Der Kapitalismus frisst seine Kinder

Die EU hat die Rekordstrafe von 4,34 Milliarden Euro gegen den Internet-Giganten Google verhängt – eine Sanktion, die nachdenklich stimmt. Ist das System des Kapitalismus dabei, sich von innen auszuhöhlen?

Um den Burschen geht's beim Streit zwischen der EU und Google. Und es geht auch um ein wenig mehr als "nur" Android... Foto: Maurizio Pesce from Milan, Italy / Wikimedia Commons / CC-BY 2.0

(KL) – 4,34 Milliarden Euro Strafe, das ist mal eine Ansage seitens der EU! Doch wird man den Eindruck nicht los, als wolle die EU nicht etwa den Internet-Giganten Google treffen, sondern dem seltsamen Handelskrieg, den der ebenso seltsame Donald Trump losgetreten hat, ein neues Kapitel hinzufügen. Hintergrund ist der Vorwurf, Google würde nicht genug Konkurrenz im Bereich mobiler Betriebssysteme für Smartphones zulassen.

Genauer gesagt geht es um das Betriebssystem „Android“, das von den meisten Smartphone-Herstellern genutzt wird, die keinen angebissenen Apfel im Logo tragen. Für die Handy-Hersteller ist „Android“ eine gute Sache, denn die Nutzung von „Android“ ist für sie kostenlos, unter der Voraussetzung, dass insgesamt 11 Google-Apps mit installiert werden. Das sind die Apps, die standardmäßig auf jedem neuen Android-Handy installiert sind. Dies lässt in der Tat wenig bis keinen Raum für Wettbewerb, ist aber gleichzeitig nichts anderes als Kapitalismus in Reinkultur. Sollte die Rekordstrafe am Ende eine heimliche Kapitalismus-Kritik sein?

Weit gefehlt. Der EU geht es nicht darum, Google in die Schranken zu weisen. Bei der Strafbemessung blieb Brüssel deutlich unterhalb dessen, was möglich gewesen wäre. Theoretisch wäre eine Strafe von mehr als 9 Milliarden Euro möglich gewesen, doch die EU-Wettbewerbskommissarin Margarethe Vestager begnügt sich mit 4,34 Milliarden Euro und auch das erst, nachdem sie sich vergewissert hatte, dass die „Kriegskasse“ von Google ausreichend gefüllt ist, so dass die Strafe Google nicht umhaut. Keine Sorge, Frau Vestager, die liquiden Mittel von Google werden auf rund 90 Milliarden Euro geschätzt…

Aber worum geht es dann bei dieser Rekordstrafe? Sicher nicht darum, dass Google das Konzept des Kapitalismus bis ins Extreme interpretiert. Und auch nicht darum, dass die EU unbedingt noch einen europäischen „Play Store“ ins Rennen schicken will. Es geht ausschließlich darum, eine Botschaft nach Washington zu senden, die da lautet: „Mr. Trump, Sie können nicht alles machen, irgendwann beißen wir auch zurück!“ Doch das, was sich da in aller Ruhe entwickelt, ist tatsächlich ein Handelskrieg und man sollte auf den zweiten Teil dieses Worts achten: Krieg. Bei allem, was Herr Trump gerade auslöst und ein entsprechendes, weltweites Echo findet, wird es Verlierer geben und diese befinden sich, wie immer, am unteren Rand der Gesellschaft.

Im Jahr 2018 wird Krieg nur noch auf Schauplätzen ausgetragen, weit entfernt von den Territorien der Länder, die in Syrien, im Jemen und anderswo Krieg führen. In unserer so „zivilisierten“ Welt ersetzen wir gerade uniformierte Truppen durch Wirtschaftssanktionen. Die Wirkung wird allerdings die gleiche sein wie bei der klassischen Kriegsführung – die Opfer des Handelskriegs werden diejenigen sein, die sich am wenigsten wehren können und bereits heute in unserer Gesellschaft stigmatisiert werden. Es wäre an der Zeit, diesen ganzen Unsinn anzuhalten und nachzudenken, was anders gemacht werden muss. Und das ist eine ganze Menge.

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