Wie funktioniert eigentlich das Wahlsystem zur Unterhauswahl in Großbritannien

Wie genau funktioniert das Wahlsystem in Großbritannien? Diese Frage stellen sich sicherlich viele, wenn an diesem Donnerstag in Großbritannien ein neues Parlament gewählt wird. Nachdem das Königreich durch mehrere Terroranschläge erschüttert wurde, könnte das Ergebnis knapp werden. Während zunächst die Konservativen in Umfragen deutlich vorn lagen, konnte die Labour Party zuletzt aufholen.

House of Commons und House of Lords

Das britische Parlament bildet im Zweikammersystem Großbritanniens das Unterhaus und wird House of Commons genannt. Es setzt sich aus gewählten Abgeordneten zusammen. In der zweiten Kammer, dem Oberhaus oder House of Lords, sind Vertreter aus Adel und Kirche versammelt. Sie werden durch die Queen ernannt. Die Ernennung der Mitglieder des Oberhauses ist eine Besonderheit des britischen Wahlsystems. Allerdings verfügen Die Abgeordneten des House of Lords über kaum mehr als Vetorechte. Bei der Wahl zum Unterhaus haben sie weder aktives noch passives Wahlrecht.

Ein Kreuz pro Wahlkreis

Eigentlich finden die Wahlen zum Unterhaus alle fünf Jahre statt, zuletzt wurde im Mai 2015 gewählt. Premierministerin Theresa May hatte im April allerdings Neuwahlen angekündigt, da sie sich für die Brexit-Verhandlungen eine Mehrheit im Parlament sichern wollte. Das Wahlsystem ist so ausgerichtet, dass meist eine Partei die absolute Mehrheit erreicht. Denn in Großbritannien herrscht ein relatives Mehrheitswahlrecht.

Die Insel ist in 650 Wahlkreise aufgeteilt, die jeweils an den Kandidaten mit den meisten Stimmen gehen. Die Wähler können somit nur ein Kreuz machen; Stimmen für unterlegene Kandidaten gehen in diesem Wahlsystem verloren.

Lesen Sie hier in unserem Wahllexikon, wie sich Mehrheitswahl und Verhältniswahl voneinander unterscheiden.

Kleinere Parteien werden stärker

In der Vergangenheit hat das dazu geführt, dass entweder Konservative oder Labour eine absolute Mehrheit im Unterhaus erreichten. Mit dem Erstarken regionaler Parteien ist dies in den letzten Jahren jedoch schwieriger geworden. So gelang es kleineren Parteien, die über Jahrzehnte durch das Wahlsystem benachteiligt worden waren, bei vergangenen Wahlen, eine Reihe von Sitzen zu erobern.

2010 etwa reichte es für keine der beiden großen Parteien. Die Konservativen gingen daher eine Koalition mit den Liberal Democrats ein. Neben diesen gelingt es besonders regionalen Parteien in Schottland, Wales und Nordirland, Sitze im Unterhaus zu erlangen.

Wahlsystem mit Schwächen

Nicht nur, dass kleinere Parteien benachteiligt werden: Durch das „The Winner takes it all“-Prinzip des britischen Wahlsystems kann es vorkommen, dass eine Partei zwar die Mehrheit im Parlament erhält, nicht jedoch die meisten Stimmen auf sich vereint. Das passiert etwa dann, wenn die Wahlbeteiligung in Wahlkreisen des Gewinners gering ist. Zudem haben sich viele Hochburgen gebildet, in denen meist die immer gleiche Partei gewinnt, was dazu führt, dass die unterlegene Partei den Wahlkampf dort gar nicht erst aufnimmt.

Allerdings ist belegt, dass die Wähler sich an das Wahlsystem anpassen und taktisch wählen. Würden die Briten ein Verhältniswahlrecht haben, würden sie also auch Parteien wählen, die bei der Mehrheitswahl ohnehin unterlegen sind. Diese Verzerrungen von Wahlkampf und Endergebnis führen immer wieder zu Diskussionen über eine Reform des Wahlsystems, die bisher allerdings zu keiner Änderung geführt haben. Tony Blair kündete nach seinem Sieg 1997 zwar eine Volksabstimmung über das Wahlsystem an, diese fand jedoch nie statt.