Ein Achtel Lorbeerblatt

Der Liedermacher- & Kleinkunstblog von David Wonschewski

Die EAL-CD des Monats Januar 2015: Götz Widmann – Krieg und Frieden

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von Michael Lösch

Götz Widmann möchte laut eigener Website für seine neue CD in Anspruch nehmen, viel Rock ‘n‘ Roll zu sein. Das mag so stimmen, aber ein Understatement ist es doch. Ersetzt man den Rock ‘n‘ Roll-Begriff durch Originalität und Stilreichtum, dann kommt man dem, was Widmann aufzubieten hat, schon deutlich näher.

In „Für euch“ rockt er mit dem Pathos eines Rio Reiser aus seiner Ton-Steine-Scherben-Zeit gegen einen aufgekündigten Generationenvertrag an: Was, wogegen und wofür haben die Urknaller der Mülltrennung und andere Weltverbesserer nicht alles demonstriert und sitzblockiert und ökologisiert – und das alles für eine selbstverliebte unkritische Kaste aus Mac-Strebern, welche die politischen Früchte nur noch verzehrt, anstatt, wie weiland seinesgleichen, die Kastanien aus dem Feuer zu holen! Wobei die plakativ lamentierende Fetzigkeit das Ganze recht schnell als Selbstironie entlarvt.

In „Tanzen“ ist der gute alte Frank Zappa wieder auferstanden: Refrains aus sprunghaft schräger Mehrstimmigkeit appellieren zwischen den Zeilen (und so ganz nebenbei) beim rhythmischen Exhibitionieren auf der Tanzfläche der Geübtheit den Vortritt zu lassen.

Mmh mmh mmh“ könnte man fast für eine Ode an die Gutmenschlichkeit halten, so ungetrübt ist der Reinheitsgrad des anmutigen Wortgehalts, wenn da als Widerpart der unüberhörbar schnulzig verquälte Gesang nicht wäre, der sich jenseits der schönen Worte seine ganz eigenen Überdruckventile sucht. Das Stück ist ein Verständnis-Plädoyer für den platzenden Kragen.

In „Vietnam“ fühlt er sich in Kriegs- und Gewaltphantasien hinein: Der moderne Krieg als Formalismus für die Sehnsucht nach Verherrlichung. Bei solch platter Friedensbewegtheit bleibt Widmann allerdings nicht stehen: Der songtaufende Vietnamkrieg ist für ihn ein wohlig schauderndes (sich einzig und allein ergänzendes) Gefühlshappening – vom tapferen Dschungelkampf für Freedom&Democracy bis hin zu den Hippie- und Protestgesängen dagegen. Jimi Hendrix passt perverserweise zu beidem.

Gudrun vom Feuilleton“ ist eine Liebeserklärung an eine Kritikerin. Ganz so wie die Politesse „Lovely Rita“ auf dem „Sergeant Pepper‘s“-Album der Beatles scheint auch Gudrun ein real existierendes Wesen zu sein, so sehr singt Widmann lüsternen Klartext. Ob der Sex mit ihr als tatsächlicher Liebesbeweis oder eher als Retourkutsche verstanden sein will, bleibt indes etwas im Unklaren.

Beim Hören von „Amerikanischer Spion“ ist man selbst überrascht, wonach jenseits von Presseschlagzeilen noch so alles spioniert werden kann.

Wenn Widmann in seinem eigenen Begleittext zur CD „Rock ‘n‘ Roll“ schreibt, dann meint er damit zu einem großen Teil auch ganz traditionelle Rockmusik, mitunter auch Heavy-Metal-Anleihen: Das ist der Kitt, der rote Faden, der Hörerlebnis und -erwartung über weite Strecken zusammen hält. Mal harmoniert, mal dissoniert es fetzig krachend, mal wird es mit jazzigen Zwischentönen auch skurril, bevor zum Ende hin – mit „Wir haben uns jetzt wieder lieb“ – wieder das solide, pointenwürzige Chanson Einzug hält.

Widmanns Texte gleichen einer treffsicheren Ironie- und Sarkasmusschleuder. Der innere Unfrieden ist bei ihm in guten Händen, wird er doch nicht nur verstanden, er wird auch kreativ verwaltet: Er wird getröstet, er darf sich amüsieren, er wird kurzweilig unterhalten. Er darf Gassi gehen.

www.goetzwidmann.de

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