Todgeweihte Stadt: „Die Pest“ am Schauspielhaus Magdeburg

Seltsame Dinge ereignen sich im algerischen Oran. Tote Ratten erschrecken die Bewohner. Kurze Zeit später erkranken die Menschen an Fieber, welches sie nicht überleben. Die verheerende Diagnose: die Pest. Willkürlich sucht sie sich ihre Opfer. Angst und Verzweiflung machen sich breit. Es zeigt sich auch, wer aus dieser Situation Profit schlagen möchte und egoistisch handelt. Doch ein Entkommen ist zwecklos, denn die Stadt wird von der Außenwelt abgeschottet und jeder könnte den ansteckenden Erreger in sich tragen. Während für die meisten Einwohner der Kampf gegen die unaufhaltsame Krankheit aussichtslos erscheint, versucht Doktor Bernard Rieux den Todgeweihten die Angst vor der Epidemie zu nehmen und ihnen in der aussichtslosen Lage zu helfen.

Ralph Opferkuch in „Die Pest“
Foto: Nilz Böhme

Als sich Regisseur Krzysztof Minkowski an der Hochschule für Schauspielkunst „Ernst Busch“ für einen Theaterregie-Studienplatz bewarb, wusste er schon genau, dass er eines Tages den Erfolgsroman „Die Pest“ des französischen Schriftstellers Albert Camus auf die Bühne bringen wird. Es sollten jedoch einige Jahre vergehen, bis er seinen Plan umsetzt. Nun inszeniert er den Literaturklassiker erstmals als Monodrama im Foyer des Magdeburger Schauspielhauses. Getreu dem Motto „Was lange währt, wird endlich gut“, zeigt sich, dass der gebürtige Pole sich über Jahre hinweg mit dem Stoff auseinandergesetzt hat. Denn er schafft es nur mit simplen Mitteln, dem Publikum die aussichtslose Situation zu vermitteln und gleichzeitig eine politische Verbindung zur Gegenwart herzustellen. Sein langjähriger Ausstatter Konrad Schaller stellt den Protagonisten vor eine weiße Leinwand, auf die abwechselnd Bilder von verlassenen Straßen projiziert wird. Die Abbildung der Stadt aus der Vogelperspektive hat dabei eine ganz besondere Wirkung auf den Rezipienten und übernimmt gleich mehrere Funktionen, die sich positiv auf das düstere Stimmungsbild auswirken. Zum Einen zeigt sie, dass die Seuche unaufhaltsam ist und Oran Stück für Stück auslöschen wird. Zum Anderen verdeutlicht sie mit dem Einsatz des Lichtes, warum die Pest auch als „der schwarze Tod“ bezeichnet wird, wenn der Zuschauer dabei einen Blick auf den Erzählenden wirft.

Ralph Opferkuch tritt in „Die Pest“ nicht nur als Erzähler Doktor Bernard Rieux auf, sondern verkörpert auch noch alle anderen auftretenden Figuren, ohne dabei aus seinem weißen Kittel zu schlüpfen. Ohne zu übertreiben, schafft er es, einen nachvollziehbaren Übergang der einzelnen Personen und der gegebenen Situationen zu kreieren. Es ist vor allem die Betonung der metaphorischen Sprache, mit der er die Rezipienten in seinen Bann zieht, ohne sie aus der Handlung zu reißen. Dabei kommt dem Stuttgarter auch zugute, dass er wieder einmal seine musikalische Ader mit in das Stück einfließen lassen darf. Mit dem Einsatz einer E-Gitarre verleiht er dem Geschehen in bestimmten Situationen noch mehr Tiefe und Direktheit des nicht endenden Dahinvegetierens der Stadt.

Ralph Opferkuch in „Die Pest“
Foto: Nilz Böhme

Minkowskis Inszenierung von „Die Pest“ verspricht einen kurzweiligen, aber intensiven Abend, der nicht nur das erschreckende Bild einer unbesiegbaren Krankheit aufzeigt, sondern auch, wie unterschiedlich die Todeskandidaten mit dem gnadenlosen Bazillus umgehen. Dabei verwendet er die Ausbreitung des schwarzen Todes gleichzeitig als eine Metapher für das aktuelle politische Zeitgeschehen. Mit Ralph Opferkuch hat der Regisseur einen Schauspieler gefunden, der es versteht, den unterschiedlichen Figuren eine gesunde Mischung aus Verzweiflung, Panik, Fatalismus und Egoismus mit musikalischer Eindringlichkeit zu verleihen, ohne dabei die vorhandene Katastrophe abzuschwächen oder ihr die Ernsthaftigkeit zu nehmen. Ein Abend, der definitiv vielversprechend ist und das Potenzial mitbringt, sich zu einem absoluten Kassenschlager am Theater Magdeburg in der aktuellen Spielzeit zu entwickeln.

Tickets für die kommenden Vorstellungen gibt es an der Theaterkasse oder im Internet unter http://www.theater-magdeburg.de.

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