Einst hausten Wildgänse und Störche am Overkampschen Mühlenteich

Das Idyll am alten Hof Schulte-Nölle verschwindet — Kastanien und Birken müssen neuer Straße weichen

Wer gelegentlich aus anderen Stadtteilen zur Bebelstraße kommt, wird sehr erstaunt sein, wie sich dort das Landschaftsbild in den letzten zwei Jahren verändert hat. Zwischen der Shamrockstraße und der Bochumer Straße sind auf beiden Seiten der Bebelstraße große Wohnhäuser entstanden, ansprechend in ihrem Äußeren.
Früher konnte man von der Kronprinzenstraße über freies Gelände bis zur Hibernia- und Gräffstraße blicken. Heute ist das nicht mehr möglich, denn die Häuser an der Bebelstraße versperren den Blick.

Die neue Eickeler Straße

In unseren Tagen ist man dabei, parallel zur Shamrockstraße und quer zur Bebelstraße eine ganz neue Straße herzurichten, an deren westlichen Teil schon einige Häuser stehen. Sie wird Eickeler Straße heißen. Damit ist angedeutet, daß sie im Endausbau als Entlastungsstraße zur Shamrockstraße angelegt wird, also nach Eickel führt.

Schulte-Nölles Fachwerkhaus
Der östliche Teil wird in die Kronprinzenstraße einmünden, just am Südende des alten Fachwerkhauses von Schulte-Nölle, worin sich heute die Wohnungen protestantischer Geistlicher befinden. Hier am Hof Nölle gewinnt die neue Eickeler Straße Anschluss an die Bahnhofstraße.

Nur noch wenige Wochen wird dieser Hof seine idyllische Lage behalten, bis der Straßenbau durchgeführt ist. Dann werden einige der dicken Kastanien- und Birnbäume umgehauen. Hecken und sonstiges Strauchwerk wird verschwinden. Hier am Südende des Hofes sieht es dann recht kahl aus. Der nackte Giebel wird fast unmittelbar am nördlichen Bürgersteig der Eickeler Straße emporragen.

Gewiss, es ist schade um das noch dörflich anmutende Idyll, aber der Verkehr kann darauf keine Rücksicht nehmen, und so wird noch manches dörflich anmutende Fleckchen Erde in Herne modernen Erfordernissen weichen müssen. Denn der Weg Hernes zur modernen Großstadt ist nicht aufzuhalten.

Die Overkampsche Mühle
Nur ‚uralten‘ Hernern ist es bekannt, dass das östliche Ende der Eickeler Straße — vor ihrer Einmündung in die Kronprinzenstraße — dasselbe Gelände ist, wo bis zum Jahre 1915 die alte Overkampsche Mühle stand. Dies war ein langgestreckter einstöckiger Fachwerkbau, der zuletzt von dem Pächter Kilian bewohnt wurde. Wertvoll an der Mühle war das hölzerne Getriebe, woran sogar die großen Zahnräder vollständig aus Holz bestanden.
Der Mühlenbau stand mit seiner Längsachse West-Ost. Etwas seitlich, dem Ostbachbett zu, lag vor der Front (Südseite) der große Mühlenteich, der schon vor Jahrzehnten zugekippt worden ist.

Ausschnitt aus der Übersichtskarte des Landkreises Bochum, 1888, Repro Gerd Biedermann
Ausschnitt aus der Übersichtskarte des Landkreises Bochum, 1888, Repro Gerd Biedermann

Der Mühlenteich
Hier wurde der Westbach gestaut. Am Rande sei vermerkt, daß darin mancher ertrunken ist. Er war nicht sehr breit, aber ziemlich lang.
Im Spätsommer, Herbst und im Frühjahr fielen hier neben ganz seltenen Reisevögeln auch große Scharen von wilden Gänsen und Enten ein. Sogar Störche rasteten kurz auf der Reise zum Süden oder vom Süden. Frösche und anderes Getier lockte.
Damals gab es noch keinen Vogelschutz. Mancher Storch wurde abgeschossen. Längst gestorbene Alt-Herner haben berichtet, dass auch der ‚Fliegende Edelstein‘, der Eisvogel, in den Ufern des Overkampschen Mühlenteiches nistete

Dies alles mutet uns heute ein wenig seltsam an. Heute, wo die Verbundenheit mit der Natur längst gelockert ist. Dieses Tieridyll zeigt auch, dass es damals recht still um die Overkampsche Mühle war, kein Wunder, denn nur eben die Mühle, der  Overkampsche und der Nöllen Hof waren die einzigen menschlichen Anwesen weit um den Mühlenteich.

Der Text wurde von Gerd Biedermann entdeckt und für das digitale Geschichtsbuch aufbereitet.

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Quelle:

Herner Stadtanzeiger vom 12.11.1952