Mein Band, mein rotes Band!

JeffreyBand

© Foto: Katrin, 2014

Manchmal ist so ein kleiner Ausflug in die Kindheit gar nicht schlecht. Da kommen einfach Erinnerungen hoch, die bereits vergessen schienen. Ganz genauso fühlte es sich an, als ich nach Jahren der Abstinenz über meine liebste Anime-Serie Hikari – Die kleinen Superstars stolperte. Sofort fiel mir ein, wieviel Spaß meine Cousine und ich vor 20 Jahren damit hatten! Vom genannten Anime animiert, hopsten wir grazil wie nattifftoffische Gazellen mit bunten Bändern über den Hof. Ähnliches bewirkt haben da höchstens noch Mila Superstar (Volleyball bleibt mein Mannschaftssport-Favorit) oder die Kickers (Fußball stellte sich alles in allem als zu schmerzhaft heraus). Welch unbeschwerte Zeit …

Die Serie richtet sich vorwiegend an jugendliche Mädchen und handelt vom Lebenstraum der 13-jährigen Hikari Kamiyo, die wie ihre Freunde Ohishi, Hatsuki und Natsukawa, das Aikoh-Gakkuen-Sportgymnasium besucht. Dort trainiert sie im Team ihrer Schule, um in der Rhythmischen Sportgymnastik eines Tages an die Spitze zu kommen. Obwohl sie aufgrund ihrer großen Sprungkraft und ihres Durchhaltevermögens erhebliches Potential hat, ist Hikari im Umgang mit den fünf Handgeräten Band, Ball, Keule, Seil und Reifen mitunter etwas unkonzentriert. Daher erreicht sie nur selten die gewünschten Ergebnisse. Zunächst eifert sie der etwas älteren Hatsuki nach, die bereits Erfolge erzielt und als äußerst elegante, zielstrebige Turnerin ein gutes Vorbild ist. Im Laufe der Zeit ändert sich das Verhältnis der beiden Mädchen jedoch. Nach und nach werden sie zu Konkurrentinnen, die sich gegenseitig zu Höchstleistungen antreiben und in verschiedenen Wettbewerben gegeneinander antreten. Wie die zwei Gegnerinnen an ihre Grenzen gehen – stets hin und her gerissen zwischen Freundschaft und Konkurrenz, Mut und Enttäuschung, Zuversicht und Selbstzweifeln – ist meiner Meinung nach wirklich realistisch gestaltet.

Immer diese Männer

Ihre Dynamik erhält die Geschichte einerseits durch das Spannungsfeld zwischen Trainings- und Wettbewerbssituation und zum anderen durch die Kontraste zwischen den vier Hauptcharakteren. Allen gemeinsam ist nur ihre große Leidenschaft für das, was sie tun. Hinzu kommen emotionale Verwicklungen um erste Liebe und Freundschaft, denn schon bald ist Hikari ebenso wie Hatsuki an dem 15-jährigen Ohishi interessiert. Der erfolgreiche Geräteturner hat als Aushängeschild der Schule bereits etliche Wettbewerbserfolge vorzuweisen. Da er nicht nur charmant ist, sondern Hikari stets in ihren Bemühungen unterstützt, verdreht er ihr ziemlich den Kopf. Die Situation verkompliziert sich zusätzlich, als klar wird, dass Hikaris Jugendfreund Natsukawa ebenfalls ein Auge auf sie geworfen hat. Zwar würde der ruppige Musiker es nie zugeben, doch ihm liegt viel an seiner hübschen Nachbarin. In ihrer Vernarrtheit für Ohishi bekommt sie das allerdings gar nicht mit – dabei legt sich Natsukawa ganz schön ins Zeug und komponiert wunderbare Musik für Hikaris Turnübungen. Im Übrigen hat es mir eben jene sehr angetan: Die Hintergrundmelodien sind größtenteils verantwortlich für die wunderbar stimmige Atmosphäre des Animes.

Die Nebenhandlung um Natsukawa und seine Band finde ich fast genauso spannend wie die sportlichen Wettkämpfe, da der talentierte Musiker mit sich selbst so zu kämpfen hat. Häufig sarkastisch und aufbrausend hat er wirklich vernünftige Grundsätze und ist trotz seiner betont zur Schau gestellten Coolness recht verletzlich. Prinzipiell finde ich sein Verhältnis zu Hikari am interessantesten: es ist spannungsgeladen und eine Mischung aus Neckerei und Vertrautheit. Die leichtsinnige Flirterei von Ohishi mit den beiden Mädchen erscheint mir hingegen oft etwas unverständlich. Trotz seiner grundsätzlichen Vernunft macht er sich keine Gedanken darüber, dass sein unbestimmtes Verhalten nicht nur Hatsuki und Hikari, sondern auch seinen besten Freund Natsukawa verletzen könnte.

Noch einige kleine Fakten

Der Anime ist häufig emotional, romantisch, etwas pubertär und reichlich verzwickt – genau das macht für mich jedoch den besonderen Charme der Serie aus. Manch einem könnte vielleicht das Erzähltempo zu langsam, der Spannungsbogen der Geschichte zu flach sein. Bei mir selbst haben aber die Figuren und gezeigten Sportarten einen derartigen Eindruck hinterlassen, dass ich auch heute noch begeistert die großen Wettkämpfe in der Rhythmischen Sportgymnastik verfolge. Immerhin ist der Anime nicht nur hübsch gezeichnet, sondern tatsächlich recht nah an der Wirklichkeit. Die gezeigten Übungen sind nicht übertrieben und die Konflikte zwischen den Figuren entwickeln sich natürlich und ungezwungen, sodass irgendwie der Eindruck entsteht, alles könnte genau so passiert sein. Hier bekommt man weder Action, noch Gewalt zu sehen und trotzdem fesselt die Geschichte unheimlich.

Der Anime basiert auf der gleichnamigen Mangaserie Die kleinen Superstars von Izumi Asō, die von 1985 bis 1988 erschien und wurde in Deutschland 1994 zum ersten Mal ausgestrahlt. Allerdings endete die Serie recht unvermittelt nach nur 19 Folgen, daher umfasst die Handlung lediglich ein bis zwei Jahre. Der ursprüngliche Manga besteht insgesamt aus 16 Bänden und erzählt die Geschichte der vier Schüler über längeren Zeitraum hinweg wesentlich detaillierter. Er endet schließlich mit Hikaris Teilnahme an den Olympischen Spielen in Seoul, im Jahre 1988. Was gäbe ich darum, wenn diese Manga auch auf deutsch erschienen wären!

Trotz der geringen Episoden-Anzahl und des leider, leider etwas abrupten Schlusses ist mir die Geschichte um Hikari positiv im Gedächtnis geblieben. Heute als Erwachsene stört mich etwas die stellenweise ungenaue, deutsche Synchronisation. Zum Ausgleich habe ich jedoch so manche Lieblingsszene wiederentdeckt, wie z.B. den Running-Gag um Hikaris Vater, dessen Gesicht niemals zu sehen ist. Zum Spielen animiert wurde ich durch den Anime sowieso, damals wie heute. Vielleicht trefft ihr mich ja an sonnigen Wochenenden sogar mal im Park an. Richtig: die Irre auf der grünen Wiese unter blauem Himmel, die enthusiastisch ihr rotes Band schwingt – das bin dann wohl ich. 😉

Katrin

Erschaffen von: Izumi Asō, Tomomi Mochizuki
Serientitel: Hikari – Die kleinen Superstars (Hikari no Densetsu)
Ausgestrahlt: 1986

4 Gedanken zu “Mein Band, mein rotes Band!

  1. Kathrin schreibt:

    „Hikari“ fand ich damals auch so toll und wie ihr habe ich mich mit Bändern und Bällen versucht. Trotzdem war ich im Sportunterricht immer eine Niete ^^ Und nun – nun schwelge ich wieder in schönen Kindheitserinnerungen und summe die Titelmelodie vor mich hin. Danke für die kleine Zeitreise! 🙂

    • Katrin schreibt:

      Gern geschehen. Uns ging es ganz ähnlich. Aber man muss ja nicht zwingend gut in Sport sein, um beim Spielen seinen Spaß zu haben. 😉
      Ganz abgesehen davon: diese Spannung – diese Dramatik … Meine Cousine hat auch eben herzhaft lachen müssen.

  2. Miss Booleana schreibt:

    Ach, wunderbar – einer meiner liebsten Anime aus der Kinderzeit. Mein Vater hat mir damals auch so ein rotes Band gebastelt und ich bin damit durch die Gegend gehüpft. Vor einer Weile habe ich den Anime wieder geschaut und war anfangs etwas vor den Kopf gestoßen. Man vergisst doch immer mal wieviel Zeit vergangen ist und dass die Animation eben kein Standard mehr ist (heutzutage). Aber es dauerte nicht lange und ich war wieder voll drin in der Geschichte. Obwohl Romcoms mich jetzt mittlerweile eher abstoßen. Aber die Serie ist anders, da bekommt man noch was mit auf den Weg – Leidenschaft für Sport.

    Vor einer Weile habe ich mal über den Manga in einem Anime/Manga-Magazin gelesen und da wurde gespoilert wie die Geschichte im Manga ausgeht – da hätte ich mir auch gewünscht, dass der hier erschienen wäre.

    • Katrin schreibt:

      Ich kann dir quasi ausnahmslos beipflichten. 😀
      Und was den Manga angeht, hast du vollkommen Recht! Ärgert mich auch ein wenig, dass ich nie erfahren werde, wie genau es ausgeht. Das Ende des Trickfilms ist eben doch arg überstürzt.

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