Beckeraachen

Kunstwechsel

Sozialfall Dürer

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Zur D Ü R E R – Ausstellung im Suermondt-Ludwig-Museum in Aachen

 Die Zeitgenossen unter den Künstlern mögen sagen: Was bdeutet uns Dürer heute? War Werner Tübke der einzige, der im altdeutschen Stil malen und zeichnen konnte? Zu den Sonderlingen, die ihre Bilder anonym im öffentlichen Raum zu verbreiten begannen, gehörte 197! Klaus Staeck, Rechtsanwalt. Er ließ sie im DIN A 1 Format drucken und auf Litfassäulen plakatieren Das Bild, das die Nürnberger 1971 erschreckte, war an die Haus- und Grundbesitzer gerichtet, die sich zu einem Kongress versammelt hatten. Wer war die verknöcherte Alte mit den seherischen Augen, der sie kein Zimmer vermieten würden?  Keine Schwarze, Behinderte, Muslimin, Exhibitionistin, Künstlerin, sondern eine Greisin, ein Pflegefall, eine geringe Provokation, ein Apell an das Mitgefühl mit dem Hintergedanken: grault man jetzt die Alten aus ihren Sozialwohnungen?

Das Plakat trug keine Signatur und kein Impressum. Gebildete Medienfreaks hatten das Original in der Dürer-Ausstellung des Museums gesehen und vermuteten einen Werbegag.

Ohne Zweifel hatte Dürer seiner Mutter nicht geschmeichelt, als er sie 1514 zeichnete, sondern die komprimierte Summe eines Lebens dokumentieren wollen, das allen Fährnissen (18 Geburten!) widerstanden hat. Sie war 63 Jahre alt und ist 14 Tage später gestorben. So hatte er 1512 auch seinen Bruder Andreas gezeichnet; und allein durch die Vergrößerung von 42 x 30 cm auf DIN A 1 hat Staeck die Zeichnung verfremdet. Die deutlich gesetzten rotbraunen Buchstaben des Fragesatzes reduzieren den Sinn des Bildes schmerzhaft auf ein Argument: kein Zimmer für die Alte. Wer erlaubt sich solch eine Frechheit? Darf er das?  Schützt die Freiheit der Kunst das Bild einer alten Frau, wenn sein Autor Albrecht Dürer heißt? Gilt Kunstfreiheit, wenn sie sich gegen Kunst richtet?

Staeck, der Rechtsanwalt, war um 1970 mit seiner Heidelberger „Edition tangente“ in Kunstkreisen bekannt und gab politische Satiren in der Nachfolge von John Heartfield als Plakate mit dem Verleger Gerhard Steidl in Göttingen heraus – in wachsenden Auflagen von über 10.000. Das Plakat mit dem Bild von Dürers Mutter nannte er „Sozialfall“. Staeck ist Dürer gefolgt. Auch er war in Aachen: 1970. Da hatte ich ihn gebeten, nicht zu Dürer, aber zum 200.Geburtstag Beethovens einen Beitrag zur Ausstellung der Neuen Galerie  zu leisten. Er fotografierte die äußerst anspruchslosen Hausfassaden der Aachener Beethovenstraße.

Staeck

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