Literaturverwaltung

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Aktuelles – Analysen – Austausch zu Software und Services für die persönliche Literatur- und Wissensorganisation

Wie lassen sich Dokumentation und Support von Literaturverwaltungs-Systemen vergleichen?

Wie vergleichen sich Literaturverwaltungen heute in puncto Dokumentation und Support? Im folgenden Beitrag will ich skizzieren, wie man das beurteilen und vergleichen kann. Abschließend nenne einige aktuelle Beobachtungen von mir in diesem Bereich. Achtung, unfertig: Dies ist eine Skizze, die zuende gemalt werden will aufgegriffen oder weiterbearbeitet werden kann! (Nerd-Variante, dies zu tun: Fork me on Github.)

Die Vielfalt und Dynamik von Literaturverwaltung ist hier im Blog immer wieder, und aus verschiedenen Perspektiven, ein Thema. Für den Endanwender eines Literaturverwaltungs-Systems (apropos, das ist ein sperriges Wort — vielleicht sollten wir mal ein Akronym  dafür finden) ist es daher zunehmend schwierig, Antworten zu finden.

Meine mentale Landkarte zu den möglichen Fragen eines solchen Endanwenders ist der verschlungene Pfad einer Benutzerbibliographie. Darunter stelle ich mir grob folgende Phasen mit jeweils typischen Fragen vor:

  • Orientierungs- und Überblickfragen. Wozu überhaupt Literaturverwaltung, welche Anwendungsbereiche gibt es, wo sind Grenzbereiche, in denen ich mit anderen Softwaregattungen weiter komme. Z.B. Wissens-, PDF- und Dokumentenmanagement, Bibliothekskatalog-Software und integrierte Bibliothekssysteme, Social Bookmarking… Gerade Literaturverwaltung hat Grenzflächen zu einigen anderen Bereichen für die es auch spezielle Programme oder Webdienste gibt.
  • Einführungen und erste Schritte.  Sich an einem bestimmten Produkt und/oder Anwendungsfall einen grundlegenden Arbeitsschritt zeigen oder erläutern zu lassen.
  • Antworten zu speziellen Problemen. Im fließenden Übergang zu vorangegangenen Punkt können dazu z.B. auch „Praktiker-Tipps“ von anderen Benutzern gehören, die mein Problem verstehen und mir sagen, wie sie es gelöst haben
  • Laufende Informationen über Weiterentwicklung und sich ggf. daraus ergebende neue Funktionen, sich auf neue Anwendungsmöglichkeiten bringen lassen, einschließlich Informationen über Produkte und Dienste im Umfeld der „eigenen“ Literaturverwaltung
  • Vielleicht als Unterpunkt zu letztgenanntem Krisenkommunikation einschließlich Informationen, die zur Entscheidung über einen Wechsel des Systems führen können. (Beispiel)

An einigen Stellen habe ich oben bereits angedeutet, das zu Fragen einer bestimmten Phase oft auch bestimmten Antwort-Sorten passen. Vielleicht können wir generell die folgenden typischen Antwort-Medien unterscheiden:

  • Das Handbuch— ein Klassiker für die Dokumentation von Software im Allgemeinen. Heute erwartet man von einem guten Handbuch für Endanwender unter anderem
    • daß es online ist, was vor allem bedeutet:  man kann auch bei einer Websuche, z.B. zu einer Fehlermeldung, über die richtige Antwort im Handbuch stolpern, kann die Antwort direkt am Rechner lesen, und last not least
    • man kann diese Antwort auch verlinken, um in anderen Medien (s.u.) darauf zu verweisen. Ferner (ab hier weniger online-spezifisch):
    • Aktualität,
    • Strukturiertheit,
    • Verständlichkeit, wozu in diesem Genre z.B. Illustrationen gehören können,
    • die Verwendung einer Sprache, die von den Anwendern gut verstanden wird.
  • Videos — ein neuer Klassiker, sozusagen. Software für Endanwender kann man gut in Form kurzer und relativ einfach produzierter Bildschirmvideos mit Voice-Over erläutern. Kriterien weitgehend wie oben — allerdings läßt sich ein Video kaum aktualisieren — stattdessen muß es neu produziert werden. Und das, was für Handbuch die Strukturiertheit ist, das ist für ein Video die Fokussierung auf ein Szenario / Schritt, der als isoliertes Video abgerufen und betrachtet werden kann.
  • Individueller Support durch Hersteller, Dienstleisterfirmen oder -institutionen (z.B. Bibliotheken).
  • Support durch die Anwender-Community, der z.B. durch Fragen in dedizierten Foren oder in Social Media (z.B. Facebook) abgerufen wird — dieser vermischt sich natürlich mit dem Support durch Hersteller und andere Experten.
  • Schulungen und Workshops „in Echtzeit“ — laut Umfrage stehen „reale“ Workshop-Situationen und -Beratung  hoch im Kurs, noch höher sogar als virtuelle Workshops z.B. in Form von „Webinaren“.

Grob kann man Fragen und Support-Medientypen einander so zuordnen:

  • Ein gutes Online-Handbuch ist für spezielle Probleme wichtig, aber es ist darüber hinaus auch das Rückgrat sowohl für jeden darüber hinaus gehenden Support als auch für Überblickswissen. Anbieter und Communities tun gut daran, das Wissen aus Produktentwicklung und laufendem Support kontinuierlich abzuschöpfen und in das Handbuch einzupflegen — das ist eine verhältnismäßig schwere, aber lohnende Daueraufgabe.
  • Videos sind für Einführungen und erste Schritte sehr wichtig, sie können sogar für Orientierung und ersten Überblick geeignet sein — als Antworten auf spezielle Probleme sind sie hingegen selten geeignet.
  • Für den individuellen Support durch Experten gilt das gleiche wie für Online-Handbücher: Unverzichtbar für Probleme im realen Benutzungsalltag, aber auch darüber hinaus ist die direkte Ansprechbarkeit von Experten eine absolut notwendige Grundlage für alles weitere. Anbieter, die das weder selbst leisten noch eine interessierte Community um sich scharen können, die dies selbst leistet, haben ein echtes Problem. Eine ganz spezielle Rolle haben im Dschungel der Support-Dienste die Bibliotheken. Sie neigen (leider) dazu, besonders intensiv und kontinuierlich zu supporten, wofür sie regelmäßig Lizenzen zahlen. Anwender freier Produkte und Dienste bekommen daher oft weniger bibliothekarische Aufmerksamkeit.
  • Support durch die Anwender-Community ist ein komplexes, interessantes neues Medienphänomen. Dazu an dieser Stelle nur so viel: Daß es eine lebendige Community versierter Benutzer gibt ist ein auffälliges Signal, das schon für Orientierung und Produktwahl wichtig sein kann. Und als Ergänzung oder gar Ersatz für Experten-Support sowieso.
  • Schulungen und Workshops sind noch arbeitsaufwändiger als das Produzieren von Videos — und sind anscheinend noch besser dazu geeignet, den Einstieg zu finden und erste Schritte zu bewältigen.

In der Realität fällt auf, daß jede Literaturverwaltungs-Marke ihren eigenen Kranz von „Googlebarkeit“, „Im-Forum-Nachfragbarkeit“, ach nennen wir es: „Supportbarkeit“ hat. Weder der Hersteller, noch Dienstleister (Vertriebsunternehmen, Bibliotheken, Hochschulen o.ä.) noch die Benutzercommunity allein sind für diesen Kranz verantwortlich — er entsteht vielmehr in deren Zusammenspiel. Darauf, wie das funktioniert, gehe ich hier nicht näher ein. Ich beschränke mich darauf, einige interessante Phänomene bei vier aktuellen Produkten — darunter sowohl Marktführer als auch Nischenprodukte — aufzuzählen:

  • EndNote gönnt sich neuerdings den Luxus eines aktuellen, sogar mit einem angesehenen Experten von ausserhalb erstellten deutschsprachigen Online-Handbuchs, das jedoch nicht frei zugänglich ist. Eine schwer nachzuvollziehende Strategie. Ferner werden vom deutschen Vertreiber Adept Scientific (recht kostspielige) Schulungen angeboten. Kostenlos sind dagegen — offenbar nur aufgezeichnete, englischsprachige — Webinare. Immerhin hat der YouTube-Kanal des Herstellers einiges zu bieten, wenn auch ausschließlich  auf englisch. Kostenlose deutschsprachige Kurz-Dokumentationen und korrespondierende Schulungsangebote findet man auf den Websites einiger Bibliotheken.
  • Citavi bedient alle oben genannten Support-Medien einwandfrei.
  • Bibliographix ist Freeware mit einwandfreiem deutschsprachigem Online-Handbuch, aber keinerlei Videos — und kostenpflichtigem Support durch den Anbieter. Ob dies eine kluge Strategie für ein Produkt ist, bei dem sich weder externe Experten noch eine in Webmedien sichtbare Anwender-Community darum drängeln, sich gegenseitig zu beraten, sei dahingestellt.
  • Zotero ist freie Software, zu der sich Dokumentation und Hilfe wie bei kaum einem anderen Produkt dank der Anwender-Community finden lassen. Sogar die Übersetzung des Online-Handbuchs (Paradebeispiel für mühselige Arbeit als Grundlage für sowohl Anwender als auch darüber hinaus gehenden Support) geschieht hier z.B. für eine deutsche Fassung gerade auf Initiative eines bibliothekarischen Weblogs. Womit ich bei dem ursprünglichen Impuls zum Schreiben dieses Artikels angekommen wäre. 😉

Lambert Heller

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4 Responses

  1. Tessa sagt:

    Wissen Sie, wie es bei Mendeley gestellt ist?

    • Mendeley ist bisher ja noch ein junges Nischenprodukt, nach meinem Eindruck vor allem für anspruchsvollere Dokumentenverwaltung (auch) für Mac-Benutzer und Benutzer aus dem STM-Bereich. Die Zukunft von Mendeley (wenn es eine hat) sind vermutlich eigene und angekoppelte „Mehrwert“-Webdienste. In der Hinsicht ist für DE übrigens Mendeleys Kooperation mit Swets ein guter Schachzug. SNS für Wissenschaftler kommen ja erst allmählich, und werden sich in DE mit der üblichen Verzögerung von einigen jahren durchsetzen. Wenn dies kommt, wird nicht nur die Frage sein, wie sich Mendeley mit Konkurrenten wie ResearchGate oder Academia.edu vergleicht (oder gar ergänzt?), sondern aus Sicht von Hochschulen und Bibliotheken auch, ob und wie die neuen „Forschungsinformationssystem“-Silos (PURE, Converis und Co.) von der Dynamik dieser Entwicklung profitieren werden. Die gut begründete Einschätzung auf der letzten DGI-Konferenz lautete: Werden sie nicht schaffen. Eher werden Mendeley und Co. mittelbar profitieren, wenn „Metadaten“ zur Forschung im Web insgesamt ein größeres Thema werden. Was ich damit sagen will: Die „Supportbarkeit“ von Mendeley ist gut, mindestens für englischsprachige Benutzer. Aber die grundsätzlichere Frage lautet eigentlich, ob und wenn ja als was (Dokumentenverwaltung, SNS, „klassische“ Literaturverwaltung, Open Access-Outlet, Metadaten-Plattform mit Reconmender-Funtkion, oder…) Mendeley sich überhaupt etablieren wird. Und wer, wie Mendeley, von Wagniskapital existiert, steht halt irgendwann vor der existentiellen Frage ob er eine Rendite abwirft.

  2. Martin de la Iglesia sagt:

    Schöner Überblick, aber zu EndNote muss man sagen, dass zumindest ein englischsprachiges Handbuch („Help Documentation“, knapp 500 S. langes PDF) kostenlos auf der Herstellerwebseite angeboten wird. Das ist nicht das gleiche wie das Handbuch „Informationsmanagement mit EndNote“ das du meinst, aber deine Formulierung könnte den Eindruck erwecken, es gäbe sonst gar kein EndNote-Handbuch.

  3. […] Heller verglich in einem Beitrag bei Literaturverwaltung & Bibliotheken die verschiedenen Literaturverwaltungsprogramme danach, ob es ein Online-Handbuch, […]

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