Stuttgart

Stuttgart ist zwar stets angedacht, kommt als Tatort aber noch nicht so selbstverständlich daher, wie zum Beispiel die Kollegen aus Köln, Münster oder München. Im März hatte ich zuletzt einige Gedanken niedergeschrieben, das schwäbische Ermittler-Duo “Thorsten Lannert” und “Sebastian Bootz” betreffend. Gestern nun die 750. Tatort Folge: “Altlasten” so der Arbeitstitel, wird sicherlich niemals als ein solcher in die Tatort Geschichte eingehen. Für mich hat es dieser Krimi, nein: Dieses wunderbar gefühlvolle Stück Leben, auf Anhieb auf das Treppchen geschafft. Mögen auch professionelle Rezensionen schwanken zwischen Langeweile und schwerer Kost, so gibt es für mich nur ein Prädikat: Einer für das eigene Archiv. Für den- oder diejenige, die sich den Krimi noch in dieser Woche via Mediathek anschauen möchte, verzichte ich auf eine inhaltliche Darstellung, die Spannung so vielleicht noch ein wenig aufrechterhaltend. Wichtiger allemal sind die Charaktere und die vielen zwischenmenschlichen Untertöne, die uns das Drehbuch von Katrin Bühlig da beschert hat: Der Hausarzt, den eine Budgetierung vielleicht an den Rand des hippokratischen Eides und in die Nähe einer Straftat bringt, ein schwarzes Schaf in der Familie, der Schwiegersohn, welcher mit anderen Moralvorstellungen arbeitet, die gestresste Frau und Mutter, die trotz behindertem Kind und pflegebedürftigem Vater Karriere machen will….eigentlich Zutaten aus der kriminellen Klassikerkiste. Hier war aber das schwarze Schaf nicht ganz schwarz, der Karrierist nicht ganz ohne Moral usw. Und dann war da noch eine wunderbare Bibiana Zeller ,die ihrer Filmfigur der demenzkranken Witwe Brise Schubert eine Würde und Stil verlieh, die ich so in dieser Form noch nicht erlebt habe. Eine beeindruckender Wechsel zwischen der Anwaltsgattin mit gehobenen Umgangsformen, den Momenten der Demenz und denen der Todessehnsucht. Ein im Grundton stiller Tatort, die Dienstwaffe am schlanken Gürtel des Sebastian Bootz blieb diesmal nur Staffage. Zudem bekamen auch die beiden Hauptprotagonisten Zeit und Raum, ihre Figuren weiter auszubauen und diesen ein wenig mehr dessen zu verleihen, was anderen “Kollegen” vielleicht vorbehalten bleibt: Eine private Seite mit allen Facetten. Exemplarisch dafür stehen die Sequenzen im Treppenhaus des Thorsten Lannert und vor allem das genial eingestreute “Mensch ärgere Dich nicht” Duell zwischen Bootz und Schwiegermutter inklusive passender Musik. Verschweigen möchte ich auch nicht das Mitwirken der Staatsanwältin Emilia Alvarez a`la Carolina Vera. Und ebensowenig verschweigen möchte ich, dass da Frau Alvarez und ihr Kleidungsstil eher meine Begeisterung hervorrufen als die schauspielerische Leistung. Ergo: Ein wunderbarer Film, eigentlich voller Klischees behaftet, aber Dank der Regie und der schauspielerischen Leistung niemals in dessen Nähe abdriftend. Gucken!

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