Ergänzungen und Erweiterungen zur Verfassungsbeschwerde vom 06.07.2012 – Beschwerdeführer: Dr. iur. Wolfgang Philipp – Seite 4/7


Ergänzungen und Erweiterungen zur Verfassungsbeschwerde vom 06.07.2012
Beschwerdeführer: Dr. iur. Wolfgang Philipp
Seite 4/7

grund­sätzlich, vor allem aber in jedem Einzelfall, ein tiefgreifender Interessenkonflikt be­steht oder bestehen kann. Das wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass in der Einleitung des ESM-Vertrages davon die Rede ist, es gehe nur um die Wahrung der Finanzstabilität des Euro-Währungsgebietes“. Selbst wenn dies ein gemeinsames Interesse sein sollte, sind doch ganz konkret im Einzelfall schwerwiegende Interes­senkonflikte zwischen dem ESM einerseits und dem jeweils betroffenen Mitgliedsstaat andererseits zu erwarten.

Bei einer derartigen Ausgangslage fehlt jedes Verständnis dafür, dass Art. 5 Abs. 1 des ESM-Vertrages vorsieht, die Mitglieder des Gouverneursrates müssten jeweils Regierungsmitglieder der Mitgliedsstaaten sein, und zwar mit Zuständigkeit für die Finanzen.

a)  Gegenwärtig würde für Deutschland Bundesfinanzminister Schäuble auch deut­scher Vertreter im Gouverneursrat. Es liegt offen zu Tage, dass er dadurch in unlösbare Interessenkonflikte geriete. Als Gouverneur ist er uneingeschränkt dem Interesse des ESM als juristische Person verpflichtet, da er dessen Organ ist. Als Mitglied der Bundesregierung hat er aber u.a. geschworen, „seine Kraft dem Wohle des deutschen Volkes zu widmen“. Der Gouverneursrat muss laufend Entscheidungen treffen, denen die Mitgliedsstaaten bei Meidung schwerwiegender Sanktionen (Stimmrechtsverlust) nachkommen müssen.

b)   Wenn nun aber der Bundesfinanzminister Mitglied des Gouverneursrates wird, ist er gleichzeitig als Bundesfinanzminister und Mitglied des Kabinetts auch Adressat der von ihm selbst ausgesprochenen Forderungen und Auflagen. So kann es gut sein, dass Deutschland bzw. die jeweilige Bundesregierung weder willens noch in der Lage sind, bestimmten Anforderungen auf Einzahlung von abrufbaren Mitgliedsbeiträgen überhaupt oder fristgerecht nachzukommen, schon weil sie im Haushalt nicht verankert sind. Auch kann es sein, dass die Bundesregierung bestimmte Vorhaben des ESM, Zahlungen an Euro-Staaten oder deren Banken zu leisten, nicht billigt. Einen derartig massiven Interessenkonflikt ausgerechnet durch die Bestellung von Regierungsmitgliedern der Mitgliedsstaaten zu Gouver­neuren des auf ganz andere Interessen ausgerichteten ESM-Fonds heraufzu­beschwören, verstößt gegen hergebrachte europäische Rechtsregeln und gegen das Rechtsstaats­prinzip. Es verstößt auch gegen das Prinzip des Budgetrechts des Deutschen Bundestages: Der Bundesfinanzminister ist Ansprechpartner des Bundestages in allen Fragen des Budgetrechts. Der Deutsche Bundestag kann keine sachgerechte Haushaltspolitik mehr betreiben, wenn er davon ausgehen muss, dass der für ihn zuständige Finanzminister von vornherein auf fremde

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