Ein Herz fürs Kapital und weitere Spaltung der Gesellschaft – Ampel-Klassismus der gefährlichen Art | Politik, Parteien, Personen | Demokratie in Gefahr

Frontpage | Politik / Demokratie | Die neue Ampel geht absichtlich einen gefährlichen Weg

„Die neue Ampel – ein Herz für die Finanzeliten“. So titelte bereits am 12.10.201, knapp drei Wochen nach der Bundestagswahl, Ulrich Schulte in der Hauszeitung der Grünen, der Taz.[1] Die Ampel war damals noch nicht beschlossen, aber die ersten Sondierungsgespräche ließen bereits eine deutliche Richtung erkennen.

Viel ist von dem „neuen Aufbruch“ die Rede, den die Ampelkoalition organisieren will. Aber schon jetzt ist klar, dass dieses Bündnis ein demokratiegefährdendes Problem ignoriert: die Spaltung der Gesellschaft in Arm und Reich. Die Vermögensteuer, die SPD und Grüne vor der Wahl bewarben, starb in den Sondierungen einen schnellen Tod. Eine gerechtere Erbschaftsteuer wird es mit der Ampel nicht geben, auch beim Spitzensteuersatz ändert sich nichts.

Dass die Taz von Demokratiegefährdung schreibt, ist absolut richtig und auch der Grund dafür wird im weiteren Verlauf des Artikels richtig analysiert. Die FDP vertritt sowieso die Kapitalisten und die reichen Erben, die SPD tut so, als ob 12 Euro Mindestlohn angesichts der aktuellen Inflation noch eine große Errungenschaft wären, während die Renten weiterhin viel zu niedrig bleiben. Und selbst dieser wird nicht, wie hier noch angenommen[2], im ersten Jahr der Ampelregierung kommen, sondern in zwei Schritten erst einmal auf 9,86 Euro und dann auf 10,45 Euro angehoben werden. Anders ausgedrückt: Gerade mal die Inflation ausgeglichen. Kein Wort mehr von dem großen Wahlversprechen der SPD, 96 Prozent der Steuerzahler:innen zu entlasten.[3]

Und die Grünen? Mit ihnen werden wir uns noch ausführlicher beschäftigen müssen, denn sie sind es, die von allen Parteien der Ampel am deutlichsten einen erschreckenden Klassismus zeigen. Die Schröder-Ära lässt grüßen, könnte man schreiben, aber das stimmt nicht ganz. Mit dem Bashing ärmerer Menschen sind sie damals im Fahrwasser eines menschenverachtenden Kanzlers gefahren, jetzt stellen sie sich sogar an die Spitze einer Bewegung von Snobs, die sich daran delektieren, auf anderen  herumtrampeln. Robert Habeck schwadroniert davon, dass eh nur die Straße beheizt würde, wenn man die höchsten Energiepreise der Welt mit einem Kostenzuschuss für Ärmere erträglicher machen würde und der neue Agrarminister Cem Özdemir findet, die Lebensmittelpreise seien in toto viel zu niedrig.

Die Teuerung hat in Deutschland mittlerweile die 5-Prozent-Marke überschritten, von der neuen Ampelregierung hört man dazu überhaupt nichts. Es ist auch nicht in erster Linie die Wiederanhebung der Mehrwertsteuer von 16 auf 19 Prozent, die den Basiseffekt entsprechend verstärkt. Denn schaut man in andere Länder Europas, die während der ersten Phase der Corona-Krise keine Maßnahme dieser Art ergriffen hatten, die allgemein die Verbraucherpreise senken sollte, sieht es ganz ähnlich aus. Die Lebensmittel, die Cem Özdemir viel zu billig findet,[4] sind innerhalb eines Jahres sogar um 7 Prozent teurer geworden. Noch stärker manche Frischprodukte wie das Gemüse, das in z. B. in unserem Haushalt eine wichtige Rolle spielt.

Die einzigen, die Einkommenssteigerungen in ähnlichem Maße vorweisen können, sind ebenjene Kapitalisten, die von der Inflation zwar auch betroffen sind, aber auch erheblich davon profitieren, dass die EZB jeden Monat unfassbare 5 Milliarden zusätzliche Euros nur durch Gelddrucken generiert, das für den Ankauf von Anleihen aller Art verwendet wird. Kaum denkbar, dass eine Koalition, die vor allem aus Parteien besteht, die  unter Europafreundlichkeit immer das Abnicken der aktuellen Kommissionspolitik verstehen, und sei sie im Bereich der Geldschöpfung noch so gefährlich und klassistisch, auf dieser Seite versucht, einzugreifen. Also müsste sie es auf der sozialen Seite tun, aber das einzige, was ihr im Bereich der rüden ALG-II-Zone eingefallen ist, war, Hartz IV in Bürgergeld umzubenennen. Ob das möglicherweise verfassungswidrig ist? Was kümmert die Politiker von FDP und Grünen ihr Geschwätz aus dem Wahlkampf?[5]

Damit schädigt man die Demokratie, und zwar mit Absicht. Denn ist es nicht viel angenehmer, wenn nur noch diejenigen wählen gehen, die sich, genau wie man selbst, herzlich wenig um das Soziale scheren? Schon die Vorgängerregierung bewies deutlich, wie viel wichtiger es ist, mächtige Lobbys zufriedenzustellen, als die Mehrheit zu entlasten. Nun hat zwar ausgerechnet FDP-Chef und Finanzminister Lindner Entlastung auf der Abgabenseite versprochen, aber die Absenkung und spätere Abschaffung der EEG-Umlage wird nicht einmal ausreichen, um die Strompreise zu dämpfen. Dank des deutschen energiewirtschaftlichen Sonderwegs werden die Einkaufspreise an der Strombörse nämlich dauerhaft hoch bleiben und vermutlich weiter ansteigen, wenn nach den Atomkraftwerken innerhalb weniger Jahre auch noch die Kohlekraftwerke dichtgemacht werden sollen. Die Grünen setzen zu allem Überfluss die Mehrheit, die unter hohen Preisen ächzt, auch noch ethisch unter Druck, anstatt die Klimapolitik zu einem Projekt für alle zu machen, während andere Länder neue Atomkraftwerke ohne Ende planen.[6] Selbst Nachbarländer Deutschlands, die bisher gar nicht auf Kernenergie setzten, wie Polen, werden also an der hiesigen Grenze neue Meiler aufstellen.

Da passt etwas hinten und vorne nicht und am Ende wird die Energie-Versorgungssicherheit den Sieg über unhaltbare Ambitionen davontragen müssen. Wenn immer häufiger das Licht ausgeht, werden die Ampelparteien wirklich Probleme mit der Bevölkerung bekommen.  Zu Recht. Auch die Klimapolitik wird immer fragwürdiger werden, wenn die erneuerbaren Energien nicht so schnell ausgebaut werden können, dass Deutschland endlich von seinem auch im europäischen Vergleich viel zu hohen CO²-Ausstoß herunterkommt. Die FDP sagt sich derweil, die Realität wird ohnehin dafür sorgen, dass sich von unserem Programm noch  mehr und von dem der Grünen selbst klimapolitisch noch weniger umsetzen lassen wird, als der ohnehin ziemlich einseitige Koalitionsvertrag suggeriert. Im sozialen Bereich hat man hingegen nicht einmal so getan, als wolle man der Spaltung im Land, den absurd hohen Einkommens- und Vermögensdisparitäten, entgegen wirken.

Vermutlich wird dieser Artikel nur die erste Version der Darstellung sein. Wir sind sicher, dass der Ampelkoalition noch eine Menge einfallen wird, womit sie sozial engagierte Menschen auf die Palme bringen kann. Wir werden das weiter dokumentieren, denn die Demokratie ist uns zu wichtig, als dass wir nicht darauf hinweisen werden, wenn die neue Regierung sich mindestens genauso demokratieschädlich verhält wie die Große Koalition, die sie abgelöst hat.

Sicher, viele Kommentator:innen haben es lange vor der Wahl gesehen, indem sie das Profil der Grünen etwas näher betrachtet und daraus die richtigen Schlüsse für den Fall gezogen haben, dass es nicht zu Rot-Grün-Rot, sondern zu einer Ampel kommen wird. Das heißt aber nicht, dass man bestätigte Befürchtungen nach der Wahl unkommentiert hinnehmen sollte. Was die Grünen zum Glück nicht beherrschen: Ihre Arroganz so darzustellen, dass sie nicht arrogant wirkt. Dafür ist deren aktuelle Generation von Spitzenpolitikern zu plain.

Falls sie es doch lernen sollte: Wir werden gerne den Politiker:innensprech in das übersetzen, was sich für die Mehrheit im Zeitalter der Ampel abzeichnet: nichts Gutes. Deswegen verwenden wir heute das Logo „Demokratie in Gefahr“ einmal nicht im direkten Zusammenhang mit Lobbyismus & Co. sondern für das, was die neue Regierung ganz offen zelebriert, nämlich Ignoranz den sozialen Tatsachen gegenüber. Dahinter steckt natürlich das Gleiche und wir werden vermutlich noch die eine oder andere persönliche Einbindung von Regierungsmitgliedern und Abgeordneten der neuen Regierung in den rührigen Lobbybetrieb zu besprechen haben.

Dazu passt es, dass viele grüne Spitzenpolitiker:innen bei Abgeordnetenwatch kein volles Transparenzversprechen abgeben wollten.[7] Insbesondere ihre Lobbykontakte wollten sie nicht offenlegen. Falls Sie wieder mal von der Politik mit Brosamen abgespeist werden: Nörgeln Sie nicht rum, gründen Sie einfach einen Lobbyverein, der Politiker:innen hochgradig lukrative Möglichkeiten anbietet! Woher Sie das Geld dafür nehmen? Nicht unsere Sache, Ihnen dabei zu helfen, machen Sie es gemäß dem Mindset der FDP und ihrer jüngeren Schwester, den Grünen: Wenn jeder sich selbst hilft, ist allen geholfen.

TH


[1] Prioritäten einer Ampel-Koalition: Ein Herz für die Finanzeliten – taz.de

[2] Ende der Sondierungsgespräche: Richtfest beim Ampelhäuschen – taz.de

[3] SPD-Kanzlerkandidat Scholz will 96 Prozent der Steuerzahler entlasten | STERN.de

[4] Özdemir will verbieten, Lebensmittel unter Produktionspreis zu verkaufen (msn.com)

[5] „Kompensiert nicht mal die Inflationsrate“: Bundesrat billigt Erhöhung der Hartz-IV-Sätze um drei Euro (msn.com)

[6] https://web.de/magazine/politik/atomkraft-klimapolitik-sorgt-spektakulaeres-comeback-kernenergie-36271566

[7] Besonders krass der oben erwähnte Herr Lindner: Tansparenz null. Noch krasser: Dass er das auch noch öffentlich macht, nach dem Motto: Lobbys der Welt, schaut auf mich und seht, dass ihr mich unterstützen müsst, denn ich bin absolut verschwiegen. Darauf könnt ihr euch verlassen.

https://www.abgeordnetenwatch.de/transparenz-versprechen/archiv-die-transparenz-versprechen-aller-bundestagskandidatinnen-bundestagswahl-2021

Insgesamt sieht es so aus, und das sagt fast alles: Von den insgesamt 736 Abgeordneten des 20. Deutschen Bundestages haben 291 am Transparenz-Versprechen teilgenommen. Von ihnen haben 276 mindestens ein Versprechen abgegeben; (…) 15 teilnehmende Abgeordnete haben alle fünf Maßnahmen für eine transparente Politik abgelehnt („stimme nicht zu“ bei allen fünf Fragen).

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