God Of War 2

God Of War 2

Zugegeben: kaum ein Spiel ist so brutal und blutig wie "God Of War 2". Und doch ist dieses Game weit mehr als ein weiteres Gemetzel. Mit seinem wilden Parforce-Ritt durch die Mythologie, den gigantischen Kulissen und seiner überbordenden Fantasie, die jedes Detail erfüllt, erhebt es das Hack&Slay zur Kunstform

Vor dir steht nicht weniger als ein lebendig gewordenes Weltwunder: der Koloss von Rhodos. Und er ist verdammt wütend. Noch ehe du dich mit der Steuerung vertraut machen kannst, reißt der Riese die schützenden Säulen vor dir nieder und versucht dich mit seinen gigantischen Händen zu zerquetschen. Dein erster Impuls ist: Flucht. Doch natürlich gehört sich das für den Kriegsgott Kratos nicht. Schließlich hast du gerade noch aus purer Langeweile das Heer der Spartaner auf Rhodos losgelassen. Nun kämpfst du dich durch schwirrende Pfeile, brennende Tempelbauten und Kampfgemenge zu einem Katapult vor. Dabei greifen immer wieder Soldaten der griechischen Hafenstadt an. Zudem bewirft dich der Koloss wahllos mit den kämpfenden Truppen. Als das Katapult erreicht ist, schleuderst du dich zum Kopf des Riesen und stichst ihm ein Auge aus. Bis hierhin sind bereits 20 Spielminuten vergangen. Und gerade meinst du, du hast den Koloss unter Kontrolle, da packt er dich und wirft dich von sich fort über das halbe Stadtgebiet. Und du musst dich erneut zu ihm vorarbeiten. Und dabei klettern, kämpfen, schwimmen, kämpfen, dich über Abgründe schwingen, kämpfen - und, kein Witz, zwischendurch noch zwei Griechinnen im Pool befriedigen. Denn deine erste Attacke war erst der Anfang. Mehr als eine Stunde wird es dauern, bis der Riese fällt. Und der Koloss zertrümmert inzwischen ganze Gebäude, zermalmt Unschuldige und schlägt mit seinen Fäusten Löcher in die Wände, an denen du gerade emporsteigst. "God Of War 2" beginnt so spektakulär wie kein Videospiel zuvor. "Ich bin kein Fan von Games, die mit einem langen Tutorial starten." stellt Cory Barlog, Director und Lead Designer des Spiels, dann auch klar. "In vielen Titeln läuft man erst Ewigkeiten durch ein Dorf und redet mit Figuren, die einem eh nichts bedeuten. Da bringt es auch wenig, wenn Freunde mir sagen: Warte noch fünf Stunden, dann nimmt das Spiel Fahrt auf. Ich finde, Games sollten von Anfang an auf den Putz hauen. Und zwar richtig." Nach dem Kampf mit dem Koloss steht Kratos erschöpft in den Ruinen der Stadt. Denn während der Auseinandersetzung hat er nicht nur sämtliche Fähigkeiten verloren, sondern auch seine Göttlichkeit eingebüßt. Jene Göttlichkeit, die er erst am Ende des letzten Spiels erlangt hatte. Wie hätte es auch anders sein können. Kratos ist schließlich der Inbegriff eines Antihelden: voller physischer Stärke, aber moralischer Schwächen. Einst ein Mensch, überließ Kratos in einer ausweglosen Schlacht Ares, dem Gott des Krieges, sein Leben für den Sieg. Fortan war er verdammt, eine Existenz als ewiger Kriegsherr zu führen. Als Ares Kratos jedoch eines Tages dazu brachte, sogar die eigene Frau und die Tochter zu töten, sann Kratos nach Rache. Tatsächlich gelingt es ihm am Ende des ersten Spiels, den Gott des Kriegs zu vernichten - und erlangt dessen Platz im Olymp. Einen Gott zu töten: Wie kann diese unglaubliche Aufgabe aus dem Vorgänger noch getoppt werden? Indem man als Kratos dem mächtigsten aller Schöpfer den Krieg erklärt: Götter-vater Zeus persönlich. Der ist nämlich dafür verantwortlich, dass der Kriegsgott am Ende des Kampfes gegen den Koloss wieder als Mensch dasteht. Fragt man Barlog nach seiner Vision für den zweiten Teil von "God Of War", antwortet er: "Es war mir wichtig, dass die Story des Games und die Charakterentwicklung des Helden durch das eigentliche Gameplay rübergebracht werden. Und nicht nur durch Filmsequenzen: Wir erzählen dir in ‚God Of War 2‘ nicht nur eine Geschichte, du durchlebst sie." Und tatsächlich: diese Maxime zieht sich durch das gesamte Spiel. Der Moment, in dem Kratos all seine Kräfte einbüßt, ist nicht nur ein irrelevantes Storyhäppchen, das man ebensogut wegklicken könnte, und anschließend geht es weiter, als wäre nichts geschehen. Nein. Das Spiel lässt einen den Verlust erfahren. Denn kurz zuvor durfte man noch selbst von der Macht Kratos' kosten: Sogar Neulinge brauchten beim Kampf gegen den Koloss einfach nur auf die Tasten des Joypads zu hauen. Und spektakuläre Moves, wie das Schwingen der Schwerter, als wären es Rotorblätter, gelangen scheinbar wie von selbst. Als Kratos jedoch zu einem Sterblichen degradiert wird, verliert auch der Spieler seine Macht: Selbst kleine Gegner, die zuvor bestenfalls Futter fürs Combo-Meter waren, stehen von einem Moment auf den anderen mit einem auf Augenhöhe. Mit diesem Mechanismus gelingt es den Entwicklern, die unglaubliche Wut, die Kratos gegen-über Zeus empfindet, auch auf den Spieler zu übertragen.

Eine Story, die berührt

Wo andere Games ihre Geschichte allein mit opulent produzierten Cut-Scenes erzählen oder gar denken, sie würden das Storytelling in Videospielen durch das Verwenden von echten Schauspielern revolutionieren, schafft es dieses vermeintlich simple Hack-&-Slay-Game, dass einen die Story persönlich berührt. Dieser Dreh hievt den Titel auf ein Level mit Klassikern wie "Ico", die einen auch ohne viele Worte die Emo-tionen der Figuren spüren lassen. Wo "Ico" allerdings mit einem minimalistischen Ansatz und subtilen Gefühlen punktet, setzt "God Of War 2" auf die große Geste und rohe Gewalt. Wenn Kratos etwa einen Gegner zu Boden ringen will, überträgt das Game die Anstrengung auf den Spieler, indem es ihn zwingt, unglaublich schnell auf die Tasten zu hämmern. Aber in den spektakulären Kämpfen geht es freilich nicht allein um heftiges Knöpfchendrücken, sondern vor allem um Stil und Akrobatik. Das Spiel erlaubt es sogar, die Waffen oder magischen Kräfte während eines Angriffs zu wechseln. Und so eine Combo hinzulegen, die zwar brutal ist, aber zugleich auf ihre eigene Art anmutig: Mit einem Kampfstab katapultiert Kratos eine Nymphe hoch in den düsteren Himmel, schleudert ihr in derselben Bewegung seine Klingen entgegen, fängt sie mit den an Ketten um seine Arme angeschmiedeten Schwertern ein. Nur um das zarte Fabelwesen mit leichter Bewegung nochmals in die Luft zu werfen und es nun mit einer Wolke von Pfeilen zu durchbohren. Fällt die Nymphe am Ende schwer verletzt zu Boden, beendet Kratos ihr Leben mit einer letzten brutalen, blutigen, herablassenden Geste. Unter seinem Fuß zerstampft er ihren Schädel. Die meisten Gegner geben sich natürlich nicht so leicht ge-schla-gen. Viele von ihnen sind sogar derart massiv, dass man manchmal nicht mehr weiß, ob man es gerade mit einem Boss-kampf oder einem normalen Feind zu tun hat. Doch dann kommen die richtigen Endgegner, und man versteht den Unterschied: zum Beispiel im Zweikampf mit dem mächtigen Perseus, dem Sohn des Zeus, der zwar unsichtbar ist, sich aber in einem Wasserbecken durch seine Schritte verrät. Oder fast am Ende des Spiels, wenn es gilt, gegen die drei Schicksalsgöttinnen anzutreten. Allein an diesem Kampf arbeitete das Entwicklerteam volle sechs Monate. Ein weiteres Beispiel dafür, dass in "God Of War 2" andere Dimensionen gelten: Für welches andere Spiel feilte ein Studio bitte ein halbes Jahr an einem einzigen Bosskampf?

Das Videospiel-Pendant zu Speedmetal

Spätestens hier wird klar: Alles an "God Of War 2" ist schlicht gigantisch. Auch die Settings. Mal erstarrt man in Ehrfurcht, etwa wenn Kratos an einen Tempel gelangt, vor den Pferde, so groß wie eine Bergkette, gespannt wurden. Oder wendet sich vor Abscheu ab, wenn der Held durch einen endlos langen blutigen Schacht aus dem Hades herausklettert und immer wieder deformierte Arme nach ihm greifen. Und als wäre das noch nicht genug, lassen einen die Entwickler gar auf Atlas treffen, den Titanen, der die Weltkugel auf seinen Schultern trägt. Der Soundtrack tut mit einer eine Gesamtlänge von dreieinhalb Stunden ein übriges. Die Choräle, die von einem vierzigköpfigen Chor eingesungen wurden, gereichen in ihrem Pathos Orffs "Carmina Burana" zur Ehre. Und düstere Bläser-Fanfaren treiben den Spieler zu Höchstleitungen an, zu einem intensiven Blutrausch. Zugegeben: "God Of War 2" ist nicht einfach brutal, es ist das blutrünstigste Spiel, das je auf dem Cover der GEE zu sehen war. Kratos vierteilt Minotauren, bricht der Medusa das Genick, reißt dem Zyklopen bei lebendigem Leibe sein Auge heraus, hackt dem Pegasus im Flug seine Schwingen ab. Die Brutalität genügt sich jedoch niemals selbst: Die Gewalt ist immer auch erfüllt von Schönheit beziehungsweise ihrem düsteren Spiegelbild. So wie die Verfilmung von Frank Millers Comic "300" im Aufeinandertreffen der Körper auf dem Schlachtfeld eine Poesie entfaltet. Genau so wie ein Gemälde von Michelangelo oder ein Plattencover von Slayer voller Schönheit sein kann, obwohl auf ihnen die Hölle zu sehen ist. Denn "God Of War 2" ist das Videospielpendant zu Speedmetal: Kratos tritt den größten Gestalten der griechischen Mythologie im wahnwitzigen Tempo eines Stakkato-Gitarrenriffs gegenüber. Und, ja, manchmal wirkt das prollig und trägt extrem dick auf. Doch unter der Oberfläche ar-beiten Mechanismen, so filigran und virtuos, wie man sie selten bei einem Spiel erleben durfte. Und die immense Wucht und Ungezähmtheit von "God Of War 2" sucht ohnehin ihresgleichen. Daran lässt das Spiel keinen Zweifel - vom ersten Moment an.

Das Spiel

Als Sony bekannt gab, dass Serien-Erfinder David Jaffe an "God Of War 2” nicht beteiligt sein würde, war der Aufschrei riesengroß. Nachdem zudem als Plattform nicht wie erwartet die PS3 angekündigt wurde, sondern erneut das Vorgängermodell, rechneten viele Fans erst recht mit einem Schnellschuss. Zum Glück stellen sich diese Sorgen als unbegründet heraus: "God Of War 2" spielt sich fantastisch. Es ist allerdings nicht mehr als ein typischer "Höher, schneller, weiter"-Nachfolger geworden. Das Gameplay besteht also weiterhin hauptsächlich aus Hack&Slay in festen Kamera-perspektiven mit Rätseleinlagen, die über das kleine Einmaleins der Kistenverschiebe-Puzzles nicht hinausgehen. Wie so oft in einem zweiten Teil einer Serie bestehen die Neuerungen hauptsächlich aus Ideen, deren Realisierung eigentlich schon für den Teil davor geplant war. Da wären in "God Of War 2" zum Beispiel, in der Reihenfolge ihres Auftretens: ein Enterhaken, um über Abgründe zu schwingen (klasse, außer in einer "Sonic"-mäßigen High-Speed-Sequenz, in der man tausend Tode stirbt und nicht weiß, warum), Flugeinlagen auf einem Pegasus (nette Abwechslung, aber im Grunde genommen überflüssig) oder die magische Fähigkeit, den Fluss der Zeit zu verlangsamen (gut, aber viel zu selten ins Gameplay eingebunden). Die Stärken von "God Of War 2" liegen also wahrlich nicht in seinen neuen Akzenten, sondern darin, die Wucht und den Bombast des ersten Teils noch einmal zu übertreffen. Zunächst auf einer grafischen Ebene, die ein Feuerwerk abfährt, das vor einigen Jahren wohl kaum jemand der PS2 zugetraut hätte. Aber vor allem in der Intensität des Gameplays: Während der Vorgänger zum Beispiel nur drei Endgegner zu bieten hatte, überzeugt hier jeder zweite Feind durch Masse und Klasse. Dass "God Of War 2" noch auf der Playstation 2 erscheint, ergibt also durchaus Sinn: Denn eine große Konsole sollte mit einem großen Spiel abdanken. Und "God of War 2" ist gigantisch. Fazit Schwanengesang: Der letzte große Titel für die PS2 ist zugleich einer der besten. Trotz weniger Innovationen gegenüber dem Vorgänger bietet "God Of War 2" einen intensiven Rausch, dem kaum ein anderes Game das Wasser reichen kann. Für Freunde von "Devil May Cry", "Legacy Of Kain", "Prince Of Persia: Sands Of Time" In "God Of War 2" treten quasi im Minutentakt Figuren aus der griechischen Mythologie auf. Aber wer sind diese Gestalten eigentlich? Fünf Steckbriefe: Cerberus Der Höllenhund und Bruder der Sphinx besitzt mal einen, mal drei und mal gleich fünfzig Köpfe. In Dantes "Göttlicher Komödie" peinigt Cerberus in der Hölle jene, die zur Lebzeiten der Völlerei gefrönt haben. Ikarus Das Sinnbild des übermütigen: Aus einem Labyrinth entkommen, fliegt Ikarus mit seinen selbst gebastelten Flügeln übers Meer. Trotz Warnungen, nicht zu hoch zu steigen, strebt er sorglos der Sonne entgegen. Doch deren Hitze lässt das Wachs schmelzen, das seine Flügel zusammenhält, und Ikarus stürzt ab. Euryale Eine der drei Gorgonen-Schwestern mit Haaren, die aus Schlangen bestehen und einem Blick, der jeden, der sie ansieht, zu Stein erstarren lässt. Euryale ist unsterblich, berühmter jedoch ist ihre sterbliche Schwester Medusa, die von Perseus geköpft wurde. Theseus Der Tausendsassa: Theseus tötet den Stier von Marathon, zieht mit Herakles gegen die Amazonen ins Feld und befreit Persephone aus der Unterwelt. Sein größter Coup: das Erlegen des Minotaurus. Die drei Moiren Töchter des Zeus und Göttinnen des Schicksals. Sie stehen in der Hierarchie der Götterwelt noch über dem Olymp. Die Moiren tauchen angeblich drei Nächte nach der Geburt eines Kindes auf, um den Verlauf von dessen Leben zu bestimmen. Text: Heiko Gogolin
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von Volker Hansch / Juni 10th, 2007 /

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