Drei zentrale Themen beschäftigen die Politik hierzulande: EU, Klima und Altersvorsorge. In Sachen EU wird offenbar auf einen Deus ex Machina gehofft, der das Chaos ordnet. Bei der Altersvorsorge wird halbherzig auf die allseits bekannten Probleme reagiert und auf später vertröstet. Beim Klima soll hingegen alles getan werden, damit bis in dreissig Jahren die Schweiz «klimaneutral» funktioniert. Bundesrätin Sommaruga ist offenbar zu allem entschlossen. Auf Flüge sind Zuschläge geplant, Benzin und Diesel sollen teurer und dereinst ganz verboten werden. Und auch sonst wird allerhand geplant, um die drohende Apokalypse zu vermeiden – auch wenn unser Land das weltweite Klima nicht in messbarem Umfang beeinflusst.

Anders sieht es bei der Altersvorsorge aus, wo wir die Zukunft in der Hand haben, aber äusserst bescheidene Ziele vorgeben. Bundesrat Berset hat mit seiner ambitionslosen Botschaft zur AHV21 aufgezeigt, wie er gedenkt, mit der AHV für ein knappes Jahrzehnt über die Runden zu kommen. Gerechtfertigt hat er das Vorgehen in einem Interview in der NZZaS mit den Worten: «Dank den zusätzlichen Einnahmen der Steuer- und AHV-Reform zugunsten der AHV haben wir nun genug Zeit, eine gute Diskussion zu führen». Mit den guten Diskussionen der letzten Jahre liessen sich ganze Bibliotheken füllen, die Resultate sind bescheiden. Die künftigen werden nicht anders ausfallen. Und ob wir in der Tat «genug Zeit» haben, darf bezweifelt werden.

Die Botschaft zur AHV21 nimmt epische 133 Seiten ein und behandelt im Detail Fragen wie «Renten für Pflegekinder im Ausland» (total 327) oder «Äquivalenzeinkommen der Unterstützungseinheiten von rentenauslösenden Kindern». Aber kein Wort darüber, wie der Bundesrat sich die Weiterentwicklung der AHV nach 2030 vorstellt. Der geistige Horizont reicht gerade über zehn Jahre, sozialpolitisch ein Wimpernschlag und das gewonnene Jahrzehnt kürzer als bei uns die «guten Diskussionen» bis zur stets prekären Volksabstimmung dauern. Ein Anschlussprogramm wird nicht einmal in Umrissen skizziert.

Aber nach 2030 wird es für die AHV erst richtig schwierig und wie dann die Finanzierung gesichert werden kann, bleibt ein Rätsel. Zudem handelt es sich bei der Jahreszahl um eine Schönwetterprognose. Die schon drohenden Rezessionswolken sind unübersehbar. Eventuell sind schon früher weitere Sanierungsschritte notwendig. Die Reformvorschläge der Regierung sind unter diesen Voraussetzungen ungenügend. Die Verweise auf das «politisch Machbare» können nicht als Entschuldigung durchgehen. Ein Bundesrat muss den Mut zum Unpopulären haben, wenn die Sache es verlangt. Sogar ein linker.

Während wir also beim Klima Maximalziele setzen und trotz allem Bemühen ausser guten Absichten, Wohlstandseinbussen und der Schaffung profitabler Geschäftsfelder für die boomende Nachhaltigkeitsbranche wenig ausrichten können, gehen wir bei der Altersvorsorge die Sache ausgesprochen gemütlich an. Das Ergebnis könnte indessen höchst ungemütlich ausfallen. So etwa nach dem Motto: Operation gelungen, Patient gestorben.

Peter Wirth, E-Mail