„Dass man dann und wann mit Verkaufshits belohnt wird, ist das berühmte Sahnehäubchen.“ – SteglitzMind stellt Andreas Mergenthaler von Cross Cult vor

Es heißt ja, dass die Kleineren unter den Verlagen zwar oho, aber viel zu wenig bekannt sind. Wer und wo sind sie? Wie behält man die immer größer werdende Kleinverlegerszene im Blick? Was treibt junge Verleger an und um? Welche Strategien verfolgen sie, um auf dem Buchmarkt Fuß zu fassen? Was packen sie anders an als die Etablierten? Wie definieren sie ihre Zielgruppe, wo finden sie ihre Nische? Welche Risiken sehen sie und wo verorten sie ihre Chancen?

Fragen, die in einer losen Gesprächsreihe mit Verlegern und Verlegerinnen aufgegriffen werden. Heute erfahren wir etwas mehr von über Andreas Mergenthaler von Cross Cult. Vorgeschlagen hatte das Michael Preissl von Voodoo Press.

Eine Skizze vom Verlag …

Andreas Mergenthaler © Cross Cult

Andreas Mergenthaler © Cross Cult

Cross Cult ist die Verlagssparte des Grafik-Studios Amigo Grafik, das ich zusammen mit meinem alten Schulfreund Hardy Hellstern gegründet habe. Da wir damals viel für den Dino-Verlag (später übernommen von Panini) gearbeitet haben, lag es nahe, auch selbst mal etwas mit Comics zu versuchen. Also haben wir 2001 unseren ersten Comicband veröffentlicht: Hellboy. Nachdem das vor allem wegen des kurz danach startenden ersten Hellboy Kinofilms ganz gut funktioniert hat, haben wir unser Programm nach und nach ausgebaut. Sin City war der erste große finanzielle Erfolg. 2007 kamen schließlich noch Romane hinzu und ab und zu auch Sachbücher und Artbooks. Die meisten Titel mit Bezug zu Kino- und TV-Themen oder Games. Um die Romane und Sachbücher kümmert sich Markus Rohde – unser externer Cheflektor. Die Comics und die Pressearbeit machen wir größtenteils „in-house“.

Warum musste es unbedingt ein Verlag sein?

Irgendwann war die reine Layoutarbeit zu anstrengend. Allerdings sind wir damals ohne große Erwartungen an die Sache rangegangen. Rückblickend war auch viel Glück dabei, dass es mit Cross Cult so gut funktioniert hat. Jetzt arbeiten ich und fünf bis sechs interne Mitarbeiter Vollzeit an unseren Verlagstiteln – plus viele Freelancer.

Woher beziehen Sie trotz sattsam bekannter Schwierigkeiten Ihr Engagement?

Es macht einfach Spaß, dass die Verlagsarbeit so vielfältig ist und dass man dann und wann mit Verkaufshits belohnt wird, ist das berühmte Sahnehäubchen. Ich selbst kümmere mich um die Auswahl der Comictitel, um manche der Lizenzdeals, die Arbeit mit Coverillustratoren und Comiczeichnern, habe einen Blick auf Marketing und Vertriebsarbeit, ich layoute die Umschläge, die redaktionellen Seiten der Comics und die Anzeigen, Kataloge und andere Werbemittel. Und zig andere Kleinigkeiten … Zudem macht es großen Spaß, mit Themen zu arbeiten, die man schon als Kind oder Jugendlicher geliebt hat: Die Peanuts, Star Trek, James Bond uvm.

Was hat sich infolge der Digitalisierung in Ihrer Arbeits-/Vorgehensweise verändert?

Ich kenne es eigentlich nur so. Zum Glück ist ja mittlerweile auch das Fax so gut wie ausgestorben.

Was machen Sie anders als die anderen? – Wie positionieren Sie sich gegenüber der Konkurrenz?

Bei Verlagsgründung hatten wir den Ansatz, es anders wie andere machen zu wollen, und deshalb haben wir unseren ersten Comic ganz untypisch von Farbe auf Schwarzweiß „umgebaut“ und auch noch mit Hardcover und kleinerem Format buchhandelstauglich gemacht. Das hat sich dann spätestens bei Sin City ausgezahlt, denn unser Format hat ideal dazu gepasst: Keine schlapprigen, dünnen Softcover, sondern dicke, stabile, wertige Hardcover. Dafür etwas teurer als üblich. Das kam bei Fans und dem Handel gut an. So wurde unser Format sogar für die US-Ausgabe von Sin City genommen. Mittlerweile hat sich dieses „Alleinstellungsmerkmal“ etwas aufgeweicht, weil wir auch Kiosktitel im Angebot haben, die eben Softcover und einen günstigen Preis brauchen. Und bei den Romanen verkaufen sich die Taschenbücher nun mal auch besser als edle Hardcover. Bei den meisten Comics sind wir unserem Hardcoverformat mit Lederimitatfolienkaschierung aber treu geblieben.

Zudem ist unsere Spezialität Comics, Romane oder Artbooks zu Filmen und TV-Serien zu veröffentlichen. Manchmal, wie im Fall von Planet der Affen, auch alles zugleich. Die deshalb möglichen Kooperationen mit Medienpartnern (Filmverleihern, Game-Publishern, TV-Sendern, Zeitschriftenredaktionen etc.) erleichtern die Vermarktung der Titel ungemein. Da es bei aktuellen Kinofilmen meist um schnelles Handeln geht, ist dies auch ein Vorteil für uns. Größere Verlage müssen einen Filmroman viele Monate vor Erscheinen einplanen – wir sind da flexibler.

So Sie Ihren Verlag neu aufstellen könnten, was würden Sie heute anders angehen als in der Startphase?

Die vorsichtige Startphase war schon richtig so. Aber nach dem Erfolg der sieben Sin City-Bände hatten wir den Bogen etwas überspannt und zu viele zu schlecht laufende Titel veröffentlicht. Das wirft einen dann zurück. Aber man lernt ja auch aus solchen Fehlern. Auch wenn sie schmerzhaft und teuer sind.

Wie gewinnen Sie Autoren?

Wir kaufen vor allem fix-und-fertige Lizenzen aus dem Ausland ein. In letzter Zeit haben wir aber angefangen, auch eigene Stoffe zu entwickeln und auch mit deutschen Autoren und Zeichnern zusammenzuarbeiten. Das ist aber noch relativ am Anfang. Vor ein paar Jahren kam ein Comicmacher auf uns zu, weil er an der Ludwigsburger Filmakademie als Abschlussarbeit einen Comic gemacht hatte, für den er einen Verlag gesucht hat. Das haben wir dann „ausnahmsweise“ gemacht, weil der Mann, Felix Mertikat, wirklich sehr gut in seinem Job ist. Und prompt wurden Felix und sein Texter damals auf der Frankfurter Buchmesse für den Band Jakob als beste Comic-Newcomer ausgezeichnet. Ein oder zwei Jahre später gab es dann für Steam Noir, vom selben Team, auch noch den Preis als „Bester Comic national“. Mit unseren ersten deutschen Comics gleich so gut angenommen zu werden, das war schon außergewöhnlich.

Wie organisieren Sie Ihren Vertrieb?

Anfangs haben wir zwar einen Comicfachhandelsvertrieb gehabt, aber die Barsortimente haben wir noch selbst beliefert. Wenn also ein LKW von der Druckerei kam, hieß es „Kette bilden und die Bücher in den Keller schaffen“. Spätestens mit Sin City war das dann wegen der Mengen aber nicht mehr möglich. Unser Fachhandelsvertrieb PPM hat sich dann also (wohl oder übel) auch auf die Belieferung des Buchhandels eingespielt. Dort sind die Margen ja nicht so gut wie im Fachhandel. Mittlerweile kümmert sich also PPM um den Vertrieb in den Buchhandel, Zwischenbuchhandel, Amazon & Co., eine andere Auslieferung kümmert sich um Bahnhofs-und Flughafenbuchhandel und Grosso – aber nur bei ausgewählten Titeln – und Bookwire kümmert sich sehr rührig um die digitalen Buchhandelsausgaben. Daneben gibt es noch einen kleineren Vertrieb für digitale Comics als App. Manche Messen und Conventions sind bei den Themen, die wir veröffentlichen, auch gute Absatzmöglichkeiten. Dort tummeln sich die Geeks und Fanboys und -girls, die unsere Bücher lesen.

Was tun Sie, um im Buchhandel Fuß zu fassen? – Wie sind Ihre Erfahrungen mit dem Sortiment?

das Logo © Cross Cult

das Logo © Cross Cult

Sagen wir mal: Das ist noch sehr ausbaufähig. Natürlich hat der stationäre Buchhandel schlichtweg Platz-und Zeitprobleme und er kann nicht jedes Buch kleinerer Verlage anbieten. Sogar die Top 20 der Verlage bekommen ihre Programm ja nur bei größeren Buchhandlungen komplett in die Regale. Kleinere Verlage sind dann erst recht nicht im Fokus der Händler. Was für uns und den Handel natürlich schade ist, den einige unserer Titel sind absolute Topseller auf Amazon – z.B. die Comicserien The Walking Dead oder Avatar oder die Romanreihe zur TV-Serie Castle – der Handel verliert also gute Umsätze und wir verlieren „Sichtbarkeit“, weil wir nicht die Kunde erreichen, die gerne in Buchhandlungen stöbern.

Leider springt der Handel auch nicht darauf an, wenn man rechtzeitig zu informieren versucht. Z.B. gingen uns gute Umsätze verloren, als vorletztes Jahr der James Bond Film Skyfall ein riesiger Erfolg in den deutschen Kinos war – 8 Millionen Zuschauer – aber fast keine Buchhandlung wollte im Vorfeld unsere Neu-Edition der James Bond Romane von Ian Fleming haben. Die eigentlich ein ideales Begleitprodukt zum Film gewesen wären.

Ganz aktuell haben wir zusammen mit einem befreundeten Comicverlag einen Key-Accounter engagiert, der uns bzw. unsere Titel beim Buchhandel, insbesondere bei den großen und mittleren Ketten und größeren Einzelbuchhandlungen, voranbringen soll. Für die kleinen Buchhandlungen sind viele unserer Titel wirklich zu „speziell“.

Wie halten Sie es mit Amazon?

Eine Art Hassliebe. Ohne Amazon würde uns ein guter Teil des Umsatzes fehlen. Andererseits macht Amazon durch die reine Marktmacht ja viele Buchhandlungen „um die Ecke“ kaputt oder zumindest das Leben schwer. Immerhin gibt es noch die Buchpreisbindung – Gott sei Dank. Sonst würde sich der Prozess noch beschleunigen.

Was tun Sie für Ihr Marketing?

Wie gesagt: Viel geht über Marketingkooperationen mit Medienpartnern, gelegentlich schalten wir Handelsanzeigen in den üblichen Fachblättern, manchmal auch Anzeigen in auflagenstarken Blättern wie McDonalds Kino-News oder dem King Magazin oder Saturns Piranha-Magazin oder in Genremagazinen. Eine Art Marketingaktion ist auch, dass wir die Comicserie „The Walking Dead“ derzeit mit Hilfe eines Vertriebspartners bei Media-Markt und Saturn anbieten. Und ansonsten das Übliche: Website, Google Ads, gesponserte Facebook Beiträge etc. Für unsere Comics für eine jüngere Zielgruppe erstellen wir gerade eine spezielle Website nach deren Bedürfnissen: Crocu.de.

Wie halten Sie es mit dem Börsenverein für den deutschen Buchhandel?

Wir sind nicht Mitglied – nutzen also die meisten Services des Börsenvereins nicht. Aber auf den Buchmessen Leipzig und Frankfurt sind wir aber mit Ständen vertreten.

Für wen machen Sie Bücher: Wie definieren Sie Ihre Zielgruppe, wo sehen Sie Ihre spezielle Marktnische?

Um es kurz zu sagen: Fans. Insbesondere der Genres Science-Fiction, Horror, Crime und Fantasy. Menschen, die gerne TV-Serien und aktuelle Kinofilme anschauen und die sich Lesestoff dazu besorgen wollen. Manche unserer Titel sind aber natürlich auch ohne Medienbezug einfach nur so gute Comics oder Romane.

Wo sehen Sie für Ihren Verlag die größten Chancen?

Wir besetzen meist Nischen, die andere Verlage vernachlässigen. Das war damals bei Verlagsgründung so, als nicht viele Verlage US-amerikanische-Comics veröffentlicht haben. Das Thema Science-Fiction wird derzeit arg vernachlässigt, das Thema James Bond lag auch lange brach – da sehe ich unsere Chancen, noch zu wachsen. Denn die großen Verlage sind oft sehr weit weg von der „Fanbase“. Überspitzt gesagt: Sie veröffentlichen nur Krimis aus Schweden für die Quotenfrau oder Vampir-Romance für Mädchen. Ihnen dämmert erst langsam, dass Mädchen heutzutage auch gerne mal so etwas wie einen Zombiecomic lesen wollen oder dass auch Männer manchmal Bücher lesen.

Welche besonderen Risiken verorten Sie für Ihren Verlag?

Das Risiko ist immer: Auf zu viele falsche Pferde setzen. Aber dieses Risiko kann man minimieren. Wir achten vor allem darauf, nicht nur ein Standbein zu haben. Wir haben einige: Das Grafikstudio, die Comics, die Romane, die Sachbücher, in Zukunft auch mehr Eigenproduktionen und vielleicht auch mal Merchandising.

Was schätzen Sie an der Independent-Szene besonders?

Der familiäre Umgang miteinander ist natürlich schön. Man ist näher an den Fans, den Lesern, man ist auch als Verleger oft auf Messen und spricht mit den Leuten, die die Bücher kaufen, man muss nicht irgendwelche Vorgaben internationaler Konzerne befolgen, man kann sein Ding durchziehen, man muss selbst für Fehler gerade stehen, man kann aber auch Erfolge selbst genießen. Gerade in letzter Zeit gab es auch schöne Kooperationen mit anderen Verlagen. Das wäre so bei Großverlagen sicher nicht möglich, da dort der Konkurrenzgedanke vorherrscht.

Was würden Sie jenen raten, die mit dem Gedanken spielen, einen Verlag an den Start zu bringen?

Lass die Hände davon. 😉 Wir hatten wirklich verdammt viel Glück – davon kann man nicht immer ausgehen. Die Regel ist wohl, dass man eine Bruchlandung hinlegt, weil man zu viel gewagt hat, oder dass man auf kleinstem Niveau vor sich hin arbeitet, weil man Risiken vermeidet. Beides ist nicht befriedigend. Erfolg in diesem Geschäft kann man nicht erzwingen oder berechnen. Aber wenn man es spannend und arbeitsreich mag: Einfach mal ausprobieren. Viel Glück!

Welche kleinen, unabhängigen Verlage empfehlen Sie? Und wer sollte in dieser Gesprächs-Reihe möglichst auch zu Wort kommen?

Zum Beispiel Steffen Janssen vom Luzifer Verlag, Karlheinz Schlögel und Hannes Riffel, die den Golkanda-Verlag verantworten, oder Joachim Körber mit der Edition Phantasia. Wobei sich ja alle hier bereits vorgestellt haben. Oder, wenn es auch mal ein Comicverlag sein darf: Eckart Schott/Salleck Publications und Dirk Schulz/Splitter Verlag.

Danke sehr für diesen Einblick!

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Ich würde mich freuen, wenn Ihr das Vorhaben unterstützt, kleinere Verlage zu entdecken. Etwa indem Ihr Vorschläge macht, wer hier möglichst Rede und Antwort stehen sollte. Und bitte vergesst nicht auf die entsprechenden Verlage zu verlinken. – Danke sehr! Mehr zur Intention der losen Gesprächsreihe mit Verlegerinnen und Verlegern erfahrt Ihr hier. Zu einer Übersicht über die Empfehlungen, die bislang zusammengekommen sind, geht es hier

Cross Cult im Netz:

Die Verlagswebsite: www.cross-cult.de

Eine Infoseite zu unseren Star-Trek-Romanen: http://www.startrekromane.de

Der Blog unserer James-Bond-Übersetzerinnen: http://translating007.tumblr.com

Ab März 2015 – unsere Kids-Website: www.crocu.de

Das Verlagsforum: http://www.comicforum.de/forumdisplay.php?48-Cross-Cult

Auf Facebook:

https://www.facebook.com/crosscult

https://www.facebook.com/startrekromane

https://www.facebook.com/doctorwhoromane

2 Kommentare zu “„Dass man dann und wann mit Verkaufshits belohnt wird, ist das berühmte Sahnehäubchen.“ – SteglitzMind stellt Andreas Mergenthaler von Cross Cult vor

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