Der Blick

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Dschänna schreibt 

Wenn man nicht in Deutschland Urlaub macht, dann ist man ein Ausländer.

Vor China haben wir auch Urlaub in anderen Ländern gemacht. Die Meisten davon lagen in Europa. Das Schöne ist, dass wir nicht so weit fliegen mussten, die Organisation relativ einfach war und wir nicht immer als Ausländer aufgefallen sind.

In England wurden wir für Engländer gehalten (keine Ahnung warum, an meinem Englisch kann es nicht gelegen haben). In Portugal wurden wir für Engländer gehalten. In Österreich für Deutsche. In Tschechin haben wir einfach englisch geredet.

Jedes Mal spürte ich ein Gefühl von Sicherheit und Wohlsein, nicht explizit aufzufallen.

Hier in China sind wir Ausländer. Nicht nur, dass wir die Sprache nicht sprechen – nein, man sieht es uns einfach an. Wir sehen anders aus als die Einheimischen.

Ist das unangenehm? Ja. Nicht in jeder Situation und nicht überall. Doch dieses Gefühl, ich bin der Ausländer, kommt mich öfters mal besuchen.

Die Menschen reagieren mit Neugier und Erstaunen. Manche helfen sprachlich, wo sie können. Andere wollen einfach nur mal schauen und machen ungefragt Bilder von mir (oder meiner Familie).

Es gibt Momente, da wünschte ich mir, der Boden würde sich auftun und ich könnte mich mal kurz verkriechen – Kraft tanken und dann wieder erscheinen, um all die fragenden Blicke aushalten zu können.

Der Boden tut sich in diesen Momenten selten auf – stattdessen erscheint genau dann, ein weiterer Ausländer.

Und dann passiert das Magische: Genau jetzt, wo ich es kaum aushalten kann, angestarrt zu werden, schaue ich die andere Person an, unsere Blicke treffen sich und es wird sich still & leise zugenickt. Wie ein geheimes Zeichen, dass uns gegenseitig Kraft schenkt. Wie in Verschwörungsfilmen, wenn die Geheimagent sich heimlich eine Nachricht zukommen lassen.

Unsere Nachricht lautet: Wir verstehen einander und niemand ist allein.

Oft fange ich dann an zu lachen, weil es so absurd ist, dass ich hier bin und es anderen Menschen vielleicht ähnlich geht. Oder das es Ausländer in Deutschland gibt, die dort das Selbe erleben oder in einem anderen Land.

Dieses Lachen befreit mich und schenkt mir wieder Leichtigkeit.

Die brauche ich hier, damit ich offen und neugierig auf die Asiaten zugehen kann.

Damit ich mich nicht verkrieche und darauf warte, dass die Zeit vergeht.

Damit ich mich nicht festbeiße, in diesem Gefühl.

Und: dieser Augenblick, dieses kurze Miteinander erinnert mich daran, dass wir niemals allein sind.

Das es immer Menschen gibt, die mich unterstützen (und sei es diese fremde Person mit einem Augenzwinkern), dass jede Lösung nur ein Augenblick entfernt liegt und das wir alle miteinander verbunden sind.

Suoyou de ài  (Alles Liebe)

Dschänna

Ein Gedanke zu “Der Blick

  1. Man kann übrigens auch als Landsfrau ein Ausländer sein. Das durfte ich bei meinem letzten Besuch in Vietnam am eigenen Leib spüren. Ich wurde angestarrt und beäugt als wäre ich ein Alien… ich hörte wie die Leute gerätselt haben, ob ich ein Mischling bin oder nicht… und wenn ich ein Mischling bin, ob mein Vater oder meine Mutter der vietnamesische Part ist… und wenn ich ein Mischling bin, womit ich denn „gemischt“ bin. Sobald ich meinen Mund aufmachte und auf Vietnamesisch geantwortet habe, dass ich sie durchaus verstehe und kein Mischling bin, schauen sie kurz „beschämt“ zur Seite, nur um mich im Anschluss dann mit (für deutsche Verhältnisse) unverschämte Fragen zu durchlöchern. Wie zB „wie viel man denn in Deutschland verdient“, „wie teuer dies das und jenes denn in Deutschland wäre“, „ob ich denn schon meiner Familie in Vietnam Geldgeschenke gebracht hätte“, etc.

    Vielleicht bin ich wirklich zu 100% eine „deutsche Kartoffel“ geworden, wie alle es sagen. ;)

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