Gut und Gerne – Familienfest, eine Töterei

Mats Meeussen ist nicht etwa auf dem Kriegspfad, sondern nimmt Sie mit in eine Institution des Straßburger Gastronomie!

Eine gastronomische Institution in Strasbourg - das "Hailich Graab"... Foto: Mats Meeussen / CC-BY-SA 4.0int

(Von Mats Meeussen) – Das Rätsel des Titels löse ich noch auf. Vorab: Seien Sie beruhigt. Es ist alles sehr herzlich gemeint. Am Freitag war meine „first night out“ in der Straßburger Altstadt. Eine Rückkehr zu den Grundgedanken von „Gut und Gerne“. Bei Laune und Appetit raus ins Feld, Restaurantkritiken für Sie. Es ging ins Hailich Graab, ins Saint Sépulcre, wo sich Tradition und Modernität trefflich mischen. Töterei wegen Grab? Nein. Tradition wegen Familie? Ein bisschen. Aber lesen Sie einfach weiter.

In bewegten Zeiten braucht man Ankerplätze. So fiel meine Wahl auf ein Restaurant, das zumindest gefühlt wohl schon immer Teil der Altstadt ist. Und die ist ja wirklich alt in Straßburg.

Ankerplatz aber auch, weil meine Schwarzwälder Großmutter mir schon als Kind davon erzählte, wie sie sich schon nach dem zweiten Weltkrieg hier herzlich willkommen geheißen fand, damals an langen Bänken bunt gemischt zwischen Leuten unterschiedlichster Stände. Man tauschte sich alemannisch aus, lachte, Gräben wurden bei einem Edelzwicker überwunden. Die Wirtsfamilie Lauck, die damals meine Großeltern bewirtete, hatte das Hailich Grab noch inne, als ich 2006 nach Straßburg zog. Dann wurde es 2007 von der einfachen Beiz mithilfe von Designerlampen und anderem hochgejazzt, aber es war nur eine kurze Etappe, bis es 2013 Claude Fricker übernahm, die bereits vorher trotz ihres jungen Alters die zauberhaften Etablissements Corde à Linge und L‘Épicerie aus dem Hut, ja was denn sonst, natürlich: gezaubert hatte. Und mit dieser Erfahrung fand etwas Einzug, das ich sehr schätze: gekonntes Spiel mit Traditionen, aber definitiv abgestaubt, das alte Gute nicht negierend, aber das neue Schicke charmant integrierend. Gemütlich wie eine Weinstub zu sein hat, aber halt etwas groovy trotzdem. Ohne billige Effekthascherei, mit einer Qualität wie der Kelsch auf den Tischen.

Der Freitagabend, an dem ich kam, war auch der erste Abend für Claude. Es war kalt und verregnet, wenig los in der Stadt. Und die Patronne die perfekte DJane zu meinem Essen, ebenfalls recht groovy für eine Winstub, das Essen hätte meinen Großeltern geschmeckt, die Heringe in Sahne mit Granny Smith und Radieschen wären ein Fest für meine niederländische Omi gewesen, der Jambon en croute mit Crudités (Warmer im ganzen gegarter Schinken im Blätterteig mit Rohkostsalaten, knapp 18 Euro, ein Wort, wenn man bedenkt, dass man einen Steinwurf von der Kathedrale entfernt im Carré d’Or sitzt) ganz im Sinne meiner badischen Großmama. Der leicht gekühlte Pinot noir ein Genuss für Papa und Schwiegervater. Und so weiter. So geht Europa.

Tja, und so saß ich allein aber gewissermaßen heiter umringt von meiner Familie in dem recht leeren Resto. Bald mal wieder „in echt“. Traditionen gehen weiter und Claude hat hoffentlich ein Konzept für viele Jahre aus dem Hut, na: gezaubert, das Krisen übersteht. Soviel also zum Familienfest aus dem Titel, wenngleich in Abwesenheit.

Was hat es mit der Töterei auf sich? Das Heilige Grab? Je nach Anekdote: ein Tisch der Weinstub war einmal ein Sarg. Heute nicht mehr, Gottlob. Variante zwei: es gab Geheimgänge unter der Kathedrale, einer soll hier gemündet haben, Andacht am „Hailich Graab“ der Codename der Mönche zum abendlichen Frohsinn.

Wie auch immer, besonders gelungenes Essen heißt auf Französich: Une tuerie, übersetzt: eine Töterei. Genau das gibt es hier. Guten Appetit!

P.S.: Und da gute Literatur und Speisen Hand in Hand gehen, freue ich mich schon auf einen inhaltsreichen und heiteren Austausch ebenhier mit Jean-Marc Claus – und falls Sie etwas den lokalen Buchhandel unterstützen wollen. Kaufen Sie doch mal „111 Orte in Straßburg, die man gesehen haben muss“ von Jo Berlien und Sabina Paries – kein Scherz, die heißen wirklich so.

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