Die Hungerjahre 1816 und 1817 in Herne

Der Herbst des Jahres 1815 brachte eine Missernte. Es mangelte überall an genügenden Vorräten. Im Juni 1816 stiegen die Lebensmittelpreise und erreichten bald die Höhe der schlimmsten Notjahre von 1794 und 1795. Kein Korn, keine Kartoffeln, kein Gemüse war zu haben.

Die Ernteaussichten waren wiederum die ungünstigsten seit Menschengedenken. Das Frühjahr war nass, der Sommer kalt und regenreich. Im September standen noch die kümmerlichen Roggenhaufen auf den Feldern. Ein früher Frost vernichtete die wenigen Gartenfrüchte. Ein starker Schneefall verhinderte die Verbindung mit den Städten.

Der mühsame, langandauernde Transport der Lebensmittel vom Rheine her verursachte eine sprunghafte Preissteigerung. Die Not wuchs riesengroß. Das Vieh konnte wegen Futtermangels nicht weiter gehalten werden. Es wurde abgeschlachtet oder in die Wälder getrieben und seinem Schicksal überlassen. Wildwachsende Kräuter sollten zur Ernährung dienen. Der rasende Hunger trieb auf die Dauer das Volk zu Gewalttätigkeiten.

Der Oberpräsident von Vincke veranlasste, dass aus den Vorräten an Getreide, die in der Festung Wesel lagerten, unverzüglich Westfalen beliefert werden sollte.
Nun schritt auch die Regierung mit ihrer Fürsorge ein. Sie kaufte in den östlichen Provinzen und in Russland Getreide. Anstatt es durch die Nordsee, dem Rheine, der Ruhr und Lippe entlang in unsere Gegend zu bringen, verfrachtete man alles auf der Weser. Die Märkischen Bauern mußten bis Minden fahren, um das Getreide abzuholen. Diese Unklugheit hatte das Volk zu büßen.

Karte der Bürgermeisterei Herne, 1823, Repro Stadtarchiv Herne
Karte der Bürgermeisterei Herne, 1823, Repro Stadtarchiv Herne

Ein Scheffel kostete 10 Taler. Die Landgegenden wurden wenig oder gar nicht beliefert. Nach und nach ging man dazu über, auf dem Rheine, der Lippe und der Ruhr das Getreide zu befördern. Hilfsvereine sorgten für eine gerechte Verteilung.

Am 31. März 1817 tagte ein solcher Verein der Bürgermeisterei Herne in der Wirtschaft Fleigenschmidt (jetzt Stork). Sämtliche Gemeinderäte erklärten sich bereit, das Anfahren des Getreides unentgeldlich zu übernehmen. Herne wartete sehr lange vergebens.
Endlich, am 23.Juni, kam die Aufforderung, 40 Scheffel Korn in Königsteele (jetzt Essen-Steele) abzuholen. Von den 40 Scheffel erhielt Herne mit 744 Einwohnern 10 Scheffel, Baukau mit 316 Einwohnern 1 1/2 Scheffel. Den Rest bekamen die übrigen Ortschaften der Bürgermeisterei. Bald aber setzte eine erhöhte Belieferung ein. Der Herbst 1817 brachte eine günstige Ernte. Die Teuerung aber hielt an. Erst im Jahre 1823 sanken die Getreidepreise.

Der Text wurde von Gerd Biedermann entdeckt und für das digitale Geschichtsbuch aufbereitet.