[Gelesen] Blutfrost (Maria Krause #2) – Susanne Staun

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Ein schlimmer Fall von Kindesmissbrauch macht der Rechtsmedizinerin Maria Krause zu schaffen – zumal ihr Zwillingsbruder unter Tatverdacht steht.

Eher zufällig wird die Rechtsmedizinerin Maria Krause bei einem Abstecher in das Krankenhaus von Odense darauf aufmerksam, wie ein verzweifeltes Ehepaar völlig aufgelöst sein zweijähriges Kind in der Notaufnahme abliefert, das am ganzen Körper rätselhafte Verätzungen aufweist. Schockiert stellt Maria zudem fest, dass es sich bei dem Vater um ihren Zwillingsbruder Daniel handelt, den sie nach einer gemeinsamen Kindheit voller Hass und gegenseitiger Verachtung seit vielen Jahren nicht gesehen hat. Als sie wenig später auch noch beruflich in den Fall verwickelt wird, weil sie um eine Expertise zu einer möglichen Ursache der Kindesverletzungen gebeten wird, versetzt sie das endgültig in Alarmbereitschaft: Ist Daniel ein brutaler Sadist, der sein eigenes Kind derart schwer misshandelt?

Ein neuer Fall für Rechtsmedizinerin Maria Krause

Susanne Stauns Roman „Totenzimmer“ war für mich eines der Krimi-Highlights des Jahres 2012, was vor allem an der mehr als ungewöhnlichen Hauptfigur lag. Die Rechtsmedizinerin Dr. Maria Krause ist nämlich keine 08/15-Ermittlerin, sondern eine Person mit Ecken und Kanten in einem Ausmaß, das mir zuvor in einem Kriminalroman bisher so noch nicht untergekommen ist. So gab sie zum Beispiel im Auftaktband der Reihe ihre eigene Vergewaltigung in Auftrag oder trauerte um ein junges Mordopfer, von dem Krause davon überzeugt war, dass es sich dabei um ihre abgetriebene Tochter handelte. Harter Tobak also, der mich beim Lesen teilweise ganz schön verstört hat, gleichermaßen aber auch eine bizarre Faszination für diese geschädigte Persönlichkeit auslöste.

Neue Eskapaden der faszinierend-verstörenden Ermittlerin

Ähnlich befremdlich tritt Maria Krause auch in der Fortsetzung „Blutfrost“ auf, wobei die Autorin bei den Eskapaden ihrer Hauptfigur über weite Strecken des Romans nicht mehr zu den ganz großen Extremen greift. Das ist zwar einerseits beruhigend, aber auch ein wenig schade, da die Rechtsmedizinerin dadurch etwas mehr Normalität gewinnt und der besondere Reiz dieser Figur ein kleines bisschen nachlässt. Trotzdem darf man als Leser aber auch in „Blutfrost“ guten Gewissens den Kopf schütteln, wenn die Protagonistin die ätzende Wirkung von Rohrreiniger in einem Selbstversuch am eigenen Körper erforscht und dabei schlimme Brandverletzungen und zerstörte Nervenenden in Kauf nimmt, um den Missbrauch eines wehrlosen Kindes zu beweisen. Da nimmt man es auch in Kauf, dass der Roman trotz durchaus interessant konzipierter Nebenfiguren erneut zur One-Woman-Show der Maria Krause wird und beispielsweise ihre skurril-tröstliche Beziehung zu einem fast vollständig gelähmten Rollstuhlfahrer zum Ende hin ein wenig auf der Strecke bleibt.

Spannender und abgründiger Plot

Auch der Krimiplot ist wie schon im Vorgänger gelungen, wenngleich die Handlung als solche nicht immer unbedingt ersichtlich ist und sich häufig ein wenig hinter dem von Susanne Staun geschilderten Alltag einer renommierten Rechtsmedizinerin versteckt. Da sorgen dann schon einmal Rechercheanfragen von Krimiautoren oder lästige Vorträge dafür, dass die eigenen Nachforschungen etwas hintenangestellt werden müssen. Das ist für die Story zwar nicht immer unbedingt förderlich, lässt das Setting und die Arbeit von Maria Krause dafür aber umso authentischer erscheinen. Spannend ist zudem wieder die persönliche Verwicklung der Hauptfigur in den Fall, da diesmal ihr Zwillingsbruder des schweren Kindesmissbrauchs verdächtigt wird – was durch das brisante Verhältnis der Geschwister zusätzlichen Reiz erfährt.

Gelungene, aber etwas zu kurze Fortsetzung

All das macht „Blutfrost“ zu einer spannenden Fortsetzung und einem wieder einmal sehr abgründigen Kriminalroman, der sich wohltuend aus dem Genre-Einheitsbrei abhebt. Neben der erneut erfrischend facettenreichen Hauptfigur und des glaubwürdigen Settings überzeugt vor allem die packende Geschichte, die vom Erzähltempo her zwar eher ruhig geschildert wird, durch die nicht immer einfache Thematik (u.a. Kindesmissbrauch und Münchhausen-Stellvertretersyndrom) aber trotzdem mitreißend und nicht selten schockierend ist. Wenn man dem Buch etwas vorwerfen möchte, dann ist das vielleicht der etwas geringe Umfang, denn mit nur rund 290 Seiten ist „Blutfrost“ fast schon ein wenig zu kurz, um dem ungewöhnlichen Charakter der Protagonistin voll gerecht zu werden.

Fazit:
Gelungene Fortsetzung mit einer erneut faszinierend-verstörenden Hauptfigur und einem spannenden und abgründigen Krimiplot (8/10).

Blutfrost
Autorin: Susanne Staun; Originaltitel: Hilsen fra Rexville; Umfang: 291 Seiten; Verlag: Tropen; Erscheinungsdatum: 24. Januar 2014; Preis: Broschiert 17,95 €/eBook 13,99 €.

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4 responses to this post.

  1. Schöne Rezi, die mich auf jeden Fall neugierig auf das Buch gemacht hat. Danke 🙂

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  2. […] Blutfrost – Susanne Staun (8/10): Auch der zweite Band der Maria-Krause-Reihe konnte mich wieder überzeugen, zwar fand ich die Hauptfigur stellenweise fast schon zu normal, dafür hat mir die Story etwas besser gefallen als im Vorgänger. (Rezension) […]

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