Griechenland fordert 289 Milliarden Euro an Reparationen

Seit dem II. Weltkrieg kommt das Thema der deutschen Reparationszahlungen an Griechenland immer wieder auf die politische Agenda. Und zwar so lange, bis sich Deutschland irgendwann zu dem Thema verhält.

Deutsche Soldaten erschiessen Zivilisten auf Kreta - die Wunden der Geschichte sind noch offen. Foto: Bundesarchiv, Bild 101I-166-0525-39 / Weixler, Franz-Peter / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 3.0

(KL) – 1941 überfielen die Nazis Griechenland und verübten während der Besatzungszeit zahlreiche Massaker, die Zehntausenden Zivilisten das Leben kosteten. Dazu kam ein „Zwangskredit“ der griechischen Nationalbank an die Regierung in Berlin von damals 476 Millionen Reichsmark, einer Summe, die heute etwa 11 Milliarden Euro entspricht. Dieser Zwangskredit wurde niemals zurückbezahlt und die deutsche Haltung, dass dies alles „Schnee von gestern“ sei, ist jämmerlich. Unter den Spätfolgen der deutschen Verwüstungen und Gräueltaten der Nazis leidet Griechenland heute noch. Und anders, als die deutsche Seite das sieht, ist die Frage der Reparationsforderungen noch lange nicht geklärt. Denn zu keinem Zeitpunkt hat Griechenland erklärt, dass die Angelegenheit erledigt sei und man keine Forderungen mehr habe.

Die Rechtslage ist verworren. Bei den Verhandlungen zum „Pariser Abkommen“ wurde eine Vereinbarung mit Griechenland getroffen, nach der Deutschland, Bulgarien und Italien als Besatzungsmächte ungefähr 7,18 Milliarden US-Dollar an Entschädigungen an Griechenland zu zahlen hatten, was teilweise durch Sachleistungen erfolgte. Nur, diese Summe deckt bei weitem nicht die von Nazi-Deutschland in Griechenland angerichteten Schäden ab, die nach heutigem Wert auf bis zu 800 Milliarden Euro geschätzt werden.

Rechtlich versucht die Bundesrepublik mit allen möglichen Tricks, sich vor weiteren Reparationsansprüchen zu schützen. So wird angeführt, dass ein großer Teil des „Zwangskredits“ an die Reichskriegskasse mit „Besatzungskosten“ abgegolten sei, denn laut dem Haager Landkriegsabkommen dürfen Besatzungsmächte von den von ihnen besetzten Ländern „Besatzungskosten“ für den Betrieb der Besatzungsmacht fordern, so unglaublich das auch klingen mag. Diese Besatzungskosten fielen in Griechenland besonders hoch aus, da die Nazis auch die Kosten in anderen besetzten Ländern mit einberechneten, so dass Griechenland unter den höchsten „Besatzungskosten“ in Höhe von 78 € pro Kopf der Bevölkerung ächzte.

Deutschland beruft sich bei seiner Absage, das Thema erneut zu diskutieren, ebenfalls auf den 2+4-Vertrag, der nicht nur die deutsche Wiedervereinigung eröffnete, sondern auch offiziell das Ende des II. Weltkriegs bedeutete. Nur – bei diesen 2+4-Gesprächen saß Griechenland nicht mit am Tisch und wurde deswegen auch nicht zu der Frage gehört, ob man einverstanden sei, dieses dunkle Kapitel der Geschichte einfach zu beenden.

Deutschland sollte sich nicht immer nur als „Musterknabe“ Europas aufführen, denn das ist Deutschland nicht. In der schweren Finanzkrise Griechenlands flossen von in 10 Jahren nach Athen überwiesenen 210 Milliarden Euro lediglich 9 Milliarden tatsächlich in den griechischen Haushalt, zu wenig, um ernsthafte strukturelle Änderungen durchführen zu können. Den Löwenanteil an diesen Milliarden sicherten sich deutsche (!) und internationale Banken. So schätzen Experten, dass deutsche und internationale Banken während der Griechenlandkrise rund 70 Milliarden Euro an Zinsen eingenommen haben – so viel zum Thema „vorbildliche Europäer“.

Dass sich die Griechen nun in der aktuellen Krise an diese offene Rechnung erinnern, ist verständlich. Was hält die Bundesrepublik davon ab, sich mit Griechenland erneut an den Verhandlungstisch zu setzen und über Reparationen zu verhandeln? Die Angst, dass andere Länder ebenfalls mit Forderungen antreten könnten?

Deutschland ist wirtschaftlich der Hauptgewinner des II. Weltkriegs geworden, mit einem von den USA konzertierten „Wirtschaftswunder“, das in den Ländern, in denen die Nazis gewütet haben, nicht stattfand. Speziell in Krisenzeiten wäre eine deutsche Änderung der Haltung ein ermutigendes Zeichen, dass Europa noch nicht am Ende ist. Dass es die Griechen quält, dass sich ausgerechnet die Besatzungsmacht wirtschaftlich ans sichere Ufer bringen konnte, während man selbst vor einem zerstörten Land stand, das ist nachvollziehbar. Griechenland braucht Hilfe. Jetzt. Und Deutschland sollte sich offen zu seiner historischen Schuld bekennen und aufhören, auf Paragraphen zu reiten, die geradezu zynisch anmuten.

Kommentar hinterlassen

E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht.

*



Copyright © Eurojournaliste