Und nun? TU München will bis 2020 nur noch in Englisch unterrichten

Als Dozent zuckte ich neulich, als ich las: Bis 2020 will die TU München meine Muttersprache Deutsch als Unterrichtssprache im Master-Studium zurückdrängen. Die Technische Universität München (TUM) will bis zum Jahr 2020 nahezu vollständig auf Englisch unterrichten.

Als Grund nennt die TUM den internationalen Wettbewerb unter den Universitäten. Die Internationalisierung in den Ingenieur-, Naturwissenschafts- und Wirtschaftsberufen sei eindeutig erkennbar und hier müsse die TUM mithalten. Außerdem soll München internationaler werden, zum einen durch ausländische Studenten, zum anderen durch ausländisches Lehrpersonal.

Ich kann diese Argumente nachvollziehen, sehe aber auch, dass die Englischkurse an den Hochschulen jetzt schon komplett überbelegt sind. Auch wenn der Student während seines Bachelors Englisch lernen will, hat er nur bedingt eine Chance. Die Kurse sind zu voll und das Studium nicht gerade so locker. Und wir reden jetzt nicht von dem Standard How are you-Englisch.

Aber dieses Problem könnte durch mehr Geld gelöst werden, wenn die Verantwortlichen es wirklich wollen. Sie wissen schon, Bildungsland Bayern und so. Die andere Frage ist doch: Muss ich Vorlesungen auf Englisch anbieten bzw anhören? Und warum muss es Englisch sein? Ich schaute neulich bei Theolegen herein, die sprechen wunderbar Latein und in ihrem Wissenschaftszweig verstehen sich Theologen weltweit untereinander. Warum muss es Englisch sein?

Wie wäre es denn mit der künftigen Weltsprache Chinesisch? Dazu eine aufschlussreiche Episode. Ich war auf einem internationalen Kongress in den USA mit Konferenzsprache Englisch. Irgendwann ging ein Chinese ans Mikro und sprach in Manadrin oder so. Darauf unterbrach ihn der Konferenzleiter und stellte klar, dass die Konferenzsprache Englisch sei. Darauf der Chinese im besten Oxford-Englisch: Es sei an der Zeit, die Sprache der künftigen Herren zu lernen.

Aber warum habe ich eigentlich gezuckt, als ich von der Idee der TUM hörte? Bin ich schon eingerostet, dass ich mich in einer deutschen Nische in einer globalisierten Welt sehne. Hab ich Angst, dass ich mich in Englisch vielleicht nicht so präzise ausdrücken kann, wie in meiner Heimatsprache? Oder bin ich einfach nur zu faul, neu zu lernen?

 

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8 Antworten to “Und nun? TU München will bis 2020 nur noch in Englisch unterrichten”

  1. Tanja Says:

    Bei der Bewerbung fordert die TUM schon jetzt für viele Studiengänge Englischnachweise um sicher zu gehen, dass die Vorlesungen für die Studenten machbar sind. Ich finde die Idee gut und bezweifel auch, dass sich chinesisch durchsetzt in nächster Zukunft.

    Während meines Bachelorstudiums hatte ich schon Vorlesungen auf Englisch (nach 9 Jahren Schulenglisch) und es hat wunderbar funktioniert. Am Anfang habe ich etwas gebraucht rein zu kommen, aber dafür sind meine sprachlichen Kenntnisse wesentlich besser geworden dadurch. Und der Master am der TUM wird so vielleicht eine Art Auslandsaufenthalt für alle, die nicht im englischsprachigen Ausland waren. Mir gefällt’s!

  2. Lucas Says:

    Ich sehe das kritisch, eine deutsche Uni kann gerne offen für ausländische Studenten sein und auch englische Vorlesungen anbieten, allerdings finde ich, dass sie hauptsächlich den deutschen Markt bedienen soll. Ein jeder Mensch wird seine Ideen besonders gut in seiner Muttersprache formulieren können und deshalb auch in dieser am uneingeschränktesten kreativ sein. Englisch kann man lernen, sollte man heutzutage auch unbedingt, aber um auf einer Fremdsprache das gleiche Verständnis zu erlangen, ist viel Arbeit nötig.

    Nichtsdestotrotz spricht ja auch nichts gegen einen ergebnisoffenen Feldversuch an der TUM.

    • Tanja Says:

      Aber du musst bedenken, dass gerade auch in der Wissenschaft der internationale Austausch steigt. Gut auf deutsch zu formulieren lerne ich in der Schule – aber Wissenschaft wird jetzt auch global gemacht!

    • lcsksr Says:

      Meine Vorlesungen und Seminare sind zwar auf Deutsch, die meisten Lesetexte sind aber in Englisch. Sprich englische Literatur lesen, weil diese aktueller ist als die Deutsche und übersetzen. Das ist garantiert schwieriger als bei Englisch zu bleiben, vor allem wenn man dann auch noch in der Sprache Texte verfassen muss.

  3. mons7 Says:

    Lieber @redaktion42. Das gefällt mir ja schon wieder. Da ich in jungen Jahren mal in London gewohnt habe… und genau weiss… dass man ohne das zwar englische Texte lesen und verstehen kann, aber Vorlesenungen auf Englisch die Pest sind zu folgen (also so aus Studi-Sicht)… resp. mehr als mühsam ist… werde ich zwei Dienste anbieten.

    Einen für Dozenten.
    Texte. MIt den Essentials auf Englisch, was sie vermitteln wollen.

    Und einen für Studies.
    Das müsst ihr (erklärt auf deutsch) mitnehmen, so schreibt ihr am besten die Antworten auf Englisch in eurer Klausur.

    Aber mal Kurzform beiseite und globaler gesehen. Ich halte Chinesisch für besser.

    1. Weil jede Kultur nicht nur Sprache ist sondern auch Haltung. Also warum nicht gleich eine GANZ andere Haltung, nämlich die chinesiche kennelernen.

    2. Weil die (Achtung: Ich bin Weltenbürgerin!) unsere Sicht, eine ganze eigene, die Wissenschaft auch bereichernde ist. Warum die komplett unterbuttern lassen?

    Soviel von mir und gerne mal im Gespräch drüber auf ununi.tv… na, wie wär’s?

    Herzlich
    mons7

    • lcsksr Says:

      Nur gibt es bei Chinesisch große Probleme.

      1.) Welches Chinesisch?
      Viele Chinesen verstehen sich nicht einmal gegenseitig.
      Beispiel: 哪儿
      Im Norden wird das „nǎr“, im Süden aber „nǎlǐ“ ausgesprochen. Hinzu kommen zahlreiche weitere regionale Unterschiede. Die Jugend bekommt zwar Mandarin beigebracht, aber viele Chinesen sprechen es noch immer nicht. In Hong Kong kommt man bspw. nicht weit damit.

      2.) Die Phonetik
      Wenn man westliche Sprachen gewohnt ist, ist Chinesisch eine Qual. Es dauert Monate intensives Lernen, bis man die Silben fehlerfrei aussprechen kann, ohne einen Krampf im Hals zu bekommen.

      3.) die Schrift
      Hinzu kommen außerdem drei (!) Schriften, die man beherrschen muss. Also muss jeder Schüler/Student Pinyin, sowie vereinfachtes und traditionelles Hanzi erlernen. Ist zwar kein Meisterwerk, aber nimmt sehr viel Zeit in Anspruch.

  4. mons7 Says:

    Nachtrag re Thema ob Du Angst hast. Klar hast Du (ein bisschen) Angst. Aber Du bist der mutigste Eroberer ferner und fremder Welten, den ich genau so kenne. Die macht Dir gar nix.

    DU stellt Dir die in Wahrheit die Frage nach dem Sinn und Nutzen.

  5. Jonas Says:

    Also ich habe in den Niederlanden studiert. Dort gab es Vorlesungen in deutsch, englisch und niederländisch. Das war gut verteilt und ich fand es auc ganz gut. Ohne englisch geht es heute leider nicht mehr.

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