Marie und Bruno in Gohlis (V.), 1903-05

… Umzug in die Gohliser Johann-Georg-Straße

Bothe2-16

Im Jahr 1903 musste wieder einmal umgezogen werden, die Jahresmiete in der Schachtstraße 4 war mit 400 Markeinfach zu hoch gewesen für die junge sechs-köpfige Familie Stein. Es musste eine billigere Wohnung gesucht werden. Schließlich wurde eine kleinere Wohnung in einer Gohliser Randlage an der Stadtgrenze zu Möckern, am Bahnhof Gohlis-Möckern in der Johann-Georg-Straße 2 (heute: Bothestraße 2) gefunden. Der damalige Straßenname bezog sich auf den sächsischen Prinzen Johann Georg, nach dem seinerzeit auch die Militär-Kaserne in Möckern benannt worden war.

Diese kleine Mansarden­wohnung in der 3. Etage des Eckhauses an der Langen Straße (heute: Eisenacher Straße) hatte eigentlich nur einen winzigen Vorzug, sie kostete nur 280 Mark Jahresmiete. Die Zimmer waren allerdings so klein, dass man die Möbel stapeln mußte und der kleine Hof wurde außerdem vom Besitzer des Lebensmittelgeschäfts im Haus als Stapelfläche für Fässer und Kisten zugestellt, kein Platz zum Spielen für die Stein’schen Kinder. Außerdem war der Schulweg für die Schulkinder Gerhard, Margarethe und Walter jetzt wesentlich länger geworden.

Kindheitserinnerungen
Margarethe Stein (um 1904): Die Wohnung war sehr klein. Der arme Rudi wußte nun gar nicht, wo er spielen sollte, er war lediglich auf die Straße angewiesen. Kein Wunder, daß er eines Tages mit vorüberziehenden Soldaten Schritt hielt und mitging. Schließlich blieb er zu unserem Schrecken den ganzen Tag aus. Bis zum Berliner Bahnhof war er mit einem Spielkameraden gewandert. Auf einer Brücke hatten sie die vorüberfahrenden Züge bewundert, das war natürlich kurzweilig. Vater hatte indessen die Polizei alarmiert, die ihn dann aufgegriffen hatte. Todmüde kam er heim, er war nicht im Stande einen Bissen zu essen. Ich sehe ihn heute noch. Den Strohhut auf dem Kopfe, die Tränenspuren im schmutzigen Gesicht breit gewischt, war er sofort am Tische eingeschlafen. Wie tat er mir leid, er muß ungefähr 4 Jahr alt gewesen sein.

Rudolf Stein (um 1905): Unserem Eckhaus gegenüber lag das Gelände von Brands Ziegelei, und unweit davon befand sich das Depot der damals schon elektrischen Straßenbahn, der „Blauen“, während eine Linie der „Roten“ bei uns vorüberführte.
… einmal gab es einen heftigen Gewitterregen. Wir wohnten im Dachgeschoß, und in der Dachrinne vor unseren Fenstern floß das Wasser in Strömen. Gerhard faltete Papierschiffchen und Mutter hielt einen Scheuerlappen vor das Abfallrohr. So konnten die Kähne schwimmen, bis sie schließlich im Ausfluß untergingen. Das war ein Spaß!

Gerhard_1905-13_17Thema Familienfotos
Warum gibt es hier so wenige Familienfotos? Bekanntlich waren die ersten praktikablen Foto-Handapparate Ende der 1890er Jahre auf dem Markt erschienen und ab 1900 gab es auch als Massenware produzierte Rollfilme zu kaufen. Meinen Urgroßeltern war das aber zu teuer und so sind sie für seltenere Porträtaufnahmen zum Fotografen ins Studio gegangen. Im Jahr 1905 entstand so auch eine erste Gruppenaufnahme der Stein’schen Kinder, von links nach rechts:

Marie Margarethe, 12 Jahre
Bruno Gerhard, 15 Jahre
Walther Moritz, 11 Jahre
Georg Rudolf, 5 Jahre

Die beiden Fotos zeigen das etwa 1895, in geschlossener Bebauung mit Putzfassade, errichtete Mietshaus an der Ecke Bothestraße / Eisenacher Straße. Familie Stein wohnte in der III. Etage in einer Mansardenwohnung (mit Dachrinne).
links: Aufnahme aus dem Jahr 1991, sanierungsbedürftiges Haus, das betrifft den gesamten Straßenzug.
rechts: Aufnahme 2015 – das Haus und die benachbarten Gebäude sehen wieder passabel aus.

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