Messerbaukurs – Handwerk nach Vorbild der Sami bei Trekk’n Guide

Selbst gebaute Messer im Messerbaukurs – Handwerkkurs
Messerbaukurs – Handwerk nach Vorbild der Sami bei Trekk'n Guide

In Kooperation mit Trekk’n Guide

Die Blase an meinem Ringfinger fing an wehzutun. Mein Wohnzimmer war von einer Schicht aus feinem Birkenstaub bedeckt und in meiner Wohnung verteilte sich Holzspäne. Nach einem langen Tag mit Raspeln, Feilen und Schleifen lag ich müde im Bett. Holzspäne piekte mich am Bein. Egal, denn neben meinem Bett lag mein erstes selbstgebautes Messer. Bald lagen ein zweites und ein drittes Messer daneben. Ich wollte mehr über Messerbau wissen, insbesondere über die kleinen Details, die mich handwerklich immer wieder ins Stolpern brachten. Im November 2023 besuchte ich einen Messerbaukurs von Trekk’n Guide. Christoph Maretzek, der Gründer von Trekk’n Guide, hat bereits 1982 in der Pfadigruppe sein erstes Messer gebaut. Wieviele Messer er in seinem Leben schon gebaut hat, kann Christoph nicht sagen. Doch sicher ist: jedes Einzelne ist ein Unikat und ein verlässlicher Tourenbegleiter.

Ich habe Christoph gebeten, einen Gastartikel für Fernweh-Motive zu schreiben und uns in die Welt des traditionellen Messerbaus mitzunehmen. Es geht um Handwerk mit einfachen Werkzeugen im Outdoorcamp, wo im Messerbaukurs mit den eigenen Händen, Kreativität, Geduld und Ausdauer kleine Kunstwerke erschaffen werden, die einen ein ganzes Tourenleben begleiten. Übrigens: Christoph ist auch der Gründer der Guide Academy Europe, wo ich meine Ausbildung zum Trekking Guide gemacht habe. Da habe ich das erste mal seine selbstgebauten Messer gesehen.

Viel Spaß bei Lesen!


Gastartikel von Christoph Maretzek

Heiligabend 2023, eine kleine Hütte im Nordschwarzwald…..

Nun steht das Auto also wieder still vor der Hütte. Das Jahr läuft aus, die Welt rumort…was liegt da näher, als sich was Gutes zu gönnen…?! Auf dem Tisch schauen mich die Werkzeuge und Holzstücke für ein neues Messer an. Seit Tagen schon geistern viele Ideen für ein neues Stück durch den Kopf und formten sich langsam zu einem Bild. Oft wurde ich schon gefragt, warum ich immer wieder ein neues Messer baue, wenn ich doch nur eines nutzen kann? Nun, weil es einfach Zufriedenheit und Entspannung, Herausforderung und höchste Konzentration in einem bringt. Und so wie manche Herren mehrere Armbanduhren, manche Damen mehrere Paar Schuhe haben, so habe ich als alter Waldmensch eben mehrere Messer zur Auswahl.

Outdoormesser nach samischem Vorbild aus dem Messerbaukurs bei Trekk'n Guide
Fünf neue Tourenkameraden – entstanden in einem der Messerbaukurse von Trekk’n Guide

Beim Messerbau fängt der kreative Teil nicht mit dem Werkzeug, sondern stets mit einer Idee, oder besser gesagt, mit vielen Ideen an. Es ist ähnlich wie bei einem Gemälde – es wird zuerst im Kopf entwickelt. Die Feiertagssuppe aus der Dose ist nun gegessen, der letzte schwedische Bröselkaffee vom Sommer ist auf dem alten Ofen zum dritten Mal aufgekocht und fast alles ist so, wie es an diesem Tag sein soll. Die dicke Ente schmurgelt in der alten Küchenhexe sanft vor sich hin und darf da sicher noch 2-3 Stunden warm parken. Der Festbraten für morgen und übermorgen. Draußen biegen sich die alten Buchen und Douglasien in den heftigen Böen. Besinnlichkeit, Ruhe und Zufriedenheit mit der Möglichkeit, hier in der inneren Stille wieder einmal ein kleines Messer zu bauen. Und das schönste Weihnachtsgeschenk ist die Ruhe. Nur das Sturmgetöse draußen lässt mich immer wieder aufmerksam aufhorchen. Schließlich ist so eine alte Hütte kein Bunker mit Betonmütze…. Da heißt es schon gut hinzuhören.

Outdoormesser nach samischem Vorbild aus dem Messerbaukurs bei Trekk'n Guide
Zufriedenheit und Entspannung kann viele Formen haben.

Los geht’s. Wie so oft beim Bau eines Messers drehen sich die Gedanken um Gestalt, Form, Material und Anordnung der Bauteile, doch nach 10 Minuten stockendem Rumkritzeln auf dem Block schiebe ich etwas genervt alles beiseite und verschiebe es auf morgen. Es zündet nicht so recht durch heute Abend. Der Kopf ist doch noch zu voll. Das kommt beim künstlerischen Werken schon mal vor….kein Beinbruch.
Doch das Schreiben geht mir schon deutlich leichter von der Hand! So vieles könnte ich berichten, was in nun fast 40 Jahren Messerbauen war und vielleicht noch sein wird. An Ideen mangelt es nicht 😊. Also, zücken wir mal die elektronische Feder, spülen den Rachen mit einem frisch angesetzten Zirbenschnäpslein und legen mit Schwung los.

Hier gehts zu Trekk’n Guide und zur Guide Academy Europe.
Die Messerbaukurse findet ihr hier, aktuelle Termine für 2024 kommen in Kürze.


Messerbau – ein altes Handwerk

Da bekommen meist die Männer glänzende Augen. Und nur selten greifen sie dabei freiwillig zu den kleinen Klingen. Irgendwo in ihnen scheint der Wert einer starken Klinge auch heute noch verankert. Oder ist es doch nur die Langeweile im Büro und vor dem Rechner…hm. Der Traum vom großen Tourenabenteuer… wer weiß das schon genau. Nur dass heute keiner mehr ein Kurzschwert, Entermesser oder einen langen Jagddolch braucht. Eine Klinge von 10 cm tut es auch und ist dabei auch konform mit den hiesigen Waffengesetzen. Die Damen sind oft etwas zurückhaltender und verbinden mit ihrem Messerle weder Kampf, noch Jagd, noch Abenteuer. Sie scheinen mir oft eher das Bauen selber zu genießen und weniger die Aussicht, ihren inneren Jack London in die Wälder zu schicken :-).

Da ist für jeden Einsatzzweck (oder Geschmack) eine Klinge dabei.

Messerbaukurse mit Kindern

Bei Messerbaukursen mit Kindern ist das Bauen nochmal anders. Da mischt sich alles Mögliche und das größte Abenteuer ist es für die Kids am Ende, selber Hand anlegen zu können. In unserer durchtechnisierten und zunehmend virtuellen Welt das für sie wohl größte Abenteuer! Und wer da sagt, dass Kinder sich nicht acht Stunden auf was einlassen könnten, der hat entweder falsch studiert oder hat schlicht keine Ahnung von Kids und Handwerk!

Der letzte Messerbaukurs im verschneiten November diesen Jahres hat es wieder mal ganz klar gezeigt. Wenn man Kinder sauber anleitet, sie begeistert statt nur mit Wissen vollzustopfen und sie zwangsweise still sitzen zu lassen, sie herausfordert und sie nicht langweilt, dann schaffen sie richtige kleine Kunstwerke. Und auch ihr sicherer Umgang mit scharfem Werkzeug, gut vorgeführt und gezeigt, selber vorgelebt und ggf. auch mal klar durchgesetzt, ist überhaupt kein Problem. Kleine Schnitte im Finger gibt es schon mal…aber da lernen sie meist schneller draus als viele Erwachsene. Dutzende von Kursen mit Jugend- und Erwachsenengruppen waren seit 1983 für mich jedes Mal ein Fest der Sinne und des Auges. Und manches Mal habe ich mich gefreut, wenn ein ehemaliger Teilnehmer Jahre später auf ein Camp kam und das gute Stück rumzeigte.

Nicht nur für Erwachsene: auch bei den Messerbaukursen für Kids entstehen kleine Kunstwerke.

1982…zurück auf Anfang: Das erste selbstgebaute Messer

Vor fast 40 Jahren saßen wir mit Balu, einem älteren Pfadileiter beim Herbstwerken auf dem Handwerkerhof, einem Pfadfindertreffpunkt im Bauland bei Mosbach und waren happy, denn wir acht Jungs und Mädels hatten einen der raren Plätze in seinem Messerbaukurs bekommen! Bedächtig packte Balu seine aus Schweden mitgebrachten Klingen aus und schüttete einen Beutel mit Holzstücken, Hirsch- und Rentiergeweihstücken auf den Biertischgarnituren unter dem alten Nussbaum aus.

Diese stille Leidenschaft, die mich dort an jenem Tag packte, wird mich wohl erst verlassen, wenn es entweder keinen Stahl für Klingen mehr gibt oder die Finger vor lauter Gicht dann dereinst kein Werkzeug mehr halten können werden:-). Aber das dauert sicher noch geraume Weile. Und im Altersheim werde ich sicher Zoff bekommen, wenn ich dort nachts um 2 wieder mal am Küchentisch mit Werkzeug hantiere und alles mit Schleif- und Hornmehl einstaube.

Eines der neuesten Messer aus Maserbirke und Birkenrinde.

Magic Move…Timestep: Messerbaukurs im Outdoorcamp

Zuerst die Skizze

Knapp 40 Jahre später habe ich die Ehre und Freude im November 2023 ebenso auf zusammen geschraubten Biertischgarnituren denselben Zauber zu wiederholen. Und nun bin ich der Ältere von damals. 1982, wie auch heute, schnappt sich jeder eine Klinge und es wird mit flinken Fingern schnell nach den anderen Bauteilen gegrapscht. Alles sehr flott, aber friedlich. Die unruhige Vorfreude stand uns damals sicher genauso im Auge, wie meinen Messerbaugästen im Steinbruch-Camp 2023. Jeder dreht(e) sein Zeug in der Hand hin und her und nach nur wenigen Minuten war eine 1:1 Skizze auf dem Papier.

Los geht’s: Ideen haben, sortieren und dann erstmal zu Papier bringen
Messerbaukurs im Outdoorcamp bei Trekk'n Guide

Dann das Werkzeug

Hier und da ein paar Korrekturen und schon sitzen alle an den kleinen, an den Biertischen schnell festgeschraubten Schraubstöcken und fangen an, den Schlitz für den Erl in die vordere Passung und einige andere Bauteile des Griffes zu schleifen. Mein Job ist es dabei, sofort und sicher zu erkennen, wo der Nutzer im handwerklichen Vorgehen noch Luft nach oben hat. Ähnlich wie als Schießlehrer auf der Bahn muss der Fehler schnell erkannt und benannt werden, um ohne jede Vorübung schnell und sicher die richtige Handhabung der ungewohnten Werkzeuge umzusetzen. So ein Stück Horn oder ein ausgebohrter Griffrohling ist schnell unbrauchbar, wenn das Werkzeug nicht richtig geführt wird. Und auch der Zeitfaktor ist wichtig, denn ein Wochenende auf der winterlichen Hütte bindet auch Zeit für Holzhacken, Ofen befeuern, Zeltbau, Kochen und Hüttendienst. Ein Wochenende ist recht kurz. Da muss es sauber laufen.

Messerbaukurs im Outdoorcamp bei Trekk'n Guide
Messerbaukurs im Outdoorcamp bei Trekk'n Guide

Verwendet werden im Messerbaukurs nur Raspel, Feinsäge, Schnitzmesser, Hammer und Schleifpapier. Das war es auch schon an Ausrüstung! Draußen steht zwar ein kleines Stromaggregat für hier und da zur Unterstützung mit einem Bandschleifer, aber an sich ist hier der kleine Handwerkerhof am Werk. Wie bei den alten Sami, deren Stil mich seit 40 Jahren begeistert, gehen wir regelrecht übers Knie gebrochen, d.h. ohne schweres Gerät, nur mit Auge und Muskelkraft ans Werk.

Der grundsätzliche Aufbau eines traditionellen Messers nach Vorbild der samischen Messer.
Die Teile der Klinge und die für den Messerbau eingesetzten Werkzeuge.

Messer…eine Faszination, fast so alt wie die Menschheit

Auch wenn heute Messer fast per se, oft ohne jede Kenntnis um Material und Nutzbarkeit der diversen Teile als Waffen betrachtet werden…samische, oder eigentlich sogar nordische Messer insgesamt, bzw. davon inspirierte Eigenbauten, waren und sind keine Waffen. Sie stammen weder von Entermesser, noch von Bowie oder Seitengewehr ab. Sie sind eines der vielseitigsten, kleinen Werkzeuge für draußen und die, die wir bauen, haben so gar nichts mit den Hauern im Pseudo-Militarystyle aus den einschlägigen Survivalshops gemein. Etwas, was aber heute recht nachdrücklich vermittelt werden muss, denn durch Medien und Hörensagen hat jeder eine „Meinung“, oft ohne jede Ahnung. In Norwegen, Finnland und Schweden ist Messerbau ein traditionelles Kulturgut, das viel Augenmaß, Geduld, Zielstrebigkeit, Holzkenntnis, Werkzeugbeherrschung und Kreativität voraussetzt. Der richtige Umgang damit wird für Outdooraktivitäten teils sogar in der Schule vermittelt.

Oft vergessen aber so wichtig: das Schärfen des Messers

Wer Messer baut und sich dabei über Stunden konzentriert, tut dies wie ein guter Bergwanderer. Konzentration ist schlicht das A und O. Denn nur ein falscher Hieb, ein falscher Druck und schon ist der Griff evtl. ruiniert. Besonders kurz vor Fertigstellung geht es dann oft um halbe Millimeter. Bricht zu viel weg, ist der über Stunden mit viel Ausdauer und Beharrlichkeit formschön entstandene Bogen im Griff ruiniert. Und jedes Mal wird eben diese Macke ins Auge springen wie die winzig kleine, misslungene Tapetenecke im Wohnzimmer, genau im Augenwinkel rechts über dem Fernseher….:-).

So muss die laute Welt eine Weile außen vor bleiben, damit es denn auch gelingt. Gelingt es, und ist das Messerle am Ende über Jahrzehnte treu und stabil, so ist es jedes Mal von Neuem eine Freude, es auf Tour zu nutzen. Und es vielleicht am Ende des Tourenlebens an einen Freund oder so weiterzugeben. Nun, da mein Tourenleben nach 40 Jahren auch ein in 10, spätestens 20 Jahren absehbares Ende haben wird, habe ich auch schon für das eine oder andere gebaute Messer den Nachbesitzer innerlich festgelegt.

Für meine alten Feldwebelkameraden der Gebirgstruppe, mit denen ich gerne und sehr lange diente, baue ich seit zwei Jahren kleine Messer als Dankeschön und rechtzeitiges Lebewohl. Man hat noch Kontakt, jedoch sieht man sich nur noch sehr selten. Im Herzen habe ich viele der Jungs und Mädels und da schien mir ein Messerle als passendes Geschenk und Dankeschön. Denn treue Feldwebelkameraden am Berg sind wie gute Messer im Rucksack…die wachsen nicht auf Bäumen und die Beziehungen wachsen wie das Messer unter den eigenen Händen. Da sind die Erwachsenen gefragt, es entsprechend vorzuleben und ggf. auch anzusprechen. Auch der Präsident der Ukraine bekam bei Kriegsbeginn ganz spontan eines von mir gebaut und zugesandt…versehen mit den Wünschen, dass er und seine Landsleute recht bald wieder in Frieden wandern und fischen gehen können.

Outdoormesser nach samischem Vorbild aus dem Messerbaukurs bei Trekk'n Guide

Alles das gehört für mich mit zum Messerbauen dazu. Denn ein Messer ist ein kunstvoll gebautes, edles und formschönes Werkzeug, welches auch nur als Werkzeug genutzt wird. Es kann als Geschenk ein höchst persönlicher Gegenstand sein, der z.B. auf die Fingerlänge, auf Links- oder Rechtshändigkeit, den Verwendungszweck, persönliche Vorlieben und die Handdurchmesser zugearbeitet wird.


Das samische Messer

Die Messerklingen

Traditionell wurden und werden samische Messer aus einfachen, kohlenstoffreichen Klingen gefertigt. Nicht hoch veredelt und daher leicht an jedem Stein oder Keramiktassenboden nachschärfbar. Es gibt sie poliert oder verzundert. Sie entwickeln, wie auch der Griff, über die Jahre eine Patina und sie sind entweder rostend oder nur rostträge. Viele im Lande kaufen reflexhaft eine Edelstahlklinge…können diese aber fast nie selber schleifen oder scharf halten.

In Verbindung mit einem alternden Griff, der durch Schweiß und Staub, Fett und Wachs immer schöner wird, ist die mitalternde Kohlenstoffklinge kein Schaden! Ganz im Gegenteil, denn sie ist das passende Gegenstück und erst als Ganzes erfreut die lebendige Einheit das Auge des Betrachters. Wer kennt es nicht? Ein schönes, altes, gut gepflegtes und nachgedunkeltes Leder spricht an. Und so wird auch die Messerscheide ein Teil des Ganzen. Nicht umsonst gilt samischer Messerbau in ganz Nordschweden als hohe Schule der Handwerkskunst.

Nicht nur das Messer zeugt von hoher Handwerkskunst, auch die Messerscheide muss passen.

Gekauft, selbst gesucht oder selbst gemacht

Wir nutzen heute die in großen Stückzahlen gefertigten Klingen aus Schweden, Norwegen und Finnland. 1982 gab es weder die heute üblichen Messerbauaussstatter, noch gab es Händler, die schwedische Klingen führten. Man musste sie im Land kaufen und nach Hause mitbringen, ebenso wie das Rentiergeweih, das im Fjäll selber zu suchen und dann im täglich stetig schwerer werdenden Rucksack mitzuführen war. Was man tagsüber futterte, wurde durch 4 x so viel Gewicht an Geweih ersetzt. Birkenknollen schnitt man sich damals problemlos selber vom Baum und trocknete sie zu Hause 2-3 Jahre. Heute lässt sich alles kaufen und auch die Gesetze haben sich geändert. Aber für meine eigenen Messer nutze ich immer noch die langen Trekkings im Norden oder in heimischen Wäldern um schöne Sachen zu suchen und selber vorzubereiten. Im Rahmen der heutigen Gesetze und der auch teils veränderten Sichtweisen.

Manche Teile wie Klingen oder Abschlüsse kaufe ich für die Messerbaukurse, manchmal auch mal sehr schöne Maserbirkenstücke. Doch mehr und mehr kehre ich zu den eigenen Ursprüngen zurück. Das Holz sammele ich bei ausgedehnten Touren und immer öfter baue ich eigene Klingen aus alten Feilen oder schleife alte Klingen um. Und immer öfter versuche ich mich als Schmied an kleinen Klingen, denn es hat etwas magisches, aus einem alten Steinmetzstößel eine Klinge zu formen und mit einfachen Mitteln selber zu härten. Und Jahr für Jahr wird es besser, denn auch heute gilt: Versuch und Irrtum, neuer Versuch und auch heute macht nur andauernde Übung den Meister. Manchmal gebe ich sie zum Härten auch an eine Profifirma, wenn mein Bauch mir dazu rät.

Hier entsteht am Küchenofen der Hütte eine neue Messerklinge

Die Materialien für den Messerbau nach Vorbild der Sami

Griffe und Scheiden waren und sind traditionell aus Rentiergeweih, Elchgeweih oder Knochen, gemischt mit Messing- und Silberbeschlägen, kombiniert mit Birken-/Weiden- oder Erlenholz. Heute, mit den Möglichkeiten sehr viel feiner gefertigt als die schönen alten Stücke, die in manchen Hütten oder in Museen zu sehen sind, werden auch im Norden noch ganz andere Hölzer verwendet. Mit die schönsten, alten Stücke kann man im Samimuseeum „Aitje“ in Jokkmokk bestaunen. Da werden die Augen eines jeden Handwerksinteressierten groß. Was die Jungs ohne Werkstätten, abends am Feuer in ihren Lavvus und Kotas bauen konnten, das ist schlicht hinreißend. Versuche, dies auch zu schaffen, sind durchaus gelungen. Auch ohne Werkstatt geht einiges, wenn man es vorher oft genug richtig mit Vollausstattung geübt hat. dann sitzen die Handgriffe und man lässt sich ohne viel Werkzeug was einfallen.

Kleben oder Klemmen

Damals gab es für die alten Messerbauer noch kein Epoxidharz, keine Maschinen oder zahlreiche Werkzeuge. Ihr Hauptbauwerkzeug war meist ein anderes Messer. Und Messer ist in Lappland nicht gleich Messer! Viele Sami haben mehrere Messer zeitgleich am Koppel hängen, denn jedes hat seinen Zweck. Kleber wurde selber gemacht: Naturharz, mit geriebener Kohle, feinen Fasern und Wachs gemischt, gaben im rechten Mischungsverhältnis einen stabilen und dauerhaften Kleber. Manchmal auch schlichtes, ausgekochtes Birkenpech mit Sägemehl oder Fasern. Jedoch wurden die Aufnahme der großen Kräfte im Griff zumeist durch Abschlussnieten und eine sehr enge Bauweise sichergestellt. Großräumiges Ausgießen, oder besser gesagt grobes Ausschmieren mit Kunstharz, wie es manche Youtubefilmchen zeigen…das gab es nicht. Und von uns, die wir uns heute von dieser Kunstfertigkeit leiten lassen, wird auch so wenig wie möglich Kunstkleber genommen. Die alten Vorbilder spornen mich immer wieder an.

Die Abschlussnieten halten den Griff fest zusammen.

Schon die alten Sami, andere im Norden lebende Völker, wie z.B. die Nenzen oder sibirische Volksgruppen und die alten Wikinger wussten um die Kunst, ein Messer aus Birkenrindenscheiben zu bauen und ohne jeden Kleber aufzusetzen! Das geht auch mit anderen Rinden, ist jedoch eine Heidenarbeit und verlangt schon etwas Erfahrung. Außer bei Mareike, der Betreiberin des Blogs „Fernweh-Motive“. Mit ihrer soliden technischen Ausbildung und Erfahrung, ihrem scharfen Auge und einem echten Fingergefühl zaubert sie seit einem Jahr bezaubernde Stücke. In einer Qualität, für die ich Jahre der Übung ohne jede Anleitung brauchte! Sie kommt heute in den Genuss von etwas Anleitung und sie ist ein echtes Naturtalent….sowohl mit Leder, wie mit Holz und Metall.

Eines von Mareikes Messern aus Birkenrinde. Außer vorne bei der Passung wurde kein Epoxidharz oder anderer Kleber eingesetzt. Alles hält nur durch die enge Bauweise und die Abschlussniete.

Einfache Messer selber bauen

Über “Einfaches Handwerk” und die Einhaltung von Regeln

„Einfach“ wird insbesondere oft von jungen Teilnehmern ohne Handwerkserfahrung und oft eher mit theoretischem Wissen als praktischem Können gesegnet, allzu schnell als „billig“ oder nicht so kunstvoll angesehen. Auch stellen sie oft ohne Zögern altbewährte Handwerkstechniken in Frage oder lehnen nötige Nutzungsvorgaben für Material und Werkzeug leichtfertig ab. Mit Blick auf sicher und richtig muss man da auch mal Grenzen ziehen und als Anleiter dann vermitteln, dass „einfaches Handwerk“ in weiten Teilen neben Kreativität eben auf der Einhaltung von Regeln beruht. Und dass „einfach“ sich eher auf die Ausstattung als auf die Abläufe, Handgriffe und das Ergebnis bezieht. Ein Messer zu bauen, das draußen hält, ist nicht eben wenig oder simpel. Sonst hängt ein Werkzeug schnell mal im Finger. Und es so zu bauen, dass es nicht im Amazonstil „heute bestellt, gestern geliefert“ geschickt wird, eben auch schrittweise wachsen darf. Das ist eine regelrechte Kollision mit der heutigen Lebenswelt.

Das geht auch ohne Strom: Handbohrer anstatt Bohrmaschine.
Beim Messerbau ist auch mal Teamwork gefragt.

Nach 10 Stunden ehrlicher Handarbeit legt sich diese erste Fehleinschätzung aber meist recht schnell. Es ist recht „einfach“. Wer die schmerzenden Hände und den verspannten Rücken streckt, der fühlt es „in den Knochen“. Und ein besseres Barometer gibt es nicht.
Man hänge am Anfang den eigenen Apfel der Erwartung nicht zu hoch, denn auch wenn Clips „du kannst alles“ versprechen, ist es so nicht. Jemand, der sein erstes Messer macht, sollte sich an seinen eigenen Ideen, nicht an den durch unzählige Übungsmesser erworbenen Fähigkeiten des Anleiters orientieren. Denn der hat ja erheblichen Vorsprung und das holt man nicht eben auf. So was muss kontinuierlich wachsen. Die Grundlagen als Basis für das eigene Messer lernt man schnell bei guter Anleitung. Für den Rest sind dann die eigenen Augen, Ideen und wachsende Fingerfertigkeiten nötig. Schritt für Schritt und auch mal mit Misserfolg. Mit Zeit und Ausdauer wird es was. Übung macht den Meister und ist nicht mal eben am Wochenende erlernbar. Seltene Ausnahmen wie Mareike bestätigen nur die Regel…😊

Hier entsteht eine Holzeinlage für die Messerscheide.
Messerbaukurs im Outdoorcamp bei Trekk'n Guide
Wer Messer baut lernt auch, wie man Leder für die Messerscheide näht.

Abschleifen und Ölen

Und wenn dieses erste Messer dann langsam unter Raspel und Feile grob Form annimmt, wenn es nach dem Abschleifen mit dem feinen Sandpapier dann das erste Mal geölt wird, dann erwacht es zum Leben. Durch die Polierwärme öffnen sich die Poren und das Öl zieht tief ein. Die verschieden dichten Holzstrukturen nehmen das Öl verschieden gut auf und werden heller oder dunkler eingefärbt. „Anfeuern“ nennen wir das. Wenn die Gruppe dann zusammenkommt und sich am gemeinsam erlebten Nachmittag mit so viel Mühe erfreut, sich gegenseitig lobt und am Messer der anderen Bauer mitfreut, dann ist es für mich als Anleiter Zeit, einen Moment zurückzutreten und sie machen zu lassen. Sie haben es sich redlich verdient.

Wie oft habe ich es genossen, die freudig blitzenden Augen der Teilnehmer in diesen Momenten sehen zu dürfen. Diese Freude, wenn wir zusammen das neue Messer das erste Mal mit Leinöl und Bienenwachs befeuert haben, wenn alle Tiefen und Einschlüsse im Holz schlagartig betont wurden. Dann komme auch ich etwas zur Ruhe. DAS ist MEIN Lohn.

Messerbaukurs im Outdoorcamp bei Trekk'n Guide
Hier blitzt nicht nur der geölte Messergriff sondern auch die freudestrahlenden Augen des Messerbauers.

Die Teilnehmer sind zu Recht stolz und ich habe sie in kurzer Zeit angeleitet, für sich und mit eigenen Händen etwas wirklich Schönes herzustellen. Für die meisten unerfahrenen Betrachter sieht es leicht aus. Aber gleichzeitig mehrere, gerade entstehende Messer mit dem Auge und dem Kopf, meist mit fremden Personen „mitzubauen“, das fordert alle Sinne und bindet über Stunden die Aufmerksamkeit. Als Anleiter muss man die Möglichkeiten des Holzes erkennen, wie auch die denkbaren Formen und Kombinationen und dabei auch rauskitzeln, was der Proband selber vorhat. Das harmoniert nicht immer auf Anhieb und manchen jungen Leuten muss man dann als Älterer auch mal den Wert von Lebenserfahrung und Handwerkskönnen, statt schlicht gelerntem Wissen verdeutlichen. Dann ist pädagogisches Geschick und verbale Akrobatik ebenso gefragt, wie die Fähigkeit, mal eben aus dem Augenwinkel den eifrigen Nachbarn energisch an einem Fehler zu hindern, während ein Dritter sich mit einer Frage ohne jede höfliche Zurückhaltung dazwischen drängen will. Es ist ein stundenlanger Balanceakt und abends ist man dann rechtschaffen platt. Stolz wäre für mich das falsche Wort…es ist eher eine tiefe, ruhende Zufriedenheit.

Messerbaukurs im Outdoorcamp bei Trekk'n Guide

Messerbaukurse im Outdoorcamp mit alten handwerklichen Techniken

Die Werkstatt am Hüttentisch

Unsere Spezialität. Und das kann nicht jeder. Draußen oder abends am Feuer hockend ein Messer zu bauen ist das, was auch die Alten so taten. Sie hatten keine Werkstatt und sie hatten kaum richtiges Werkzeug. In den Fingern, den Augen, im Rücken steckte es, da zu sitzen und quasi nebenher zusammen zu bauen und am Feuer zu plaudern, das ist auch heute ein einzigartiges Erlebnis. Ersatzweise gibt es auch der Hüttentisch her. Niemand hatte damals die Möglichkeiten, die wir heute haben. Und doch – sich so auf das Wesentliche freiwillig zu reduzieren und sich mit eigenen Kräften dran zu wagen ist das moderne Abenteuer am Messerbau mit alten Techniken. Wenn der Wind vor der Hütte rauscht, der Ofen knistert und man Stunden mit reiner Muskel- und Geisteskraft ein Messer baut, das richtig aufgesetzt und gut behandelt locker seine zwei bis drei Generationen hält. DAS ist es, was uns daran fasziniert.

Eine kleine Hütte im Schwarzwald ist die Basis für die Messerbaukurse bei Trekk’n Guide.

Die Messertasche aus Leder rundet es dann letztlich ab und jedes Mal unterwegs, wenn beim Fischen oder auch nur beim Schnitzen oder beim Schneiden der Brote das treue Stück greift und sauber schneidet, wird die viele Arbeit wieder lebendig. Da ist es auch kein Wunder, dass man es nicht herleiht und es nicht ungepflegt in der Kellerecke vergammeln lässt.

Altes Handwerk und neue Sichtweisen

In einer modernen Zeit, wie der unseren, ist lebendiges Handwerk ein selten gewordenes, hohes Gut und eine echte Bereicherung. Es gibt keine App dafür und wer sich sein eigenes Messer mühevolll baute, der wird auch anderen Handwerkern danach den ihnen zustehenden Respekt eher zollen, als der, der nur einkauft und konsumiert. Er weiß es aus eigenem Erleben, was Handwerk ist. Es ist ehrlich und authentisch, so voller Liebe zum Detail. Es ist echte Kunst und es ist Ausdruck der eigenen Kreativität. Und anders als die Messer heutiger Samimeister, die den sehr strengen Regeln ihrer Handwerkskammern zu folgen haben, um es als samische Kunst verkaufen zu dürfen, sind wir nicht daran gebunden.

Die alte Kota läd zum gemütlichen Abend und Messerschleifen am Feuer ein.

Wir können das Messer aufbauen und formen wie es uns gefällt und sind doch durch die Art der Herstellung Nacheiferer der samischen Tradition. Im Übrigen schütteln die Sami über den unsinnigen, deutschen Blödsinn um „kulturelle Aneignung“ nur den Kopf. Wenn man es nicht großkotzig als samisches Messer bezeichnet und ggf. klar erkennen lässt, dass man auf diese Art ihre Jahrtausende alte Kultur als so lange unterdrücktes, indigenes Volk ehrt, dann erntet man durchaus auch Anerkennung für gutes Handwerk. Und so ehren wir also die alten Messerbaukünstler der Sami, die in so vielen Jahrhunderten mit ihrer Kunst- und Handfertigkeit das Leben der Ihren sicherten. Denn ohne ein gutes Messer ging es in der nordischen Wildnis einfach nicht…auch heute nicht!


In kleinen Gruppen bauen wir auch in diesem Jahr wieder Messer und wenn es sein soll, packen wir gerne mal das das Outdoorschulmobil und kommen zu den Gruppen. Hier kommt ihr zu den Messerbaukursen bei Trekk’n Guide. In den dreitägigen Kursen fertigt ihr nicht nur euer eigenes Messer, sondern lernt viel über den Umgang mit einfachem Werkzeug und über die Bearbeitung verschiedener Materialien.

Messerbaukurs im Outdoorcamp bei Trekk'n Guide
Erster Schnee beim Messerbaukurs im November 2023

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