Tagebuch: Woche 3

Eine Reise zu Coronazeiten

«Da bleibt mir der, von – mit Sondergenehmigung eingereisten – ausländischen Erntearbeitern gestochene Spargel im Hals stecken! Die waghalsige Dame, die das hier schreibt, war also auf Reisen?! Kocht sie vielleicht auch noch Nudeln und benützt regelmässig frisches Klopapier?»
Zu den letzten zwei Punkten: ein trendiges Nein von mir! Aber zu meiner Reise stehe ich! Hier geht’s zur Chronik:

7. April

12.31 Uhr: SMS von P.: «Liebe Anna, habe gesehen, dein Zug kommt um 13.42 Uhr auf Gleis 4 in Feldkirch an. Ich warte dort auf dich. Falls etwas nicht klappt, ruf mich bitte an, lg, P.» P. ist Mitarbeiter meines Vaters, Ungar und österreichisch-schweizerischer Grenzgänger. Das macht ihn zu meinem (legalen) Schlepper.

Ich plane schon seit einigen Tagen den Zug um 7.37 Uhr ab Wien Meidling nach Hause zu nehmen, konnte mir nicht vorstellen, dass so ein RJX nicht fährt. Daher habe ich auch nicht nachgeschaut, ob er tatsächlich fährt. Zum Glück hat P. das abgecheckt. Nur damit ich mit «ja, genau» antworten kann, öffne ich mein ÖBB-App selber nochmals.

Dass es ab Feldkirch nicht weitergehen wird, ohne umzusteigen, habe ich mitbekommen. Normalerweise rollt mein Zug ganz unbemerkt über den Rhein, nachdem er noch viel unbemerkter Liechtenstein durchquert hat.

Ich möchte diesen frühen Zug erwischen, denn ich schätzte, dass dann noch wenig Polizei unterwegs sein wird, die mich von meiner Reise abhalten möchte. Trotzdem überlegte ich mir schon mal eine Antworten, um nicht überrascht von einer Begegnung, eine zusammenzustottern, wenn sie mich fragen, wohin ich mit Gepäck möchte. Grob schaut die hoffnungsvollste aller Antworten, die ich mir zurechtgelegt habe, so aus: «Ich fühle mich von der Anrede „Sehr geehrte Österreicherinnen und Österreicher“ des Bundeskanzlers bei seinen Pressekonferenzen diskriminiert. Daher möchte ich in mein Herkunftsland ausreisen und dem österreichischen Staat nicht weiter zur Last fallen.» Muss doch bei der Polizei gut ankommen…🤔

Die Regierung hat die Osterverordnung vor kurzem aufgehoben. Das heisst für mich: ich werde mit einem Koffer übelst auffallen. Aber ohne Koffer zu reisen, geht in dem Fall, wo ich nicht sicher weiss, wie einfach und bald ich wieder zurück nach Wien komme, nicht.

2 Kommentare Gib deinen ab

  1. Corina sagt:

    Liebe Anna, es fühlt sich seltsam an deinen Beitrag zu lesen🤔 Er ist schön und unterhaltsam geschrieben.👍 Aber jemandem der seit bald 2 Monaten weder seine Familie, noch Freunde & Bekannte persönlich getroffen hat, obwohl diese nur ein paar wenige Kilometer entfernt leben , fällt es schwer diese Story in dieser einsamen Zeit toll zu finden. Jeder soll machen was er für sich als stimmig und passend empfindet. Und ich bin auch nicht die Art von Mensch die einen moralinsauren Kommentar abgeben wollen. Dennoch muss ich sagen , ein kleiner schmerzender Stich in Mir hat diesen Text beim lesen schon begleitet. 😕Wünsch Dir alles Gute.

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    1. Liebe Corina, ja, das kann ich verstehen. Bei mir ist es so, dass ich zufällig das Glück hatte Reisen zu können, ohne in Quarantäne zu müssen und ich das auch absolut in Kauf nehmen konnte, ohne meine Eltern zu gefährden, da mein Vater als Arzt und meine Mutter als Arzthelferin so oder so täglich seine PatientInnen hatte. Aber ich hoffe, dass sich bei dir inzwischen alles wieder am normalisieren ist. Alles Gute!

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