Parva Liga: PFC Levski Sofia – FK Arda Kardzhali

19.10.2019
13. Spieltag Parva Liga
PFC Levski Sofia - FK Arda Kardzhali
Georgi-Asparuchow-Stadion
Endergebnis: 2:1 (0:0)
Zuschauer: 2.558 (ca. 50 Gäste)
Fotoalbum

Auch der Samstag stand zunächst ganz im Zeichen des Sightseeings gepaart mit der absoluten Vorfreude auf das abendliche Spiel. Hatte Cherno More am Vorabend schonmal für einen kleinen Appetithappen in Sachen Stimmung gesorgt, war der sprichwörtliche Hunger auf den Hauptgang in Form von Levski Sofia natürlich groß. So vergingen die Stunden und gelaufenen Kilometer entsprechend schnell, ehe man sich auf dem bekannten Ladies‘ Bazar an der Lion’s Bridge bei bestem Wetter noch ein paar Bierchen im Freien gönnte. Bei Preisen von unter einem Euro für den halben Liter fließt der Stoff ja gerne noch ein bisschen schneller die Kehle runter. Abends wird’s wohl wieder nix geben, daher zu Beginn schonmal den Durst stillen.

Die Anreise zum Spielort sollte im Anschluss mit der Tram erfolgen, wobei man im eintreffenden Zug mal wieder ein Problem mit den Tickets bekam. Es gab nämlich weder einen Automaten noch die angepriesene Vorrichtung zur Nutzung der 10er Aufladekarte. Auf Nachfrage beim Fahrer nach zwei Stationen reagierte dieser nur mit gelassenem Schulterzucken: „No machine, no problem.“ Danke dafür. Ich glaube wir sind im Endeffekt öfters für lau gefahren als dass sich die mühsam am ersten Abend erworbene 10er Karte überhaupt rentierte. Sehr gelassen, die Leute hier.

Passend dazu handelte es sich bei der Tram, mit der man die etwa ein Dutzend Stationen zurücklegen sollte, um ein ausrangiertes Model aus Prag. Woher ich das weiß? Nun, die aushängenden Stadt- und Metropläne stammten eben aus der tschechischen Hauptstadt, ebenso sämtliche Schilder und Warnhinweise. Dann muss eben Google regeln bezüglich der richtigen Station. Immerhin die Ansagen stimmten mit der realen Strecke überein.

Nach etwa einer halben Stunde spuckte uns die Bahn in einer nunmehr stockfinsteren Plattenbausiedlung am Stadtrand Sofias aus. Definitiv keine Ecke, die es in einen Reiseführer schaffen würde. Einzige Lichtquelle in den teils komplett dunklen Straßenzügen waren die bereits hell leuchtenden Flutlichter des Stadions, welchen man über mit Schlaglöchern durchzogenen Feld- und Fußgängerwege entgegenschritt. Hier und da lungerten bereits ein paar Grüppchen herum, während die Staatsmacht mit Pferden durch die Gegend patrouillierte. Gespenstig still, dennoch mit dem typischen Gefühl von Fussball in der Luft.

Das Georgi-Asparuchow-Stadion liegt inmitten eines größeren Parks, welcher von vielen aktiven Fans als auch Normalos als Treffpunkt fungiert. Diesen durchquerte man auf dem Weg zum Eingang der Haupttribüne, wo es als nächstes die Tickets zu ziehen galt. Im Vorfeld wusste man lediglich, dass man definitiv nicht in die Kurve will, über die genaue Blockwahl auf der Tribüne machte man sich allerdings keine Gedanken. So wählte man mit dem Block 2 in Sektor A die vermeintlich beste Sicht, wurde aber gleich vom Ticketverkäufer mit einem ungläubigen „Are you sure?“ verunsichert. Gibt’s da etwas, was wir wissen sollten? Warum soll ich mir sicher sein, ist doch die Haupt? So warf man die Frage zurück, was den am Limit seiner Englischkenntnisse befindliche Verkäufer erstmal zu einer Beratschlagung mit seinem Kollegen verleitete. Ein paar Sekunden später folgte ein „ok“ und auf Nachfragen seien es Plätze mit „great view!“. Und mal wieder, danke dafür!

Für die Tickets berappte man schließlich 17 Lewa pro Person (also etwa 8,75€), ehe man beschloss, direkt das Stadion zu betreten. Es folgte prompt eine Kontrolle an den Toren, allerdings wollte man weder die Tickets sehen noch die Taschen kontrollieren, sondern forderte die Pässe/Persos. Am besten also nicht ohne ID ins Stadion gehen. Waren übrigens keine Ordner, sondern die Riot-Police, die die Spiele von außen absichert. Dauerte allerdings nicht lange, sodass man sich wenig später im Fanshop mit einigen Stickern und einem Schal eindecken konnte. Letzteren musste man am Eingang zum Block direkt auspacken und ausrollen. Könnte ja sonst was draufstehen, „Levski“ zum Beispiel. An der Aktion waren dann acht (!) Ordner beteiligt, die natürlich nochmal die Pässe sehen wollten und dieses Mal sämtliche Taschen durchfilzten. Was für eine Prozedur, uns das auf der Haupttribüne. Was da wohl vor der Kurve abgeht? Wahrscheinlich gar nix.

Verbunden mit dem unsicheren Ticketverkäufer geisterte mir aber plötzlich eine Vorahnung durch den Kopf. War da nicht was bei der Fanszene von Levski? Sind die nicht zerstritten? Am Ende stehen die noch auf der Haupt und wir betreten gerade deren Block. Also mal lieber Augen auf beim Blick aufs vorhandene Publikum. Gut, so ne Stunde vor Anpfiff war da noch keiner zu sehen. Die Stufen zum Block hinauf, fand man sich nun im geschlossenen Tribünenumlauf ein, von welchem aus man jeden Block der Haupt betreten konnte. Eine letzte Ticket-Kontrolle an den nun nicht wie Türsteher aussehenden Ordnerdamen und man hatte es endlich geschafft.

Da war es nun, das Georgi-Asparuchow-Stadion, Heimstätte von Levski Sofia. Mann, was hatte ich da vor fünf Jahren noch für abstruse Träume von Spielbesuchen, und plötzlich steh ich mitten drin. Eine traumhafte Schüssel umgeben von Plattenbauten, ganz in den Vereinsfarben blau-gelb-rot. Schickes Ding und überraschend wenig Gammel. An manchen Stellen fast schon wie geleckt, hätte ich jetzt nicht gedacht. Vor allem die Kurve mit dem Gästeblock, die aus dem Levski-L geformte Anzeigetafel und das auf Steinen aufgepinselten Logo wirkten noch recht frisch und stehen, meinem Wissen nach, in der Form noch nicht allzu lange.

Die große Haupttribüne, gleichzeitig einziger Bereich mit einem Mini-Dach, was selbst unsere Plätze in der obersten, nicht VIP-Reihe, nicht überspannte, stellt dabei den größten Block. Auf der Gegengeraden dann nochmal viele Sitze mit kleinem VIP-Gebäude und Spielertunnel sowie zu unserer Rechten die Kurve von Levski, verschönert mit unzähligen aufgemalten Logos und Slogans. Dazu noch die gigantischen Flutlichtmasten, die wahrscheinlich in halb Sofia sichtbar sind. Ein absolut geiles Teil für genau 29.200 Schaulustige und überraschend frei von jeglichen Wellenbrechern.

Mit unseren Sitzen in Block 2 zeigte man sich derweilen aufgrund der Nähe zum Spielfeld nicht ganz zufrieden, weshalb man in die erwähnte letzte Reihe wanderte, allerdings in Block 4. Bei nur knapp über 2.500 Zuschauern absolut kein Problem und auch die Ordner sollte es ab diesem Zeitpunkt nicht mehr jucken, was man denn so trieb. Beste Sicht aufs Geschehen also, was man in den folgenden gut zwei Stunden verfolgen durfte. Während sich die Heimkurve einige Minuten vor Anpfiff noch recht dünn besiedelt zeigte, enterten überraschend 50 Anhänger des Gastvereins Arda ihren Block, flaggten zwei Zaunfahnen an die Bande und stellten sich mit Trommel und bulgarischer Schwenkfahne hinter einer auf dem Boden ausgebreiteten Vereinsfahne auf. Zahlenmäßig deutlich über den Erwartungen, allerdings sollte im Spielverlauf kaum mehr als sporadische „Arda“-Rufe kommen. Eine wirkliche Szene wäre hier somit nicht auszumachen, oder zumindest keine, die auswärts fährt.

Anderes Bild natürlich auf der Heimseite, die fünf Minuten vor Spielbeginn ordentlich anflaggte und fast die gesamte Kurve in Ihre Farben tauchte. Hier schonmal einige geile Teile dabei, wie die im unteren Drittel des Blocks an zwei Stangen befestigte „Ultras Levski Sofia“-Fahne, der große Lappen mit Sprüchen und Vereinsnamen sowie einige kleinere Stücke wie die „Friends“-Fahne im Stil der bekannten TV-Serie sowie das rote Herz mit Innschrift „Facebook Hooligans“. Dahinter versammelte sich eine stattliche Zahl supportwilliger, die insgesamt dann doch nicht wirklich die wahrgenommenen Eindrücke diverser Quellen der vergangenen Jahre wiederspiegelte.

Ein Grund dafür nahm man mit Spielbeginn war, was dann auch wiederum die Vorsichtsmaßnahmen auf der Haupttribüne als auch die Reaktion des Kartenverkäufers im Grunde erklärte: Die aktive Szene ist in zwei Gruppen zerstritten, wovon sich eine am linken, unteren Rand der Haupttribüne positionierte. Zahlenmäßig hätte ich den dortigen Haufen auf etwa 300 geschätzt, die in die große Lücke der Kurve auch gut passen würden. Dank gleicher Tribüne bekam man von den abtrünnigen, die durchweg ihr eigenes Liedgut vortrugen, natürlich kaum was mit. Rein optisch und von der Konstanz sowie der Mitmachquote bei Klatsch- und Hüpfeinlagen her blieb der zweite Haufen aber deutlich hinter der Aktivität der Kurve.

Letztere konnte sich, nach einigen Startschwierigkeiten, dann doch sehen lassen. Angeheizt vom euphorischen Capo, dessen Megafonanlage nicht nur bis zur Haupt deutlich zu hören war, sondern bestimmt auch den halben Stadtrand beschallte, lieferte der Haufen einen starken Support mit vielen für uns neuen Melodien ab, und das gänzlich ohne Trommel. Laute Schlachtrufe wechselten sich dabei mit bekannten, dann aber doch abgewandelten Liedern ab, während selbst exotische Sachen wie das „decime qué se siente“ aus Argentinien Einzug erhielten. Abwechslungsreich und vor allem stimmgewaltig mit einer enormen Mitmachquote und einem motivierten Haufen, der sich vor allem in der zweiten Hälfte immer wieder selbst pushte.

Da spielte es keine Rolle mehr, dass die Bude zu weniger als 10% gefüllt war, und das trotz der guten sportlichen Situation, in der sich der 26malige Meister aktuell befindet. Denn mit nur vier Punkten Rückstand auf den Geldverein Ludogorez Rasgrad, der seit der Saison 2011/12 jedes Jahr aufs Neue Meister wird, hat Levski in diesem Jahr gute Chancen auf den ersten Titelgewinn seit mehr als zehn Jahren. Sportlich war davon gegen den Tabellensechsten allerdings nur wenig erkennbar. Ohne Tore ging es daher in die Halbzeit, die ein paar Levski Ultras nutzten, um Choreospenden mit einem Glaskasten auf den verschiedenen Tribünen einzusammeln.

Auch der zweite Durchgang startete mager mit einem Kick auf langweiligem Niveau. Erst ab der 70. Minute war Feuer drin, als die Hausherren endlich eine ihrer Vielzahl an Chancen zum verdienten Führungstreffer nutzten. Zehn Minuten später folgte dann das 2:0, auf welches Arda nur noch mit dem Anschlusstreffer in der Nachspielzeit antworten konnte. Entsprechend ausgelassene Stimmung nun in der Kurve, die am Ende fast vollständig auf die Zäune stieg, um mit der Mannschaft zu feiern. Auch die Gästekicker holten sich beim eigenen Anhang ihren Applaus ab, ehe sich die Bude auf allen Seiten recht schnell leerte. War aber auch kalt mittlerweile.

Somit ging’s auch für uns wieder nach draußen, unterm Strich recht zufrieden mit dem Gesehenen. Wenn man mal bedenkt, was die da heute mit dem verhältnismäßig kleinen Haufen in der Kurve schon abgeliefert haben, frag ich mich umso mehr was da beim Derby los ist. Oder wenn beide Gruppen einfach wieder zusammenstehen und gemeinsam für den eigenen Verein singen. Setzt euch doch mal einfach an nen Tisch, kann doch nicht so schwer sein!

Hier gibt’s weitere Bilder!

So kreisten die Gedanken und die Ohrwürmer im Kopf, während man sich wieder den Weg durch das bahnte, was sich als Straße oder Bürgersteig ausgab. Da steht dann auch einfach mal ein Baum im Weg, kann eben passieren. An der Tram Station erwischte man um Viertel nach Zehn den vorletzten (!) Zug des Tages, welcher uns wieder ins zentrale Serdika brachte. Dort gönnte man sich auf dem Rückweg in die Bleibe noch ein Stück Pizza auf die Hand und versuchte wenig später noch eine angenehm große Mütze Schlaf zu bekommen. Denn das Programm des nächsten Tages sollte es in sich haben.