Immer die Netten

Roman Fischer – dto, VÖ 23. 07.10

Nachtrag.

Ist er nicht putzig? Wenn irgendwann mal alles futsch ist, bleibt Roman Fischer wenigstens der Knuddelbonus, der das Verreißen der neuen Platte selbst härtesten Wutschreiberlingen schwierig machen sollte. Umgekehrt gibt es einem ein unwahrscheinliches Glückskribbeln, dieses Bündel an Kreativität mit positiven Attributen schmücken zu können. Also vorweg: Gute neue Platte, das. Hmm… ach, war das schön. Schleimspur wegputzen und weiter im Text. Dagegen hat der Presseschrieb, der mit dem Stream in mein Email-Postfach flatterte, einen genau gegenteiligen Effekt. In jenem bemüht sich Universal nämlich eifrig, den jungen Barden als Konstantin Gropper 2.0, als Zu Knyphausen The Next Generation, als „das Wunderkind der deutschen Indiemusik“ anzupreisen, das noch dazu „zurück“ ist (zurück!! Nach zwei Alben!!! Scheinbar gilt heutzutage Künstler, der mehr als ein Jahr für eine nächste Scheibe braucht, automatisch als unauffindbar verschollen). Irgendwie wirkt diese Gier nach dem ultimativen Genius in unserer Gesellschaft in dieser Form regelrecht abstoßend. Wird ein Künstler wirklich dadurch aufgewertet, dass ihm Marketingstrategien ein so Label, so eine Fangphrase (auch bekannt als Catchphrase), so einen quietschbunten Aufkleber zuweisen? Lieber Himmel, der Mann ist doch kein Fruchtjoghurt. Und zu seinem Glück auch mehr als ein Werbegag. Dankenswerterweise gehört auch das selbstbetitelte Drittwerk zu den Indizien, die diese Aussage farbenfroh untermalen, auch wenn das ganze Paket manchmal weniger niedlich sein könnte. Diese Einschätzung kann natürlich von meinen stark divergierenden Hörgewohnheiten herrühren.

Manchmal ist mir Herr Fischer aber ganz wirklich zu harmlos, seine musikalischen Experimente in Richtung Elektro nicht schräg und die in Richtung Joy Division nicht weltschmerzgeplagt genug. Das ist jedoch schon fast alles, was es zu meckern gibt. Gerade die zum Teil mutig stumpfen Beats, die mich in ihrer Redundanz an das aktuelle Album der Editors erinnern, haben doch ihren Reiz. Daneben sind es vor allem die kompromisslos sentimentalen melodischen Höhenflüge der Refrains, die mit liebenswürdig naiven Texten einen Reigen tanzen: „I go out/Into life/I see you/I see light“. Die pure Dosis Achtziger auf „We’ll never meet again“ ist gewöhnungsbedürftig, aber doch gut – ein Urteil, das ich über das cheesige „All Night All Day“ und seinen „Herzschmerz“ noch nicht wirklich abgeben kann. Ein Höhepunkt der Platte ist der atmosphärische Chor auf „Sooner or Later“, das gleichzeitig noch am stärksten an die Pianostücke vom Vorgänger „Personare“ erinnert. Wobei – stimmt eigentlich gar nicht. Der absolute Tastenexzess findet sich im Solo von „Some Other Man“, ein Song, den es absolut gebraucht hat. Dessen Text sollten sich alle Genderspießer und Goldkettengangster mit dem Butterbrotmesser fett hinter die Ohren schmieren: „And Baby/Your days are numbered now/Cause anyone who doesn’t change dies out“, säuselt Roman so provokativ freundlich jedem testosteronschwangeren Verfechter der „echten Männlichkeit“ zu, dass es einem wohlige Schauer über den Rücken laufen lässt. Beware The Nice Ones, kann man schussendlich also doch mit Fug und Recht behaupten – auch wenn das jetzt auch wieder so eine Fangphrase ist.

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