Not so Fast but Furious

– Lydia Malte 4.0 im TukTuk-Himmel-

Es gibt Tage an denen sollte man erst gar nicht losfahren. Heute zum Beispiel: wären wir mal schön brav noch eine Nacht bei Dr. Jain in Sarnath geblieben, hätte ich jetzt vielleicht noch ein TukTuk und hätte vor allem weder Soffel noch mich in Gefahr gebracht. Am Ende ist ja alles glimpflich ausgegangen und von ein paar Prellungen und Abschürfungen mal abgesehen, sind wir alle heil geblieben.
Alle außer Lydia Malte 4.0, mein kleines süßes TukTuk sieht jetzt leider so aus….

Durchfall am Morgen – ein Vorbote für Kummer und Sorgen?

Der Tag fing irgendwie schon beschissen an. Im wahrsten Sinne des Wortes. Zunächst einmal hat der Wecker viel zu früh geklingelt, da wir heute eine recht lange Etappe von 160 km geplant hatten.
Früh losgekommen sind wir dann allerdings doch nicht, weil das gesamte Team von TukTuk to go (duden mit seinem Rindermagen natürlich ausgenommen) mit Magen-Darm-Problemen zu kämpfen hatte und die Wohlfühlzone eines Dreimeterradius um die nächstgelegene Toilette nicht verlassen wollte.

Gegen 10:00 ging es dann nach diversen Startproblemen mit meinem TukTuk endlich gen Allahabad. Zwei Stunden und 20 Kilometer später hatten wir zwar noch nicht unser Tagesziel erreicht, mussten aber dennoch die heutige Etappe für beendet erklären.

Im Sechsdörfereck Baikunthpur, Dudulpur, Sujanipur, Dayalipur, Mangari und Newada, in der Nähe des Babatpur Bahnhofs bin ich, wenig elegant und semiunverschuldet aus der Kurve gesegelt. Einerseits habe ich wohl die Kurve falsch eingeschätzt und andererseits kam mir ein Fahrzeug auf meiner Spur entgegen.

Ganz ehrlich, so genau weiss ich selbst nicht was da passiert ist. Nur so viel ist klar wir lagen plötzlich halb auf einem anderen Fahrzeug und mein Tuktuk war irgendwie schrott.

Ich erinnere mich nicht mehr an viel.
Ich bin aus dem TukTuk geklettert, habe Soffel rausgezogen und anschließend haben wir erstmal gegenseitig gecheckt das es uns beiden gut geht. Soffel ist ja vom Fach und hat mich als Krankenschwester erstmal ordentlich verarztet und meine Schnittverletzung an der Hand gereinigt und verbunden.
Während Soffel und ich noch beim Gliedmaßencheck waren, haben duden, Marcus, ungefähr 20 Schaulustige und drei bis vier sehr hilfsbereite Inder das Tuk wieder in die Senkrechte befördert.

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Der ebenfalls am Unfall beteiligte Autofahrer hat viel und laut rumgemotzt, Money Money Money gerufen und ist letztlich mit 2000 Rupies in der Tasche abgedampft. Verständlicherweise hatten wir keinen Nerv uns auf irgendwelche Diskussionen und Schuldzuweisungen einzulassen.

Nachdem der erste Schock überwunden und der Unfall“gegner“ so abrupt verschwunden war, wollten wir eigentlich zurück nach Sarnath, um von dort aus alles Weitere zu klären. Marcus hatte sich daher auch bereits zu Fuß auf die circa 2 km lange Strecke zum Varanasi Flughafen gemacht, um von dort ein Taxi für uns zu ordern, denn 4 Personen plus Gepäck würde selbst dudens noch völlig intaktes TukTuk nicht schaffen.

?! Die Polizei dein Freund und Helfer ?!

Während wir noch auf Marcus warteten, betrat ein neuer Akteur die Bühne unserers (kleinen) Reisedramas. Die Polizei hatte irgendwie Wind von der Sache bekommen und wollte nun erstmal 30 000 Rupies haben. „30 000 Rupies -Warum?“ wollte duden wissen und bekam als Antwort:
„Wegen der Verursachung eines Verkehrsunfalls“
„Aber wir haben keinen Unfall verursacht“ meinte duden und schwups waren die 30 000 Rupies Schnee von gestern. Schon spannend was man mit sicherem Auftretem und einem Stapel Zeitungsartikel auf Hindi so alles bewirken kann.
Wie gut das duden immer schön brav sammelt, wenn die hiesigen Medien über uns berichten. So mussten wir uns nicht lange mit Händen und Füßen verständigen, die Polizei konnte natürlich kein Wort Englisch, sondern hatten eine Kurzbiografie unserer Tour auf Hindi parat.

Einfach so verduften ging natürlich trotzdem nicht, wenn die Mühlen der Bürokratie zu mahlen beginnen, hören sie so schnell nicht mehr auf.
In der Kurzfassung liefen die nächsten 3 Stunden wie folgt ab:

Schritt 1)
Soffel und ich wurden ins Polizeiauto gesteckt und zum Flughafen gebracht, um dort in einem Einraumpolizeibüro auf duden zu warten, der während dessen mit seinem TukTuk auf der Suche nach Marcus war.

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Schritt 2)
Als Marcus nach einer kleinen Taxi-Odyssee (er berichtet sicherlich gern davon), wieder beim Rest von uns angelangt war, ging es für mich und duden zum „richtigen“ Polizeirevier, um den Unfallhergang aufzunehmen.

Das Polizeirevier von Phulpur war eine ganz eigene Attraktion. Wie hat es duden so schön beschrieben „Kubanisch-mafiöses Flair“.

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Das Polizeirevier war ein gutshausähnlicher Vierseitenhof im spätkolonialen Stil, umsäumt von Kolonaden und verfügte natürlich über einen eigenen Fitnesskomplex. In der Mitte des mit Sand betreuten Innenofs stand ein Plastiktisch mit 4 Stühlen in der Sonne und wurde von mehreren Polizisten mit Gewehren flankiert. Alles in allem total fasziniernend und wäre ich nicht noch halb im Schockzustand gewesen, ich hätte noch einige Fotos mehr geschossen. Es gibt schlechtere Orte auf der Welt an denen man einen polizeilichen Unfallbericht abgeben muss.

Schritt 3)
Kein Polizeibericht ohne ärztliches Attest, also ab ins Krankenhaus. Zum Krankenhaus kann ich nur soviel sagen, es war ein typisch indisches Gebäude. Alles etwas ranzig, der Putz ist von den Wänden geblättert, der Grünspan hat hübsche Blumenmuster auf die Fliesen gemalt und die Staubschicht auf dem Fußboden war sicherlich erst ein paar Stunden alt – alles wie immer.
Bezüglich der Behandlung hat es mich einiges an Überredung gekostet, die durchaus hilfsbereiten Ärzte von Tetanusimpfungen und anderen gut gemeinten Hilfeleistungen abzuhalten. Schließlich sind meine Impfungen aktuell und Soffel hatte mich ja bereits fachmännisch versorgt. Am Ende durfte ich meinen sterilen Wundverband an der Hand behalten und musste meine Schnittwunde nicht dem gesamten Bakterienhaushalt von Phulpur zum Dessert servieren.

Schritt 4)
Zurück zu Marcus und Soffel. Erstmal sicher gehen das es den beiden gut geht, einen Rücktransport für alle besorgen und durch den Stadtverkehr von Varanasi nach Sarnath fahren.20180209_172900

Hier sitzten wir nun, verdauen das Erlebte, badenn unsere geschundenen Füße und überlegen, ob wir die Tour jetzt mit einem TukTuk fortführen oder versuchen Lydia Malte 4.0 zu reparieren.
Ich weiss noch nicht wie es weitergeht. Meine finanziellen Mittel sind durch die letzten Reparaturen bereits mehr als ausgeschöpft und bis auf den sowieso beschädigten Motor scheint alles mehr oder weniger Schrott zu sein (Radaufhängung, Dachkonstruktion, Reversgear, Lichter, Dachgepäckträger u.s.w)… aber wir werden sehen – das wichtigste ist das es allen von uns gut geht.

 

 

Autor: Froilein Lumi

Lumi - wie der finnische Schnee mit einem Gespür für verrückte Abenteuerurlaube, kulinarische Be- & Absonderheiten und einem Hang zu Reisen in die nördlichen Länder dieser Welt.

4 Kommentare zu „Not so Fast but Furious“

  1. Gute Besserung und nicht aufgeben bitte 🤘 Es gibt immer einen Weg zum weitergehen 😉 Ihr seid doch grad erst losgefahren – also den Kopf nicht hängen lassen 😎

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  2. Hallo,
    ich könnte heulen. Gi sagt immer: In allem Schlechten ist auch immer etwas Gutes zu finden. Ich hoffe, das Gute wird euch nun ständig begleiten + Lösungen gibt es immer. Unsere Gedanken sind bei euch.
    LG, Wi + Gi

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    1. Danke <3. Wir arbeiten an Lösungen. Mehr dazu in Kürze.
      Aber Aufgeben kommt nicht in die Tüte.

      Bisher war jede Katastrophe für etwas gut 😉. Wir vertrauen ebenfalls in Karma.
      Gruß Lumi

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