Daniel Schumacher wird im Juli 18 Jahre alt, er ist Tetraspastiker und sitzt im Rollstuhl. Er versteht, dass er durch seine Behinderung Grenzen hat. Was er nicht versteht, ist, wie man ihm deshalb nichts zutrauen kann.
Es ist ein Song von den „Atzen“, der da auf Daniels Laptop läuft. Aber in seinem live-Remix. Mit schnellen gekonnten Klicks im geschickten Timing ergänzt DJ Hot, wie Daniel sich nennt, die four-to-the-floor-Beats mit Breaks und neuen Hooks. Ein eigener Remix eben. „Mein Bruder hat mir viel über DJ-Software erzählt und gezeigt“, erzählt Daniel, der auch regelmäßig bei einem lokalen Radiosender auflegt und moderiert. And the beat goes on.
Daniel Wohnt im Aachener Vinzenzheim und besucht noch die angrenzende Viktor-Frankl-Schule. „Aber ich muss ganz ehrlich sagen, es nervt im Moment ein wenig“, sagt Daniel. „Das Lernniveau fühlt sich für mich nach ‘1+2’ an, während ich mich eher beim ‘kleinen Einmaleins’ sehe.“ Aber der Lehrplan sei natürlich für alle Schüler da. „Ich würde viel lieber viel mehr lernen.“ Für einen Hauptschulabschluss wird es aller Voraussicht nach dennoch nicht reichen: „Meine Lernschwäche steht mir da wohl im Weg.“
Sorgen muss man sich aber nicht um ihn machen. Daniel traut sich ansonsten eine Menge zu – genau wie seine Grenzen sind ihm seine Fähigkeiten sehr bewusst. Dazu gehört zum Beispiel, Dinge auszuprobieren und sich nicht von seiner Behinderung davon abhalten zu lassen. So rief er im Alter von 15 Jahren einen befreundeten Programmchef eines lokalen Radiosenders an und bat ihn um die Möglichkeit, zu zeigen, was er als DJ Hot drauf hat. Herausgefordert von seinem Bruder, der ihm zeigte, wie man mit einer DJ-Software am Laptop umgeht, selbst Remixe zu erstellen und ermutigt vom Opa („Also Radiomoderator kannste werden!“), hatte Daniel zuvor ein paar Monate herumprobiert und gelernt. Und überzeugte dann auf Anhieb beim Radio, trotz eines Sprachfehlers, der ihn leicht nuscheln lässt. Seine Art zu moderieren sei angenehm erfrischend, weil eben nicht professionell und nach Ausbildung, soll der Chef gesagt haben.
Mittlerweile hat Daniel sich im Hause seines Vaters in Weilerswist ein eigenes kleines Studio eingerichtet, in dem er seine Sendungen vorproduziert, die er dann an den Radiosender schickt. Demnächst bekommt er dafür auch noch neues Equipment, die Familie unterstützt ihn finanziell. Daniel professionalisiert sich, Geld möchte er aber dafür keines haben. „Mir macht das Spaß, auch ehrenamtlich.“ Musik ist Leidenschaft.
Wäre denn dann eine Kariere beim Radio nicht naheliegender als die Behindertenwerkstatt? Daniel verneint das. Zu unsicher seien die Aussichten, etwa wenn der Sender pleite geht und ihn entlassen muss. „Dann bin ich nicht abgesichert. In der Werkstatt bin ich das.“ Ohnehin scheint für Daniel in der Konstellation des festen Jobs in der WFB und des Nebenbeis als DJ die größere Freiheit zu liegen. Manche Dinge seien im Leben zwar von außen vorgezeichnet, „aber es ergeben sich ja rechts und links auch immer wieder Gelegenheiten.“ Etwa ein Filmprojekt, das im Sommer startet und in dem ein Pilotfilm für eine Serie gedreht werden soll. Ein Produzent, den Daniel bei einer Charity-Veranstaltung kennenlernte, fragte ihn, ob er nicht mitspielen möchte. Details dürften noch nicht verraten werden.
Daniel macht für Ablehnung vor allem Ängste und Vorbehalte verantwortlich. Also im Grunde Unwissenheit, deshalb plädiert er auch für mehr Empathie. „Ich habe schon mal für Kinder einer Jugendgruppe, die ich manchmal in den Ferien begleite, Rollstühle besorgt, damit sie sich mal selber in so ein Ding setzen und erleben, wie das so ist. Die haben danach ganz anders mit mir gesprochen.“ Auch vor Betreuern habe er mit dieser Maßnahme nicht Halt gemacht, lacht er. „Wir brauchen viel mehr Leute, die nachdenken und die sich trauen!“ Dann wäre der Begriff der Inklusion vielleicht auch gar kein so großes Thema mehr, sondern – wie für Daniel – selbstverständlich.
Bleibt die Frage, ob es neben den Leuten, die Behinderten einfach zu wenig zutrauen, nicht auch viele behinderte Menschen gibt, die sich selbst zu wenig zutrauen. „Na klar, auch Behinderte haben oft Angst, ihre vermeintlichen Grenzen zu überschreiten“, vermutet Daniel. „Aber ein Stück weit kann ich vielleicht den Leuten auf beiden Seiten ihre Ängste und Vorbehalte nehmen“, sagt DJ Hot, während er seinen ersten eigenen Track vorspielt. Funky Samples auf groovigem Beat. „Daran arbeite ich schon ein Jahr lang.“ Ob es auch etwas gibt, das er sich nicht so wirklich zutraut? „Bungeejumping. Macht bei mir keinen Sinn.“
„Gute Chartmusik? Lachfalten? Eine tolle Zeit?“, heißt es auf Daniels Homepage. Natürlich hat DJ Hot auch eine Facebook-Seite. Übrigens sucht er laufend nach Gigs. Auch immer noch deutschlandweit. Dieser Artikel erschien ursprünglich in der KingKalli-Ausgabe Juni/ Juli 2014.
Hi Danke dir für diesen Artikel du bist der Beste Lg Dj Hot
Siehste, der Daniel… heute noch zusammen gegessen 🙂
Sehr schöner Text, Christian!