Brexit, Grexit, EUxit – wie sich das Europa der Finanzen selbst abschafft

Die Briten wollen nur noch über Vergünstigungen reden, die Griechen kündigen die Einstellung des Schuldendienstes an und die EU fängt an, sich selbst abzuschaffen…

Schafft sich die EU am Ende selber ab? Zum aktuellen Zeitpunkt wäre das wohl kein großer Verlust... Foto: Honel / KAS/ACDP / 10-028-283 / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 3.0

(KL) – Da treffen sich die führenden europäischen Politiker in Riga, um darüber zu sprechen, wie man mit der Kriegssituation in der Ukraine und in Osteuropa umgehen kann – und der britische Premier rumpelt in die Sitzung, um nur darüber zu sprechen, welche finanziellen Zugeständnisse die EU an Großbritannien machen kann und will, um den Briten einen Verbleib in der EU schmackhaft zu machen. Abgesehen davon, dass dies eine unglaubliche Respektlosigkeit vor dem Leiden der Menschen in der Ukraine ist, zeigt es auch, wie Großbritannien zur EU steht. Cameron will die EU verlassen? Gerne – denn die EU braucht keine Partner, die Europa erpressen, um an Sonderkonditionen zu gelangen. Und denen das restliche Geschehen in Europa offenbar herzlich egal ist.

Griechenland geht nun die Puste aus. Innenminister Nikos Voutsis kündigte an, dass Griechenland voraussichtlich ab Juni die Raten beim IWF nicht mehr bedienen wird – was den Super-GAU in der Eurozone zur Folge hätte. Denn auch mit einer solchen Situation wird die Eurogruppe umgehen müssen – da man kein Land aus dem Euro einfach herauswerfen kann und Griechenland keinerlei Bedürfnis verspürt, den Euro aus eigenen Stücken zu verlassen, steht die Eurozone nun vor der Frage, was man machen kann. Eine interessante Frage – beißt man in den sauren Apfel eines Schuldenschnitts, der einzigen Chance für Griechenland, wieder auf die Beine zu kommen oder schaut man einfach zu, wie Griechenland im Chaos versinkt? Und diese Frage ist nicht mehr oder weniger als die Frage nach der Zukunftsfähigkeit Europas.

Wollen wir ein Europa der Menschen, eine Wertegemeinschaft, in der die 500 Millionen Europäerinnen und Europäer ein Leben in Würde und mit einer materiellen Grundsicherung führen können? Dann kann es nur den Schuldenschnitt geben. Das wäre die Entscheidung für ein „Europa der Menschen“. Oder aber lässt man Griechenland tatsächlich den Bach heruntergehen? Das wäre dann die Entscheidung für ein „Europa der Finanzmärkte“. Insofern wird Griechenland zur Nagelprobe für ein Europa der Werte – eine Nagelprobe, bei der wenig wahrscheinlich ist, dass sich die hohe Politik für die Menschen entscheidet. Denn immer, wenn das Wohlergehen der Menschen und das Wohlergehen der Finanzmärkte auf dem Spiel stehen, entscheidet sich die Politik in Europa für die Finanzmärkte. Bisher wurde das als „normal“ betrachtet – dieses Mal hängt die Zukunft und die Kohäsion Europas von der richtigen Entscheidung ab.

Doch immer noch hat man nicht das Gefühl, als würde die Junckers, Merkels, Camerons und Hollandes wirklich begreifen, dass es hier nicht um ein buchhalterisches Ärgernis, sondern die Zukunft Europas geht. Dass die Menschen Europa immer mehr als eine Art „kriminelle Vereinigung“ betrachten, die sowohl im konkreten wie im übertragenen Sinn über Leichen geht, wenn es darum geht, finanzielle Interessen der „Märkte“ zu schützen. Die Bürgerinnen und Bürger Europas spüren schon seit langem, dass es in der EU um vieles geht, aber nicht um sie. Nur – und hier liegt der große Denkfehler der Politiker in ihrem Elfenbeinturm – ein Europa ohne Bürgerinnen und Bürger wird nicht mehr funktionieren, sondern den aktuellen Trend zu Nationalismus und Extremismus befördern. Dies ist eine hochexplosive Entwicklung, die gerade eine Eigendynamik erhält, gegen die auch mahnende Worte gegen Extremismus von denen nichts mehr nützen, die diese Entwicklung vorantreiben und überhaupt erst initiiert haben.

„Europa schafft sich selber ab“ – das wäre doch dann der nächste Buchtitel für nationalkonservative Brandstifter. Noch vor der nächsten Europawahl könnte die EU bereits am Ende sein. Denn wenn das Griechenland-Problem nicht nachhaltig und solidarisch gelöst wird, wenn die Briten aus der EU aussteigen und wenn der soziale Zusammenbruch in den europäischen Ländern so weitergeht wie im Moment, dann braucht man keine nächste Europawahl mehr. Denn dann ist die EU am Ende ihres Wegs angekommen und das letzte Stockwerk der Europäischen Parlaments, das immer noch eine Baustelle ist, die symbolhaft zeigen soll, dass der Aufbau des europäischen Hauses immer noch nicht abgeschlossen ist, wird dann wohl nicht mehr fertig gestellt werden. Schuld an dieser Entwicklung tragen wir alle – durch das große Desinteresse der Menschen an der Politik, durch Nichtwählen und das schulterzuckende Akzeptieren des nicht Akzeptablen, haben wir selber die falschen Menschen damit beauftragt, Europa für uns zu managen. Und obwohl wir wissen, dass diejenigen, die wir damit in der Vergangenheit beauftragt haben, diese Aufgabe nicht bewältigen können, haben wir ihnen erneut die Schlüssel für Europa in die Hand gedrückt. Und, was noch schlimmer ist, wir würden es jederzeit wieder tun. Solange, bis sich die EU am Ende dieses Irrwegs selbst abgeschafft haben wird.

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