Unsere kleine Schwester
© Pandora Filmverleih

Unsere kleine Schwester

(„Umimachi Diary“ directed by Hirokazu Koreeda, 2015)

Unsere kleine Schwester
„Unsere kleine Schwester“ läuft ab 17. Dezember im Kino

Schon seit Jahren haben die drei Schwestern Yoshino (Masami Nagasawa), Sacchi (Haruka Ayase) und Chika (Kaho) keinen Kontakt mehr zu ihrem Vater gehabt, nachdem dieser die Familie verließ, um mit einer anderen Frau das Glück zu suchen. Nun ist er tot, und wenigstens zur Beerdigung wollen die drei dann doch noch gehen. Dort lernen sie ihre 14-jährige Halbschwester Suzu (Suzu Hirose) kennen, die nun ganz alleine dasteht. Aus einer spontanen Laune heraus fassen sich die drei ein Herz und laden Suzu dazu ein, mit ihnen im alten Haus ihrer Großmutter zu leben. Anfangs tut sich das Mädchen noch schwer damit, mit der Zeit wachsen sie und die anderen aber doch zusammen.

Tod, Scheidung, in Stich gelassene Kinder, große Familienzusammenführungen – das ist ein Stoff, bei dem die Kitsch-Alarmglocken schrillen, umso mehr da Unsere kleine Schwester hierzulande kurz vor Weihnachten in die Kinos kommt. Doch die Verfilmung eines Mangas von Akimi Yoshida ist alles andere als das. Sentimental? Das schon. Aber ohne nennenwerte Angriffe auf die Tränendrüse. Anstatt die dramatische Gefühlswelt des Quartetts auszuweiden – und da gäbe es mehr als einen Anlass –, begnügt sich Regisseur Hirokazu Koreeda damit, die vier Schwestern aus der Distanz zu beobachten und dabei immer wieder den Blick schweifen zu lassen.

Eine richtige Handlung kann Unsere kleine Schwester dann auch gar nicht vorweisen, man würde sich schwertun, nach dem Abspann zu sagen, worüber der Film eigentlich war. Es gibt keine Moral, keine großen Aussagen über das Leben, existenzielle Erkenntnisse. Vielmehr besteht das Drama aus einer Ansammlung von Einzelepisoden, die das allmähliche Zusammenwachsen festhalten, aber auch die Personen langsam an Konturen gewinnen lässt. Und das bezieht sich nicht nur auf das Quartett: Auch andere Figuren tauchen auf, erzählen ihre Geschichte, verschwinden danach wieder. Manchmal auch mittendrin. Das stellt insgesamt einen schon etwas höheren Anspruch an die eigene Geduldsfähigkeit, gerade angesichts der großzügigen Laufzeit von über zwei Stunden hätte man auf manche Nebenhandlung auch problemlos verzichten können.

Und doch ist es eben diese Ziellosigkeit und Beiläufigkeit, welche den Film so auszeichnet. Koreeda gelingt das Kunstwerk, eine Geschichte zu erzählen, die zwar eine Reihe unglaubwürdiger Elemente enthält, dabei gleichzeitig aber authentisch wirkt. Umrahmt von schönen Bildern erhalten wir einen Einblick in das Leben einer nicht ganz idealen Familie, erleben Höhen und Tiefen, kleine Momente des Glücks, persönliche Niederlagen. Unsere kleine Schwester zelebriert das Zusammensein, gerade auch bei den gemeinsamen Essen. Gleichzeitig wird aber nicht so getan, als hätte das Familienbild von einst noch Bestand – das Leben im modernen Japan, es ist vielfältiger und schwieriger, als es die Traditionen wollen.

Das ist für Japanophile interessant, die auch einmal das Leben abseits der Großstädte sehen wollen, welche viele Filme dominieren. Vor allem aber ist Unsere kleine Schwester ein Geschenk an die Liebhaber ruhig erzählter Alltagsgeschichten. An Zuschauer, die gar nicht die große Aufregung suchen, spannende Geschichten und unerwartete Wendungen. Die dürfen nämlich in der fast schon meditativen Manga-Verfilmung eintauchen und mit vielen schönen Szenen belohnt am Ende wieder zurück ins eigene Leben finden.



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Das ruhig erzählte „Unsere kleine Schwester“ stellt auch durch seine vielen Nebenhandlungen bedingt größere Ansprüche an die Geduld. Wer die mitbringt, wird aber mit schönen Szenen aus dem Leben einer wenig idealen Familie belohnt.
8
von 10