Der entscheidende Augenblick

ZITAT AUS DIE HELLE KAMMER:

[In der Malerei] wurden oft Gesten dargestellt, genau im Moment der Bewegung festgehalten, in dem das normale Auge sie nicht fixieren kann […]. Fotografie kann das auch, vielleicht sogar besser: sie fotografiert einen raschen Ablauf in seinem entscheidenden Augenblick.

DER ENTSCHEIDENDE AUGENBLICK IN DER FOTOGRAFIE:

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Hinter dem Gare Saint- Lazare, Paris, 1932

Der Ausdruck „entscheidender Augenblick“ wurde nachhaltig von dem französischen Fotografen Henri Cartier-Bresson (*1908, † 2004 ) geprägt.  Cartier- Bresson meinte damit den Sekundenbruchteil, in dem der Fotograf auf den Auslöser drückt und in diesem Augenblick den Kern einer Szene einfängt. Dieser offenbarte sich ihm immer dann, wenn ohne Posen, Manipulationen und Arrangements etwas aus dem beiläufig Sichtbaren besonders hervorstach. Das konnte zum Beispiel ein flüchtiger Gesichtsausdruck sein, der auf Fotopapier gebannt dann zu einem großen Moment wurde.

Das Theorem vom entscheidenden Augenblick ist auch die Aufforderung zur Bildqualität. Laut Bresson gelinge diese nur einem scharfen Beobachter, der solche Momente abzupassen und mit seiner Kamera aus dem Leben herauszuschneiden weiß.  Ist das der Fall, so wird das Bild fast in dem gleichen Moment komponiert, in dem der Fotograf auf den Auslöser drückt. Dabei ist es notwendig, die innere Bedeutung einer Szene und ihre optisch erfassbare Formenwelt schnell zu erkennen. Inhalt und Form, Zeit und Raum gehen dabei stets Hand in Hand. Der Fotograf muss sich bei der Arbeit vollkommen dessen bewusst sein, was er tut, und intuitiv wissen, wann er den Auslöser zu drücken hat. In der Fotografie beruht die visuelle Anordnung bestimmter Bildelemente  also auf einem spontanen Empfinden.

Hyères, Frannkreich, 1932.Cartier-Bresson hat den entscheidenden Augenblick einer Szene eingefangen: ein Radfahrer rast die kurvige Straße herunter und durchbricht dabei die statische Kulisse

Hyères, Frannkreich, 1932
Cartier-Bresson hat den entscheidenden Augenblick einer Szene eingefangen: ein Radfahrer rast die kurvige Straße herunter und durchbricht dabei die statische Kulisse

Cartier- Bresson nutzte für seine Bilder ausschließlich seine unauffällige und leise Leica 35mm Kamera, die erstmalig Schnappschüsse ermöglichte, und entwickelte sich im Laufe der Zeit zum regelrechten „Meister des entscheidenden Augenblicks“. „Ich entdeckte die Leica, die zu meinem verlängerten Auge geworden ist und mich nie mehr verlässt.“ Seine Vorgehensweise beim Fotografieren beschrieb er folgendermaßen: „Man muss sich seinem Gegenstand [… ] auf Sammetpfötchen, aber mit Argusaugen nahen. Nur kein Geschiebe und Gedränge- wer angeln will, darf das Wasser vorher nicht trüben.“

Rom, 1959
„Die Fotografie ist für mich Feststellung eines bestimmten Rhythmus der Oberflächen, Konturen und Tonwerte innerhalb der Wirklichkeit.“

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Noema und Noesis

Der Ursprung des Wortes Noema  stammt von der griechischen Sprache ab und bedeutet Gedanke, Sinn, Erkenntnis- oder Denkinhalt.  Somit ist Noematik die Theorie, welche die Beziehung der Noeme sowie ihre Kombinationsmöglichkeiten untersucht.

In der Phänomenologie werden der Inhalt eines Gedanken und der Denkvorgang selbst unterschieden. Das Noema ist dementsprechend der Inhalt des Denkens, Meinens und Phantasierens und wird also von dem real existierenden Gegenstand differenziert.

Erstmalig trat der Begriff „Noema“ in der Philosophiegeschichte bei Platon auf. Er versuchte mit der Bedeutung des Begriffes den Unterschied zwischen dem bloßen Gedanken und den Ideen selbst zu verdeutlichen. Platon war nämlich der Meinung, dass die Idee nur denkend erfasst werden kann und dass dies jedoch unabhängig von dem Prozess des Denkens ist. Weiterhin gebrauchte Aristoteles den Begriff „Noema“ für die gedanklichen Elemente der Propositionen (Aussagen). Edmund Husserl erweiterte den Begriff des Noemas und führte einen neuen, den der Noesis, welches ebenfalls aus dem Griechischen kommt und „Denken“ bedeutet, mit ein. Damit ist der einzelne Denkakt, der zu einer bestimmten Zeit stattfindet, gemeint. Husserl war der Meinung, dass sich menschliche Bewusstseinsakte auf Gegenstände richten und unterschied somit zwischen dem Akt und dem in diesem Akt gesehenen Gegenstand (damit ist aber nicht eine Sache bzw. ein Ding an sich gemeint). Also ist das Noema nur ein ideelles Korrelat zum Bewusstseinsstrom und die Noesis dessen reeller Bestandteil.

Ebenfalls benutzte Roland Barthes den Begriff des Noemas in seinem Buch „Die helle Kammer“ ein als feststellte, dass die Photographie einen Moment festhält, welcher irgendwann mal in der Vergangenheit geschehen ist. Somit besteht bei der Photographie eine Verbindung aus zwei Dingen, der Realität und der Vergangenheit. Sie hält fest, was gewesen ist und bringt es mit in die Realität. Jemand hat das Photo gemacht (Vergangenheit) und jemand betrachtet es im Hier und Jetzt (Realität).

Aufgrund dieser Verbindung ist für Roland Barthes das Noema der Sinninhalt der Photographie. Er bezeichnet es als das „Unveränderliche“ und als „Es-ist-so-gewesen“ (S.87). Denn das, was die Photographie uns enthüllt bzw. was oder wer auf ihr zu sehen ist, befand sich an dem Ort, der sich gerade in diesem Moment auf dieser Photographie befindet, der Ort „zwischen der Unendlichkeit und dem wahrnehmenden Subjekt“ (S.87). Es ist da gewesen, ist aber nicht mehr gegenwärtig, wir halten nur den Beweis dessen fest, dass es da war. „Ein Noema kann nicht verdrängt werden“ (S.87), denn die Tatsache, dass etwas geschehen ist, kann nicht beeinflusst oder verändert werden.

Roland Barthes sagt auch, dass das Noema sich in einem Film auflöst, es verschwindet durch die bewegten Bilder der Aufnahmen.

Das Noema der Photographie hingegen besteht dadurch, dass sich darin niemand bewegt und dass jemand das abgebildete Subjekt leibhaftig gesehen hat. „Daher sollte man eher sagen, daß das Unnachahmliche der Photographie (ihr Noema) darin besteht, daß jemand den Referenten leibhaftig oder gar in persona gesehen hat (auch wenn es sich um Gegenstände handelt)“ (S.89). Ein Bild, auf welches sich Roland Barthes ebenfalls bezieht ist das Porträt von William Casby, das Avedon aufgenommen hat (S.45), denn nach Barthes ist das Noema in diesem Bild sehr stark und intensiv, „denn der, den ich hier sehe, ist Sklave gewesen: Er bezeugt, daß die Sklaverei Wirklichkeit gewesen ist, gar nicht so lange vor unserer Zeit; und er bezeugt es nicht durch historische Belege, sondern durch eine neue Art von Beweisen, die – obgleich es sich um Vergangenheit handelt – in gewissem Sinne experimentelle und nicht mehr nur logisch erbrachte sind: Beweis im Sinne des heiligen Thomas, der den auferstandenen Christus berühren wollte.“ (S.98-90)

Ein weiteres Beispiel, das Barthes mit einbringt, bezieht er zwar auf die Wahrnehmung, doch kann dieses verwendet werden um den Unterschied zwischen dem Noema und der Noesis verständlicher zu machen. „Der Photographische Blick hat etwas Paradoxes, dem man bisweilen auch im Leben begegnet: vor kurzem sah ich im Cafe einen jungen Mann, der seinen Augen durch den Raum schweifen ließ; ab und zu fiel sein Blick auf mich; in einem solchen Moment hatte ich die Gewissheit, dass er mich ansah, ohne indes sicher zu sein, dass er mich sah: unbegreifliche Umkehrung: wie kann man ansehen ohne zu sehen?“ (S.122). Der Vorgang des Ansehens ist somit die Noesis und das Sehen ist das Noema.

 

Quellen:

http://de.wikipedia.org/wiki/Noema_%28Ph%C3%A4nomenologie%29

http://universal_lexikon.deacademic.com/107743/Noema

http://de.wikipedia.org/wiki/Noesis

http://universal_lexikon.deacademic.com/107745/Noesis

Barthes, Roland, Die helle Kammer – Bemerkungen zur Photographie, Suhrkamp Verl., 1.Auflage, 1989.

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Sirenen

Sirenen entstammen der griechischen Mythologie und stellen geflügelte Frauen dar, die Seefahrer mit ihren Gesängen betören und in den Tod treiben.

Homer erwähnte sie erstmals in seiner Odyssee, schriftlich niedergelegt im 7. Jahrhundert vor Christus. Jedoch benannte oder beschrieb er sie nicht. Erst spätere Autoren verleiten dem Mythos einen historisches sich um geflügelt Kontext. Es heißt, dass die Sirenen Töchter des Flussgottes Achelos und der Musen Melopeme oder Terpsichore seien. Dabei handelt es sich um geflügelte Frauen mit Vogelfüßen oder um Vögel mit Frauenkörper und Frauenstimme. Sie dienten der Göttin Persephone, Göttin der Unterwelt und einziges Kind des Zeus und des Demeter. Persephone wurde von Hades in die Unterwelt entführt und die Sirenen verhinderten diese Tat nicht. Deswegen wurden sie von Demeter, der alte Göttin der Erde und der Fruchtbarkeit, bestraft und erhielten ihre Gestalt, sowie das Schicksal fortan auf eine Insel verband zu sein. Die zweite Ausführung besagt, dass sie von den Göttern ihre Flügel erhielten, um Demeter bei der Suche nach ihrer Tochter zu helfen.

Homer erwähnte nur zwei der Sirenen. Apollodor drei und Platon sogar acht. Sie leben auf der Insel Anthemoessa, vor der italienischen Küste. Der Sage nach ist der Boden weiß, gebleicht durch die weißen Knochen der verkommenen Seeleute. Dieses Schicksal erfuhren die Matrosen, wenn sie sich von den Gesängen der Sirenen betören ließen. Die Folge war, dass sie ihre Heimar, sowie das Ziel ihrer Reise vergaßen.

Nach Apollodor umfasste das Instrumentalensemble zwei Frauen, die die Dritte mit Flöte und Leier begleiteten.

Den Tod erfuhren die Sirenen durch die Argo der Argonauten. Diese kam durch eine List heil an der Insel vorbei. Orpheus, ein thrakischer Sänger, de sich den Argonauten anschloss, übertönte ihre Lieder durch die Klänge seiner Leier. Einer der Argonauten, Butes, vernahm jedoch trotzdem etwas von den Gesängen und schwamm zu der Insel rüber. Er wurde jedoch von Aphrodite, der Göttin der Liebe gerettet. Auch Odysseus, der König von Itaka, blieb verschont. Er befolgte den Rat der Zauberin Kirke und füllt die Ohren seiner Männer mit Wachs. Er ließ sich an den Mast des Schiffes fesseln und hörte wie die Sirenen von der Macht sangen die Zukunft voraus sagen zu können. Nach späteren Äußerungen begannen die Sirenen nach diese Niederlage Selbstmord indem sie sich im Meer ertränkten.

Im Allgemeinen dienen Mythen der Vermittlung von Bedeutung. Der Zweck, der hinter ihren Erzählungen steckt, geht weit über Unterhaltung und Ablenkung hinaus und schlägt eher eine erzieherische Wirkung ein. Ein Mythos ist vielmehr eine angewandt Erzählung, der einen komplexen Sachverhalt verständlich machen soll. Der Sinngehalt ist dabei nicht nebensächlich, sondern ein Impuls aus dem Charakter und Handlung entwickelt werden. Besonders griechische Mythen sind Ausdruck einer intensiven Auseinandersetzung mit der Umwelt und all ihren Erweiterungen, wo das Denken in die Anschauung erzählter Geschichten verlagert wird.

Eine genaue Definition des Mythos besteht jedoch nicht. Gemeinsam haben sie nur, dass sie versuchen das Verhältnis von Menschen und Göttern verständlicher zum machen. Eine genaue Analyse erfordert eine intensive Auseinandersetzung mit allen Mythen und wie diese aufeinander wirken und miteinander verbunden sind.

Erkenntnise und Gedanken des Roland Barthes bezüglich der Sirenen

Roland Barthes vergleicht den Mythos der Sirenen mit dem Wesen der Photographie. Er sagt: „so besteht das Wesen des Bildes darin, ganz außen zu sein, ohne Intimität, und dennoch unzugänglicher und rätselhafter als die innere Vorstellung; ohne Bedeutung; doch zugleich eine Herausforderung der Unergründlichkeit jeden möglichen Sinns; verborgen und doch offenbar, von jener Anwesenheit – Abwesenheit, die die Verlockung und Faszination der Sirenen ausmacht.“ (S.117)

Doch was will er damit sagen? Die Sirenen überliefert aus dem Mythos, kennt man nicht. Man weiß dass sie schön sein sollen, dass ihre Gesänge himmlisch klingen müssen und doch kennt niemand die Wahrheit. Denn es soll auch niemand lebend von der Insel zurück gekehrt sein sollen, der hätte etwas über die Sirenen berichten können.

Man weiß nicht warum sich die Sirenen auf jener Insel befanden genauso wie man nicht weiß was diese Sirenen wirklich sind!

Auf einer Photographie ist es ähnlich. Wir sehen etwas auf ihr, eine Person. Wir können diese Person betrachten und analysieren. Wir können die abgebildete Person als schön bezeichnen und etwas über ihr Abbild erzählen doch niemand kann ihr wahres Wesen greifen. Denn die Person ist nicht gegenwärtig. Wir können das Wesen der Photographie nicht greifen. Weil es vergangen ist. „Es ist so gewesen…“

Doch warum vergleicht Roland Barthes das Wesen der Photographie mit einer Sage?

Blanchot sagte einst über die Sage: „ sie sind das faszinierende Erlebnisbild zwar in einem bestimmten Augenblick gegenwärtig, ohne das jedoch diese Gegenwärtigkeit irgendeiner Gegenwart angehörte.“

Die Aufnahme einer Photographie gehörte ebenso einst einer Gegenwart an. Eine Gegenwart die für den heutigen Betrachter nicht mehr greifbar ist weil sie vergangen ist. Wir können in die vergangene Gegenwart nicht mehr eingreifen, sind an das Hier und Jetzt gebunden. Dabei ist die Abwesenheit, dass die abgebildete Person nicht mehr gegenwärtig ist, das Punktum. Die Faszination liegt im Punktum, wie bei der Sage der Sirenen, die nur Schein waren oder sind, anstatt Sein.

Literatur:

Tipp, Edward. „ Reclams Lexikon der antiken Mythologie“. Stuttgart: Reclam, 1974,1991.

Junker, Klaus. „Griechische Mythenbilder – Eine Einführung in ihre Interpretation“. Stuttgart: J.B. Metzler, 2005.

Barthes, Roland: Die helle Kammer. Bemerkungen zur Photographie. Frankfurt am Main: Suhrkamp 2008.

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Das lebende Bild – Tableaux vivants

Bei einem Lebenden Bild werden Gemälde, Plastiken (Bildhauerei), Statuen oder eigens gestaltete Entwürfe durch lebende Personen nachgebildet. Lebende Bilder gibt es seit 1760 in Frankreich als Elemente von Theaterstücken. Die Figuren sind dabei für einige Augenblicke starr/ohne Bewegung – also unlebendig im lebendigen Bild. Das Vorbild muss dabei bekannt sein, damit das nachgestellte Bild erkannt wird.

Um die Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert wurden Lebende Bilder als spielerische Unterhaltungsform, wie beispielsweise bei Balletteinlagen oder als Gesellschaftsspiel, aufgeführt. Goethe beschäftigte sich schon zu Beginn des 19. Jahrhunderts mit dem Begriff des Tableaux Vivants. Hierbei sagt er über die Entwicklung: „[…]tableaux: die Nachbildung eines gemalten Bildes durch wirkliche Personen. Sie fingen in Klöstern, bei Krippchen, Hirten und Drei-Königen an und wurden zuletzt ein gleichfalls für sich bestehender Kunstzweig, der manchen Liebhaber reizt und beschäftigt, auch sich einzeln schon auf dem Theater verbreitet hat […]“.  Das Lebende Bild war Bestandteil vieler Feste, die Goethe am Weimarer Hof arrangierte, und war zu dieser Zeit besonders beliebt.

Ab Mitte des 19. Jahrhunderts waren Tableaux Vivants auch in dem neuen Medium der Fotografie vertreten. Wohlhabende Bürger ließen sich hierbei als historische Nachbildungen fotografieren. Außerhalb des Theaters sind Lebende Statuen, häufig Straßenkünstler,  eine moderne Art der lebenden Bilder. Diese verharren oft ungewöhnlich lange in einer regungslosen Pose.

In der Fotografie wird der Begriff des Lebenden Bildes für eine gestellt wirkende, besonders symbolhafte Komposition verwendet, die an Historienmalerei erinnert. Laut dem Buch Tableaux vivants ist das Lebende Bild „ein Spiel mit den Grenzwerten, zwischen Schein und Wirklichkeit, Idee und Fleisch, zwischen bildender Kunst und dem Theatralen.“
Nach Barthes zeigen Theaterschauspieler, indem sie die Rolle eines Toten spielen, gleichzeitig etwas Lebendiges und etwas Totes – ebenso wie die Fotografie, die an sich etwas Lebloses ist, jedoch einen lebenden Menschen zeigt. Barthes vergleicht die Fotografie mit dem Theater, insbesondere mit dem Lebenden Bild. Die bildliche Darstellung des geschminkten Gesichtes kann als Metapher für das Foto gesehen werden, da dieses inszeniert ist und ebenso wenig der Realität entspricht, wie das geschminkte Gesicht.

 

Quellen:

Hrsg.: Folie, Sabine und Michael Glasmeier (2002) Tableaux vivants – Lebende Bilder und Attitüden in Fotografie, Film und Video. Wien: Kunsthalle

Ulfig, Alexander (1997) Lexikon der philosophischen Begriffe. (1. Auflage). Wiesbaden: Fourier

http://de.wikipedia.org/wiki/Tableaux_vivants

http://www.iaslonline.lmu.de/index.php?vorgang_id=2097

Sophie Blumberg, Julia Haller

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Nullpunkt

Der Nullpunkt bildet den Ausgangspunkt für alle gemessenen Werte. Er teilt dabei die reellen Werte einer Skala in positiv und negativ ein.

Außerdem gibt es noch den Begriff des literarischen Nullpunkts, der nach dem zweiten Weltkrieg aufkam. Die reale Welt bestand zu diesem Zeitpunkt aus Trümmern und Ruinen, dort entstand die sogenannte Trümmer- und Heimkehrerliteratur, sowie die Literatur des Kahlschlags. Weder ertrug man die harte Realtiät, noch brachte man es fertig in dieser Zeit über schöne Dinge zu schreiben – die Welt befand sich in einem tiefen Schockzustand.

Die Forderung nach einem Nullpunkt stammte von der damals jungen Generation (der 25-40 – Jährigen), die sich in der Gruppe 47 zusammenschlossen. Sie wollten mit ihrer Literatur nicht an die Weimarer Zeit anknüpfen, da sie kaum Erinnerungen an diese hatten.

Es gab zwar ein Aufkeimen von Demokratie in Deutschland, aber keine Neuerungen in der Kunst. Daher forderte man neben dem Nullpunkt auch eine „neue Sprache“.

Roland Barthes beschäftigt sich in seinem Werk „Am Nullpunkt der Literatur“ 1954 mit diesem Thema. In seinem Buch nimmt Barthes Bezug auf Sadres Werk „Was ist Literatur?“.

Quellen:

http://www.jg-eberhardt.de/lit_nachkr.html
http://www.uni-due.de/literaturwissenschaft-aktiv/nullpunkt/start.htm
http://de.wikipedia.org/wiki/Am_Nullpunkt_der_Literatur
http://de.wikipedia.org/wiki/Nullpunkt

Lynn Schmidt, Kirsten Stünkel

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Metaphysik

Meta“ kommt aus dem altgriechischen und bedeutet „dahinter, hinter, nach jenseits“, die „physika“ dagegen bezeichnet die „Natur“. Nimmt man beide Bedeutungen zusammen, bezeichnet die Metaphysik, das nach der Natur liegende oder mit anderen Worte, das Materielle das jenseits oder außerhalb liegt.

Sie wird häufig auch als Urwissenschaft bezeichnet und ist die Grunddisziplin der Philosophie. Die Metaphysik behandelt dabei insbesondere die ‚letzte Fragen alles Philosophierens‘ und steht dabei über allen anderen Philosophiediskursen.

 

Das Ziel dieser Wissenschaft ist die Erkenntnis der Grundstruktur und Prinzipien der Wirklichkeit. Klassische metaphysische Grundfragen sind dabei, „Warum ist überhaupt Seiendes und nicht vielmehr Nichts?“ oder „Was ist das Sein des Seienden?“, welche zur Ontologie führt, der Lehre vom Sein. Diese Disziplin stellt ein Teil der Metaphysik dar, der allgemeinen Metaphysik, welche sich mit der Seienden im allgemeinen und das Verhältnis vom Sein und Seienden beschäftigt.

 

Ihren Ursprung hat die Metaphysik dabei bei Aristoteles (1. Jh. vor Chr.), als Titel einer Buchrolle, die sich mit der ersten Philosophie beschäftigt, jedoch ist hier das Zusammenkommen des Titel umstritten, da er auch nachträglich hinzugefügt werden konnte. Bei Platon bildet die Idee (idea) der Mittelpunkt, welches er als Form (eidos) oder das Wesen (uisa) ansieht, da allen Gegenständen und Handlungen bleibt.

 

Hier bildet sich ein Verbindung zu Roland Barthes, der das Wesen, das Gleichbleibende der Photographie sucht. Doch diesem Wesen kann man sich nur mit Fragen annähern, auf die Barthes keine endgültigen Antworten findet. Im Zusammenhang mit der Metaphysik erwähnt er noch den französischen Schriftsteller Flaubert und dessen unvollendeter Roman Bouvard und Péchet, wessen Protagonisten auch ständig auf der Suche nach intellektueller Anregung sind, doch jedes Projekt, dass sie anfangen scheitert. Barthes scheitert zwar nicht unbedingt daran das Wesen der Photographie zu beschreiben, er findet die richtigen Fragen. Doch er stellt selbst fest, dass „(die Antworten […] das Komplizierte daran (sind)): wahrscheinlich die wahre Metaphysik.“ ist. (Barthes, Die helle Kammer S.95)

 

Quellen:
Hg. Peter Prechtl, Philosophie, Metzler Kompakt

Manferd Buhr, Alfred Kosing, Kleines Wörterbuch der Marxistischen-Leninistischen Philosophie, Dietz Verlag

Hg. Jochim Ritter, Karlfried Gründer Historische Wörterbuch der Philosophie

http://de.wikipedia.org/wiki/Bouvard_und_P%C3%A9cuchet

 

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EVIDENZ

Der Begriff EVIDENZ (von lateinisch: evidentia = Veranschaulichung) beschreibt zum Beispiel in der Philosophie die Augenscheinlichkeit, im betriebswirtschaftlichen Rahmen die Herleitung und Darstellung eines Lagerbestandes und in der Rhetorik eine Figur. Für die Annäherung an die Verwendung des Begriffs EVIDENZ von Roland Barthes in „Die helle Kammer“ ist die philosphische Definition am hilfreichsten. Hier beschreibt die EVIDENZ die höchste Gewissheit eines Sachverhalts, also die Klarheit des Sachverhalts, die ohne vorherige methodische Aneignung deutlich ist.

Nach Barthes ließe sich eine Fotografie nicht ergründen, weil ihre EVIDENZ so mächtig sei. In der Fotografie gäbe sich der Gegenstand als sich selbst zu erkennen und sein Anblick sei gewiss. Gewiss, weil egal wie lange Barthes sich eine Fotografie anschaue, sie teile ihm nichts mit. Nichts als „es-ist-so-gewesen“ sei an der Fotografie festzustellen. Anders als zum Beispiel bei Texten, die einem das Objekt undeutlich präsentieren und dadurch interpretierbar, hinterfragbar sind, bietet die Fotografie nach Barthes nur den Modus der EVIDENZ.

Während Barthes die EVIDENZ einer Fotografie im Zusammenhang der Darstellung von Gegenständen relativ kalt lässt – „Die Photographie einer Flasche, …, beansprucht nur die Wirklichkeit.“ (Barthes, Kammer) – geht er der EVIDENZ im Zusammenhang der Darstellung von (geliebten) Menschen weiter nach. Da die Fotografie eines Menschen dessen Existenz beglaubige, möchte Barthes diesen in ihr als Ganzes, also in seinem Wesen wiederfinden. Aber auch in diesem Versuch antworte die Fotografie wieder nur mit ihrer EVIDENZ (es-ist-so-gewesen). Als er jedoch auf einer Fotografie seiner Mutter ihr ihm in Erinnerung verbliebenes Wesen wiedererkennt, überträgt er den Begriff der EVIDENZ auch auf dieses. So erhält die EVIDENZ an dieser Stelle eine Art doppelte Bedeutung. Einmal auf der Ebene des „es-ist-so-gewesen“ und auf der Ebene des „So, ja, so, und weiter nichts“(Barthes, Kammer) (im Sinne des Wesens).

Quellen:
Barthes, Roland, Die helle Kammer, Suhrkamp, 1989, 1. Auflage
Das moderne Fremdwörterlexikon, OSNABUCH Verlagsgesellschaft Krätzig mbH, Perlen Verlag München
DUDEN, Das große Fremdwörterbuch: Herkunft und Bedeutung der Fremdwörter, 2. Auflage, Mannheim; Leipzig; Wien; Zürich: Dudenverlag, 2000
http://de.wikipedia.org/wiki/Evidenz (29. Januar 2013)

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Ähnlichkeit

Ähnlichkeit beschreibt traditionell die Übereinstimmung zweier Dinge, Systeme oder Ereignisse in einigen, aber nicht allen Merkmalen. Eine Beziehung zwischen Dingen, Gegenständen, Systemen und Prozessen, die in der Übereinstimmung von Eigenschaften zum Ausdruck kommt. Ähnlichkeit bedeutet immer eine dialektische Einheit von Gleichheit in bestimmten Merkmalen und Verschiedenheit in anderen Merkmalen. Es ist eine Beziehung, der eine bestimmte Transformation zugrunde liegt, durch die es möglich ist, das eine Ding, das eine System, den anderen Prozess überzuführen, wobei dabei bestimmte wesentliche Größen invariant bleiben.

Ürsprünglich tauchte der Begriff in der Geometrie auf. Ähnlichkeit bezeichnet in der euklidischen Geometrie die geometrische Verwandschaft d.h. die Übereinstimmung der Gestalt geometrischer Figuren, die durch Proportionalität einander entsprechender Strecken gegeben ist.

Des weiteren spielt der Begriff eine wichtige Rolle im Erkenntnissprozess, da sie das Vergleichen, Klassifizieren und Wiedererkennen ermöglicht. Der Schritt vom Erkannten in Richtung auf das noch Unerkannte ist nur möglich, wenn zwischen beiden etwas liegt, was dem Erkannten ähnlich und somit bereits zum teil erkannt ist. Dabei setzt man sich mit den Fragen auseinander: „Ob ähnliches nur durch ähnliches erkannt werden kann?“ oder „Warum Dinge sich ähneln?“

Eine besondere Form der Ähnlichkeit ist die Analogie.

Analogie beschreibt: Die Entsprechung, Ähnlichkeit, Übereinstimmung verschiedener Objekte in bestimmten Merkmalen. Mehrere Gegenstände werden in Hinsicht auf eine Übereinstimmung untersucht. In der objektiven Realität existierenden Analogien haben große Bedeutung für den Erkenntnissprozess, da sie oft auf Regelmäßigkeiten hindeuten, die wichtig zum Erkennen von Gesetzmäßigkeiten sind. Dabei werden ähnliche Strukturen oder Sachverhalte in einen Zusammenhang gestellt.
Analogie in der objektiven Realität sind die Grundlage für den Analogieschluss. Dabei wird vorab ein Problem aus einem anderen Blickwinkel betrachtet und dann bearbeitet. In der modernen Wissenschaft spielt die Analogie verschiedener Systeme in Bezug auf Struktur und Funktion eine große Rolle, derade diese Analogie ist die objektive Grundlage für die Bildung von Modellen, welche unsere Erkenntniss über die objektive Realität vertiefen und neue Möglichkeiten der praktischen Beherschung natürlicher und gesellschaftlicher Systeme erschließen.

Erkenntnisse und Gedanken des Roland Barthes bezüglich der Ähnlichkeit

Als Kernaussage ist festzuhalten, dass die Ähnlichkeit bei Roland Barthes ein Gefühl von Schmerz erzeugt. Während der Betrachtung kann man, zum Beispiel bei einer unbekannten Person, die Umrisse einer Wahrheit erkennen, was vergleichbar mit der Proportionalität der geometrischen Figur ist. Dabei ist es zu beachten, dass es sich hier nicht um äußere Ähnlichkeiten handelt, sondern um die Wesenszüge einer Person, die einen an eine Andere erinnern lassen.

Ähnlichkeit ist somit eine Übereinstimmung mit einer Identität, also nie mit der Person, die sie darstellt. Diese Übereinstimmung ist immer mit einem nötigen Wissen über die bekannte Person verbunden. Wobei Barthes diese Notwenigkeit hinterfragt, da vollständiges Wissen über das Wesen eines Menschen nie gegeben sein kann.

Seine Intention ist es sich dem Wesens der Fotografie anzunähern, mittels des Begriffes der Ähnlichkeit, den er auch mit seiner Aussage über das „in-sich-selbst“ vergleicht. Seine Erwartung an die Fotografie, ist es ihr Wesen zu entdecken. An einen unbekannten Menschen auf einem Bild hat er ebenfalls diese Erwartungen, da er einer anderen Person ähnelt. Barthes nährt sich somit der Definition des Wesens an, jedoch entgleitet ihm seine Annäherung zugleich und wieder bleibt nur ein Begriff über, der lediglich seinen Weg zur Fotografie, aber nie das Ziel beschreibt. Gefühle des Schmerzes, der Grausamkeit, der Traurigkeit und Enttäuschung bleiben bei Barthes übrig. Mit der Aussage, dass es sich bei den Menschen lediglich um Kopien handelt, völlig identitätslos, schließt er das Kapitel ab.

Literatur:

Klaus, Georg: philosophisches Wörterbuch 1. A bis Kybernetik. 12. Aufl. Leipzig: Bibliogr. Inst. 1976.

Kosing, Alfred: Wörterbuch der marxistisch – leninistischen Philosophie. Berlin: Dietz 1985.

Schmidt, Heinrich; Schischkoff, Georgie: Philosophisches Wörterbuch. 22.Aufl. Stuttgart: Kröner 1991.

Barthes, Roland: Die helle Kammer. Bemerkungen zur Photographie. Frankfurt am Main: Suhrkamp 2008.

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Stummer Schrei

allgemeine (getrennte) Begriffsklärung:

stumm
Herkunft: urspr. für „sprachlich gehemmt“, bildete sich über mhd. stum(p), ahd. stum(b) aus einem Vorläufer des Verbs „stemmen“ mit der Bedeutung „Einhalt tun, zum Stehen bringen, hemmen“ heraus
Bedeutung: keine Laute von sich geben könnend, nicht sprechend

Schrei
Herkunft:  mhd. Schrin → ahd. Scrian →  auf westgerm. skreia- „schreien“ zurück Funktion der Stimme, die sich durch eine hohe Lautstärke und meist durch starke Emotionalität auszeichnet.
unterschiedliche Arten des Schreiens, die sich in Stärke und Intonation unterscheiden:

  • erste kommunikative Lautäußerung eines neugeborenen Menschen
  • Ausdruck von Unmut, Unbehaglichkeit, Hunger, Angst oder Schmerz
  • Dominanz (Bsp. militärisches Training), Einschüchterung oder auch Verteidigung
  • Freudenschrei nach z.B. sportlichem Erfolg

Bedeutungen: 

  • einen plötzlichen, lauten Ruf ausstoßen (zum Beispiel Schmerzensschrei)
  • mit lauter Stimme äußern
  • übertragen: nach etwas verlangen (zum Beispiel Aufmerksamkeit)

Der stumme Schrei ist ein Oxymoron.
Oxymoron: rhetorische Figur: zwei gegensätzliche, einander (scheinbar) widersprechende oder sich gegenseitig ausschließende Begriffe

Definition ’stummer Schrei‘ im Sinne Roland Barthes (S. 62 ff.):

  • undefinierbare, durchdringende Wirkung; innerliche Regung und Unruhe,
    „Sie ist durchdringend und landet dennoch in einer unbestimmten Zone meines Ichs; […]“
  • Barthes beschreibt Wirkung mit gegensätzlichen Adjektiven (Oxymoron)
  • ’schneidend – gedämpft‘
  • das Unvermögen zu sagen, warum es besticht, fesselt; als ob es auf der Zunge läge, doch es bleibt unaussprechbar, man ist zunächst gelähmt, verwirrt und verliert sich in Grübelei

Erkenntnis und Gedanken Roland Barthes:
seltsamer Widerspruch → dahintreibender (langsam) Blitz (schnell)
Es ist da, und doch nicht; eine Verzögerung des Erkennens.

Wie also kann man das punctum dennoch ausfindig machen? Als Beispiel führt er als seine Lösung die Erinnerung an seine Tante an, die wohl die gleiche Kette trug, wie eine Frau auf dem Foto ‚Die Spangenschuhe‘ von James Van der Zee. Jedoch dachte er zunächst es seien die Spangenschuhe, die ihn bestechen. Diese im Nachhinein gewesene Offenbarung, war möglich, da sich beim erneuten Denken an das Foto die Erinnerung an die Tante und also das wahre punctum verknüpften.

Um ein Foto genau betrachten zu können, braucht man eine angemessene Haltung:
Kopf heben/ Augen schließen, physiologischer Einsatz, sich um den Zustand der Stille bemühen, ein Ausblenden der äußeren Umstände, Konzentration auf das Wesentliche mit dem ganzen Körper; im inneren und äußeren Ruhezustand rührt das Foto automatisch an, aber Möglichkeit, dass dieses Anrühren einem erst verspätet widerfährt (Latenz)

Zitate aus Roland Barthes „Die helle Kammer“:

„Die Photographie muss still sein[…]“
„Die absolute Subjektivität erreicht man nur im Zustand der Stille“
„[…] Das Photo rührt mich an, wenn ich es aus seinem üblichen Blabla entferne: Technik, Realität, Reportage, Kunst und so weiter.: nichts sagen, die Augen schließen, das Detail von allein ins affektive Bewusstsein aufsteigen lassen. […]“

Fazit:
Undefinierbare, aber durchdringende Wirkung des Photos auf das Unterbewusstsein des Betrachters ist der stumme Schrei. Man kann es zunächst nicht benennen und ist gehemmt. Wenn man jedoch die Ruhe zulässt, spricht das Photo und man erkennt das punctum mit der Zeit, auch erst in späterer Erinnerung, durch die absolute Subjektivität.

Beispiele „Stummer Schrei“ aus
Barthes, Roland: Die helle Kammer. Bemerkungen zur Photographie. Suhrkamp 2008
Seite 64 Foto ‚Robert Mapplethorpe, Phil Glass und Bob Wilson (1976)‘
Seite 54 Foto ‚James van der Zee; Familienporträt „Die Spangenschuhe“ (1926)‘

Quellen:
Barthes, Roland: Die helle Kammer. Bemerkungen zur Photographie. Frankfurt am Main: Suhrkamp 2008. (S. 62 ff.)

Online Enzyklopädie http://www.enzyklo.de/Begriff/stumm (zugegriffen am 04.12.12)

wissen.de – (zugegriffen am 04.12.12)
http://www.wissen.de/wortherkunft/stummhttp://www.wissen.de/wortherkunft/schrei

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Schock

Ausgehend vom Französischen bezeichnet das Nomen „choc“ grundsätzlich einen Stoß oder eine Erschütterung. Einen weiten Bogen über zahlreiche Gebiete des Lebens spannend, ist dieser Begriff unterschiedlich anwendbar. Ob in der Medizin als lebensbedrohlicher Zustand aufgrund einer ungenügenden Sauerstoffversorgung bestimmter Organe oder als altertümlicher Begriff für die Anzahl 60; Relevanz wird an dieser Stelle ausschließlich dem Schock im Medienbereich zuteil.

Sich zunächst auf die Medizin beziehend, definiert sich der Begriff Schock als ein akuter körperlicher und seelischer Störungszustand. Prinzipiell kann ein solcher durch etwas unerwartetes, sehr unangenehmes ausgelöst werden; als Hauptursache gelten heftige äußere Einwirkungen wie Unfälle, Verwundungen oder Schrecksituationen. Ein Schock kann weiterhin einen Zustand hervorrufen, innerhalb dessen sich ein Wesen im Vergleich zu seiner natürlichen Umgebung vollkommen andersartig verhält. Die aus dem besonderen Zustand resultierende Reaktion bezieht sich darauf, einen Schock zu bekommen beziehungsweise unter Schock zu  stehen. Medizinisch betrachtet reagiert das Nervensystem bei solch heftigen Einwirkungen lediglich durch die zentrale Versorgung, die ebenso das Herz und große Blutgefäße unterhält. Äußerlich erkennbar ist diese spezielle Situation an einer möglichen Veränderung der Atmung, des Pulses und des Bewusstseins. Traumatische und seelische Auswirkungen auf den Körper resultieren nicht selten als eine Folge des Schock-Zustandes, der von dem Grad der psychischen Wirkung abhängig ist.

Auf gänzlich anderer Ebene beschreibt Walter Bejnamin gebunden an den Film die Chockwirkung als die Unterbrechung des Assoziationsvorganges, dem der Mensch während eines solchen ausgesetzt ist. Die rasanten Bildfolgen verwehren dem Zuschauer, sich auf individuelle Assoziationen einzulassen, denn auf eine bestimmte Situation folgt direkt die nächste. Auf diese Weise wird das tradierte Wahrnehmungsmuster durch den Chock außer Kraft gesetzt.

Während der Chock bei Benjamin die individuelle Wahrnehmung hemmt, schreibt Roland Barthes ihm auf dem Gebiet der Fotografie konträr die Eigenschaft zu, etwas Befremdendes darzustellen, dass des Betrachters Aufmerksamkeit auf sich zieht, ohne ihm direkt zu offenbaren welche Bedeutung dieses impliziert.

Barthes geht davon aus, dass der Mensch gegen viele Schockeffekte  grauenvoller Bilder immun geworden ist, weil sie nahezu überkonstruiert erscheinen: „Man hat für uns gezittert, hat für uns nachgedacht, hat an unserer Statt geurteilt. Der Fotograf hat uns nichts weiter gelassen als das Recht geistiger Zustimmung.“ (Barthes, 2012; S. 137) Doch mit geistiger Zustimmung begnügt sich Barthes in diesem Zusammenhang nicht.  Der Betrachter selbst soll sich eigene Gedanken zu dem Gesehenen machen und auch möglicherweise das Abgebildete in Frage stellen. Er soll sich intensiv mit der Fotografie auseinandersetzen und sie nicht ausschließlich betrachten.

Gebunden an diese Forderung schreibt Barthes dem Fotografen die  Fähigkeit zu, eben solche Fotografien herstellen zu können. Mithilfe des kleinen Lochs im Gehäuse der Kamera ist die Überraschung auf der Seite des Fotografen, sodass der Akt des Fotografierens ohne das Wissen des fotografierten Subjekts ausgeführt werden kann. Als Resultat entstehen Fotos, die auf dem Prinzip des Schocks basieren, denn dieser steht in enger Verbindung mit der Überraschung. Ziel ist es, das zu enthüllen, was bisher gut verborgen war und es auf diese Art und Weise sichtbar zu machen; der Schock wird von Barthes als Enthüllungswerkzeug beschrieben.

Herausfordernd gestaltet sich dabei allerdings die Überraschungen zu erzeugen, denn der Fotograf sieht sich damit konfrontiert, den Gesetzen der Möglichkeiten zu trotzen. Die wichtigste Bedingung ist, dass das Foto selbst interessant und einzigartig ist; es überrascht nur, wenn es sich selbst nicht bei der ersten Betrachtung preisgibt. Nur wenn der Mensch dazu angehalten ist, über das Gesehene nachzudenken, hat es ihn überrascht, sodass eine Assoziation mit dem Schock möglich ist.

Literatur:

Benjamin, Walter: Kleine Geschichte der Photographie. In: Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit: drei Studien zur Kunstsoziologie. Frankfurt am Main: Suhrkamp, 1977. S. 47 – 64.

Barthes, Roland: Die helle Kammer. Bemerkungen zur Photographie. Frankfurt am Main: Suhrkamp, 2008.

Barthes, Roland: Schockphotos. In: Mythen des Alltags. Berlin: Suhrkamp, 2012. S. 135 – 139.

Duden: Schock. URL: http://www.duden.de/suchen/dudenonline/Schock. (abgerufen am 23. November 2013)

Lexikon der Filmbegriffe: Schockbild. URL: http://filmlexikon.uni-kiel.de/index.php?action=lexikon&tag=det&id=7453. (abgerufen am 24. November 2012)

Lexikon der Filmbegriffe: Schock-Effekt. URL: http://filmlexikon.uni-kiel.de/index.php?action=lexikon&tag=det&id=6143. (abgerufen am 25. November 2012)

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