch ich mich. Aber o Wunder: es klappte ohne nennenswerte Schwierigkeiten.

Inzwischen hocke ich zuhause und koche mir Pellkartoffeln für den Abend. Daneben läuft die Waschmaschine. Nicht dass ich nächste Woche ohne meine Lieblings-T-Shirts dastehe. Ich grinse schräg. Warum auch immer. Draußen grinst die Sonne. Schön, sie als  „Willkommen-zurück“ zu haben.

 

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Dunkle Wolken bei meiner Ankunft in Greifswald

 

6 Gedanken zu “Back from Greifswald

  1. Im Osten klappt so etwas noch, da bleiben die Leute besonnen und ruhig – hier im Chaos-Land wäre wieder Mord und Totschlag, wenn es im Nahverkehrszug so vollgestopft werden sollte…

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      • Da ist eine völlig andere Demographie, als hier… Einer meiner ältesten Freunde ist Lokführer. Der sagt immer, dass seine Kollegen, die Nachtschicht zwischen Köln und Dortmund fahren müssen, bei nahezu JEDER Schicht einen außerplanmäßig langen Halt wegen eines Polizeieinsatzes im oder am Zug haben… Randalierer, Raub, Exhibitionisten, Schlägereien, Messerstecher, Intoxinierte, eskalierende Streitereien, sexuelle Belästigungen und Nötigungen… Die Bahn kommt nachts nicht durch NRW ohne sowas – da lob ich mir doch ein Mecklenburgisches Touristen-Bähnlein… 😁

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      • Hypermental, ich bin auch schon eine Menge rumgekommen in Deutschland. Randalierer gibt’s überall, natürlich weitaus konzentrierter in den Großstädten. Und dann kommt’s auch noch auf die Zeiten an, wann man Bahn fährt: am frühen Tag oder abends/nachts, ob zu Zeiten von Fussballspielen und anderen großen Events oder an irgendwelchen Pipi-Tagen…
        Zwischen Ost und West konnte ich, was Randale angeht, keine Unterschiede feststellen, ausser dass es im Osten mehr Nazis gibt.
        Man hat bei solcherlei Bahnfahrten Glück oder Pech…
        Angenehm sind übervolle Züge auch mit ganz normalen friedlichen Stinkern nicht.

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  2. Das Problem „übervolle Züge“ ist mir gut bekannt. Fahre jeden Tag mit dem Zug und bin oft froh, dass ich nur knapp 10 Minuten in der Hölle stehen muss. Insgesamt stöhnen die Leute zwar bei vollen Zügen, aber da man eh nichts an der Situation ändern kann, bleibt es zumeist ruhig. Guten Start im Lieblingsshirt.

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