Sage leise Lebewohl – manuelle Getriebe verschwinden

Einige Dinge wird der Autofahrer der Zukunft nicht mehr kennen. Dinge, an die wir uns gewöhnt haben, verschwinden. Dazu gehören das manuelle Getriebe, der Zündschlüssel, die mechanische Handbremse oder das Saugnapf-Navigationsgerät. Beim Zündschlüssel oder Navi übernimmt das Smartphone. Beim manuellen Getriebe der Computer.

Saab 5 Gang Getriebe - hier im 900 von 1986 - nie besonders präzise zu schalten
Saab 5 Gang Getriebe – hier im 900 von 1986 – nie besonders präzise zu schalten

Viele Jahrzehnte galt das manuelle Getriebe als Ausweis für engagiertes Fahren. Wer sich für sportlich talentiert hielt, der schaltete selbst. Ein Thema für Stammtische und Autotreffen. Automatik war was für Weicheier, nichts für echte Männer. Zukünftige Generationen werden drüber mild lächeln, wenn sie sich überhaupt erinnern. Denn längst kann die Automatik alles besser.

Moderne Automaten mit 8, 9 oder 10 Stufen arbeiten schneller und effektiver als der Mensch. Im Getriebe zu rühren hat nur noch sentimentalen Wert. Mit dem zunehmenden Einsatz von intelligenten Assistenzsystemen kommt das endgültige Aus. Kollege Computer funktioniert nur dann optimal, wenn das Getriebe berechenbar bleibt. Der Mensch ist in diesem Fall die unberechenbare Variable. Sein manueller Eingriff wäre eine Unwägbarkeit die stört.

Also weg damit.

Immer mehr Hersteller haben das Aus für manuelle Getriebe eingeläutet. Zuletzt verkündete Daimler das Ende, die Zukunft der Schwaben schaltet nur noch automatisch.

Saab und die manuellen Getriebe

Bei Saab nahm das manuelle Getriebe eine fast mythische Stellung ein. Ein Umstand, der aber weniger an der Qualität der Schaltung lag. Im 99 und 900 war das Getriebe, das im Werk Göteborg hergestellt wurde, nicht sonderlich präzise zu schalten. Man darf es als ungenau bezeichnen, eigentlich war es eine Zumutung, die mit der steigenden Leistung der Turbomotoren überfordert war.

Zum Mythos wurde es durch die integrierte Wegfahrsperre. Eine dieser genialen Geistesblitze, den sie bei Saab hatten. War der Zündschlüssel der Mittelkonsole abgezogen, was nur möglich war, wenn der Rückwärtsgang eingelegt wurde, dann war das Getriebe blockiert. Generationen von Autodieben verfluchten Saab, Mietwagen Kunden ebenso.

Mythos Saab Getriebe mit mechanischer Wegfahrsperre bei abgezogenem Zündschlüssel - hier im Saab 99
Mythos Saab Getriebe mit mechanischer Wegfahrsperre bei abgezogenem Zündschlüssel – hier im Saab 99

Die Idee des blockierten Getriebes war einfach, effektiv und sehr Saab spezifisch. Sie wird auch in Zukunft nicht zu toppen sein. Aus dem Zündschlüssel wird das Smartphone, das auf Zeit oder permanent den Zugriff auf das Auto erlaubt. Falls der Netzbetreiber keinen Blackout hat, oder man beim Abstellen in einem Funkloch gelandet ist. Was in Deutschland auf dem Land und damit faktisch an jeder Milchkanne möglich wäre.

Richtig gut im Saab 9000

Zur Höchstform liefen die Getriebe bei Saab im 9000 auf. Dann zwar ohne mechanische Wegfahrsperre, aber robust und gut zu schalten. Ja, nicht so präzise wie es zu den glorreichen Zeiten bei Alfa Romeo oder BMW möglich war. Aber annähernd und auch heute noch macht die knochig-präzise Schaltung im 9000 Freude.

In bester Saab Tradition waren die Getriebe überdimensioniert. GM und Opel wussten das zu schätzen. Sie verwendeten völlig serienmäßige Getriebe aus Göteborg in Rallye Fahrzeugen. Mit den Jahren änderte sich das mit der Überdimension. Saab optimierte, sparte, aber gut blieb die schwedische 5-Gang Schaltung bis zum Schluss. Ein wenig Präzision büßte sie mit der Zeit im 9-5 ein, aber langlebig und zuverlässig war sie immer.

Zu mehr als 5 Gängen reichte es bei Saab nie. Nicht mit den echten Saab Getrieben, die aus Schweden kamen. Was GM später bei Saab 9-5 NG und 9-3 NG an 6-Gang Schaltungen lieferte, hatte auf dem Weg zwischen Schaltknauf und dem Getriebe Mengen an Kunststoff verbaut. Das sorgte für verminderte Präzision, Anfälligkeiten bei Temperaturwechseln und für Verdruss, wenn man auf kein optimal justiertes Teil traf.

So richtig Fahrspaß kam nur selten auf, in diesem Fall fällt der Abschied nicht schwer. Aber sonst, ja, es ist ein Einschnitt. Die Illusion ein sportlicher Fahrer zu sein, besser zu schalten als der Computer, das letzte Wort über die Technik zu haben, zukünftige Generationen werden sie nicht mehr haben.

Sie fahren optimiert und haben noch weniger Ahnung als die Generation zuvor, was die Technik treibt, sobald sie den Startknopf drücken.

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Griffin
Griffin
3 Jahre zuvor

@Volvaab Driver: Volle Zustimmung – besser kann man es nicht zusammenfassen. Auch für mich ist das “aktive” Fahren der eigentliche Genuss – und das voll- (oder auch teil-)autonome Fahrzeug eine schreckliche Vorstellung. Und was soll man mit der “gewonnenen” Zeit im Auto anfangen? Man daddelt wieder im Internet rum, was man auch auch sonst schon oft genug tut.

Volvaab Driver
Volvaab Driver
3 Jahre zuvor

Für mich ein Grund mehr, alte Autos zu mögen …

Es als Fahrer besser zu können, ist technisch längst überholt. Sich den Spaß nehmen zu lassen oder auch nicht, ist aktueller als je zuvor. Und was heißt schon Spaß?

Mir geht es schon langjährig auch darum, am Steuer nicht einzuschlafen. Es war schon mit Ende 20 so, dass mir komfortable und vertraute Autos auf leeren und bekannten Strecken bei “guten” Bedingungen quasi Schlaflieder gesungen haben.

Für jede klitzekleine Aufgabe (Tempo, Abstand, Auf- und Abblenden, Scheibenwischer regulieren und natürlich hin und wieder [am liebsten so oft wie möglich] zu schalten) bin ich echt dankbar – einfach nur, um nicht vor lauter Langeweile wegzuknacken.

Fahrspaß beginnt für mich immer erst, wenn damit auch eine gewisse Herausforderung verbunden ist. Sei es durch Wetter, Fahrbahn- oder Verkehrsverhältnisse oder einfach nur, weil die Landschaft rechts oder links der Fahrbahn für mich neu und so sehenswert ist, dass es eben zur Herausforderung wird, gleichzeitig neuen Eindrücken, Verkehr und Streckenverlauf gerecht zu werden.

Wenn ich das nicht wollte oder gar bräuchte, liefe für mich alles darauf hinaus, mehr Passagier als Fahrer zu sein. Da kommt unweigerlich die Frage auf, was Passagiere sich wirklich wünschen?

Ist das ein autonom fahrendes Auto, in dem man 6 bis 8 Stunden untätig in einem Sitz klebt?

Ich persönlich würde lieber 6 bis 8 Stunden Kohle aus einem Tender in eine Dampflok schaufeln. Oder wenigstens einen Gang oder eine Reling auf- und ablaufen.

Auf die Rolle als Passagier reduziert, brauche ich kein Auto mehr. Da nehme ich lieber die Bahn, einen Dampfer oder was immer mir mehr (Bewegungs-) Freiheit lässt, als ein kleiner Käfig, der autonom unterwegs ist und meint, alles besser zu wissen und zu können.

Das ist für mich echt ein Schreckensszenario.

P.S.
Und den Stammtischlern mit einem Faible für den Schalter muss man noch immer lassen, dass die Überlegenheit der Automaten ein relativ junges Phänomen in der Geschichte des Automobilbaus ist. Ist gar nicht so lange her, dass Automaten mit einem oder gar zwei Gängen weniger unterwegs waren und dass die Motoren Leistung in viskosen Kupplungen nutzlos verquirlt haben.
Die Fahrleistungen und Verbrauchswerte sprechen Bände.
Da kann man den (inzwischen historischen) Prospekten ausnahmsweise trauen.
Und wenn ich auch das richtig habe, dann hat es von Saab niemals einen Automaten gegeben, der einem Saab-Schalter objektiv und messbar überlegen gewesen wäre. Gleichwohl mag es gute Gründe auch für den einen oder anderen Automaten von Saab geben. Aber 8, 9 oder gar 10 Gänge an einem Getriebe mit fester Kupplung haben die ganz sicher nicht …

Christian
Christian
3 Jahre zuvor

Im Alltag, bei modernen Autos, möchte ich die Automatik nicht mehr missen – mittlerweile macht ein Schaltgebtriebe wirklich keinen Sinn mehr. Wenn ich aber Oldtimer fahre, dann bitte mit Schaltung. Diesen Spass gönne ich mir. Habe vor kurzem sogar den Zuffenhausener Automat verkauft und mir einen Münchner mit Schaltgetriebe gekauft. Mein 901 ist auch ein Schalter, allerdings technisch bestimmt kein Leckerbissen, eher ein Bissen-im-Kochtopf-rühren.

Wobei der Vergleich der früheren Automatik-Getriebe mit den heutigen Triple-16-Gang-was-weiss-ich Getriebe auch nicht mehr funktioniert. Oder will sich einer noch am Wählscheiben-Telefon mit dem Modem ins Internetz verbinden?

Gestern stand ich mit dem 33jährigen Münchner mit Schaltgetriebe im Stop-and Go Verkehr – da hatte ich nach gefühlten 2 Minuten schon Wadenkrämpfe… da habe ich gemerkt was ich für ein Weichei geworden bin und musste über mich selber lachen. Der Wackeldackel auf der Hutablage hat dies auch (ständig) bestätigt.

Alter Schwede
Alter Schwede
3 Jahre zuvor

Wer unter den erfahrenen Fahrern (um nicht ältere zu sagen) kennt die Diskussion ums Getriebe nicht?! Zum Teil sehr leidenschaftlich geführt. Ganz bewusst habe ich mich bei meinem Saisonwagen für einen Schalter entschieden. Es ist wenig präzise, aber die Gänge gehen rein und sportliches fahren kennt er gar nicht mehr. Brauch er auch nicht.

Freising86
Freising86
3 Jahre zuvor

Ja, die Zeiten ändern sich. Schade irgendwie, wenn aus der manuellen Schaltung ein Exote wird. Aber das kann man wohl nicht aufhalten. Ich mochte das immer bei Saab. Rückwärtsgang rein, Schlüssel ab, sehr speziell.

Fast eine kultische Handlung, weil es die nur bei Saab gab. Gehörte zum Coolness-Faktor der Trolle dazu.