WMDEDGT November 2021

Seit April 2013 ruft die Nachbarbloggerin immer am 5. des Monats zum Tagebuchbloggen auf unter dem Motto „WMDEDGT?“ (kurz und knackig für „Was machst Du eigentlich den ganzen Tag?“). Manchmal melde ich mich auch hier im Blog zu Wort und dieses Mal habe ich besonders viel zu erzählen. 

Ich bin der Tisch von der Wohngemeinschaft Naunynstraße  Diesen Monat allerdings mit Verspätung, weil hier unglaublich viel los war und außerdem w.ordpress spinnt. Aber der 5. November 2021 war ein ganz besonderer Tag und hat in unserer Wohngemeinschaft Geschichte geschrieben. Deshalb MUSS ich hier davon berichten:

Um 6.15 Uhr ging es los wie immer um diese Jahreszeit bei mir im Wohnzimmer. Der Kachelofen wurde geheizt, damit es zur Frühstückszeit schön warm ist. Am Morgen unter der Woche – so auch heute – treffen sich die BewohnerINNEN immer um halb neun zum Frühstück bei und an mir. Heute wurden die letzten Absprachen für die Vorbereitungen für den Abend getroffen und sich gefreut.

Ein besonderer Besuch wurde erwartet: Pater P.hilipp aus dem Benediktinerkloster Maria Laach in der Eifel.Der Chefkoch ist ein treuer Hörer vom täglichen Online-Abendgebet , das von Pater P.hilipp gestaltet wird. Eine konspirative Aktion führte dazu, daß der Chefkoch eine Namenstagskarte aus Maria Laach erhielt („ist die wirklich echt?“). Als sich herausstellte, daß Pater P.hilipp im November in Berlin sein würde, wurde er in die WG eingeladen und sagte zu.  Heute nun sollte nun der große Tag sein. Und weil der auf einen Freitag fällt, würde das Abendessen auf den Beginn des Schabbat fallen.

Der Chefkoch wäre nicht der Chefkoch, wenn er nicht für diese Gelegenheit ein besonderes Essen geplant hätte. Schon am Donnerstagabend wurde indischer Paneer-Käse mariniert und eingelegt. Nach dem Frühstück traten – mindestens – drei Bewohner in Aktion um Gemüse und Obst zu schälen und nach genauen Vorgaben zu schneiden. Das dauerte, denn der Chefkoch wollte seine Freude mit anderen teilen und weitere Gäste einladen. Aus pandemischen Gründen mußte er auf drei weitere Personen begrenzt werden. Dann würden zwölf Personen an mir Platz nehmen.

Zwischendurch kam diese/r und jene/r aus der Nachbarschaft vorbei – normaler WG-Alltag. Unsere jüngste Mitbewohnerin – vom Alter und von der Wohndauer her – hat ein besonderes Faible für Dekoration. Deshalb wurde von mir die Herbst-Deko entfernt. Und dann wurde es richtig spannend. Was hat sie sich diesmal einfallen lassen? Über meine Mitte wurde in voller Länge ein 20-Zentimeter breites blaues Band als Himmel gespannt. Am einen Ende wurde eine kreisrunde orange Sonne für den Sonnenaufgang gelegt und am anderen Einde ein dunkelroter Kreis für den Sonnenuntergang: Um die Sonnenkreise flogen farblich passend Origami-Schmetterlinge: Dazwischen kleine Gläschen mit (Vogel-)Sand und Teelichtern oder Zweigen.

In der Mitte standen dann die beiden Schabbatleuchter mit den weißen Kerzen,  die Platte mit den Schabbatbroten, das Glas für den Traubensaft und ein Salzstreuer.

 

Als der Chefkoch nach Hause kam, war alles so weit und gut vorbereitet, daß die restliche Kocharbeit in Ruhe vor sich gehen konnte und alles eine gute halbe Stunde vorher fertig war. Pater P.hilipp war absolut pünktlich – die anderen Gäste etwas weniger. Es war alles ganz locker und unkompliziert. Um halb acht konnten wir dann gemeinsam beginnen.

Nach einem gebet, das einem hilft, die Woche hinter sich zu lassen, wurden die Schabbatkerzen angezündet und der Segensspruch gesagt, dann der Traubensaft gesegnet und getrunken (jede/r aus dem eigenen Glas), danach das Schabbatbrot gesegnet, gebrochen, gesalzen und geteilt: Eine fröhliche und ganz besondere Atmosphäre – ich mag das.

Danach gab es das festliche Abendessen. Alle schwelgten in Kürbissuppe mit Granatapfelsaft (Vorspeise), Paneer-Käse mit (dem berühmten) Gemüsereis, fruchtiger Sauce und Salat. Zum Abschluß gab es eine bunte Obstplatte. Allen hat es vorzüglich geschmeckt. Die Gespräche waren für mich sehr interessant. Man erfährt ja nicht alle Tage – nicht einmal bei uns – wie das Leben in einer Benediktinerabtei so läuft. Pater P.hilipp wollte wissen, in was für einer Wohngemeinschaft er gelandet war. Die Bewohnerinnen und Bewohner fragten, wie er nach Maria Laach kam, warum er ins Kloster eingetreten ist, was er vorher gemacht hat, was er jetzt macht, wie die Abendgebete entstehen vom ersten Gedanken bis zum Abrufen im Internet … Er hat alles ausführlich und mit viel Humor beantwortet.

Es wurde ein langer Abend. Am Anfang der Zusammenkunft hatte der Chefkoch gefragt, ob er sich eine spontane Andacht zu einem Thema wünschen darf. Sein Wunsch wurde erfüllt und Pater P.hilipp gestaltete sie zum Thema „Dankbarkeit“ wie gewünscht: „Danket dem Herrn, denn er ist freundlich und seine Güte währet ewig“.

Nach dem Abschied wurde noch gespült und aufgeräumt, dann war es schon fast 23.00 Uhr. Im Winter ist das nach der Zeitumstellung die Zeit, wo es in New York 18.00 h ist – bis sie auch dort umstellen- und in der Central Synagogue der G-ttesdienst zum Schabbatbeginn anfängt. I klinkt sich seit gut 1 1/2 Jahren dort ein. Weil Mitbewohner M. auch dabei sein wollte, wurden die Kopfhörer ausgesteckt und die Lautsprecher angestellt. So konnte ich auch mithören. Das war richtig fetzig mit Kantor Mutlu. Den kenne ich schon.

Weil M. kein englisch versteht, hat I. an einigen Stellen erklärt, um was es gerade geht. Ich war richtig geschockt als ich hörte, daß bei den Gebeten für die Verstorbenen der Gemeinde in der letzten Woche auch an die Todesopfer von Amokläufen erinnert wird – egal ob sie jüdisch waren oder nicht. Jede Woche – mit ganz wenigen Ausnahmen – höchstens zwei Mal meint I. in den 1 1/2 Jahren, in denen sie dabei ist, gibt es Opfer von „mass shootings“. Ich war schockiert.

Nach einer guten Stunde war der G-ttesdienst zu ende, und es kehrte Ruhe im Wohnzimmer ein bevor es am Morgen mit dem offenen Samstagsfrühstück weitergehen würde. So schön es war – ich war dringend erholungsbedürftig.

Und weil am Schabbat nicht geschrieben wird und auch am Sonntag und danach auch viel los war, kommt dieses Posting verzögert ins Netz.

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